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Archiv "Gesundheitspolitik: Fischers erster Versuch" (14.05.1999)

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undesgesundheitsministerin Andrea Fischer hat für ih- ren ersten großen Gesetzes- versuch bislang wenig Lob erhalten.

Nicht nur die sogenannten Lei- stungserbringer äußern sich kritisch, auch in den eigenen Reihen ist die Gesundheitsreform 2000 umstritten.

Gewichtige Kritiker sitzen in der SPD. Auch die Bundesländer dürf- ten nicht immer mitziehen, jedenfalls soweit Frau Fischer ihnen zumutet, bisherige Hoheitsrechte bei der Krankenhausplanung aufzugeben.

Immerhin scheint Bundeskanz- ler Gerhard Schröder ihr einstwei- len die Stange zu halten (siehe dazu den Kommentar auf „Seite eins“ in Heft 18). Auch er wird sich freilich nach dem 630-Mark-Gesetz und dem Gesetz über die Scheinselb- ständigkeit eine weitere Pleite nicht leisten wollen. Dabei betreffen die- se Gesetze noch vergleichsweise schlichte Sachverhalte. Bei der Ge- sundheitsreform sind die Chancen auf eine erregte und verquere öf- fentliche Diskussion weitaus größer.

Frau Fischers Staatssekretär Erwin Jordan, der den Arbeitsentwurf in Bonn vorstellen durfte, sprach zwar davon, daß kein Systemwechsel be- absichtigt sei, sondern lediglich eine Modernisierung des Systems. Doch es geht um mehr.

Frau Fischer hält ihre Grundpo- sitionen trotz aller zwischenzeitli- chen Kritik aufrecht. Die wesentli- chen Punkte:

¿Budgetierung: Kurioserweise taucht unter Fischers Auflistung der Gesetzesinhalte die Budgetierung

erst unter „ferner liefen“ auf. In Wirklichkeit ist sie der zentrale Punkt der Reform. Frau Fischer legt sich auf Globalbudgets, aufzustellen auf Landesebene, fest. Maßstab sind die Beitragseinnahmen der Kassen.

Wenn das Gesetz so kommt, wäre die Budgetierung zementiert. Jordan hat hier ein gutes Gewissen. Es gebe im Gesundheitswesen nämlich genug Rationalisierungsreserven. Das Ar- gument ist altbekannt, ohne treffen- der geworden zu sein.

Stringente Budgets

Fortgeführt werden die Arznei- und Heilmittelbudgets – noch strin- genter als bisher. Maßgebend sollen nämlich die drei billigsten „Budget- regionen“ sein. Der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesverei- nigung, Dr. Winfried Schorre, kom- mentierte denn auch: „Wir haben jetzt schon viel zu wenig Geld für Medikamente, staatlich verordne- te Rationierung ist also program- miert.“

ÀStärkung der Krankenkassen:

Der gesamte Gesetzentwurf scheint nach der Maxime aufgestellt zu sein, die Krankenkassen zu stär- ken, aus den Financiers sollen die Mitgestalter, wenn nicht gar die be- stimmenden Kräfte im Gesundheits- wesen werden. Das reicht von umfas- sender Qualitätssicherung in allen Bereichen des Gesundheitswesens – wobei dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen tiefgreifende Kon- trollrechte zugewiesen werden sollen

– über ein Kündigungsrecht von Ver- sorgungsverträgen mit den Kranken- häusern bis hin zum ominösen Ein- kaufsmodell für die ambulante Ver- sorgung. Der Begriff Einkaufsmodell taucht zwar nirgendwo auf, de facto wird den Krankenkassen jedoch im Rahmen der „integrierten Versor- gung“ das Einkaufsrecht zugespro- chen. Kassenverbände und einzelne Kassen können nämlich mit Lei- stungserbringern und Gruppen von Leistungserbringern Verträge schlie- ßen. Den Kassenärztlichen Vereini- gungen kommt hier nur mehr ein schwach ausgeprägtes Vetorecht zu.

Á Stärkung der hausärztlichen Versorgung: Vorgesehen sind im we- sentlichen zwei Instrumente. Die Versicherten sollen einen Beitrags- bonus bekommen, wenn sie sich ver- pflichten, den Hausarzt als Filter einzuschalten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen müssen die Gesamt- vergütung aufteilen in einen Topf für Hausärzte und einen für Spezia- listen. Hausärzte sollen im übrigen sein: Allgemeinärzte, Kinderärzte sowie Internisten, die keine Schwer- punktbezeichnung führen.

 Öffnung der Krankenhäuser:

Die Krankenhäuser sollen künftig bei schweren Krankheitsbildern und komplizierten Verläufen ambulant behandeln dürfen. Die Fristen für die ambulante vor- und nachsta- tionäre Behandlung werden ausge- weitet. Der Katalog vom Kranken- haus ambulant durchführbarer Ein- griffe wird erweitert. Keine Rede ist davon, für solche erweiterten Lei- stungen die Ärzte persönlich zu er- A-1245

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 19, 14. Mai 1999 (17)

Gesundheitspolitik

Fischers erster Versuch

Der Arbeitsentwurf des Bundesgesundheitsministeriums für ein Gesetz zur Gesundheitsreform 2000 ist überwiegend auf Kritik gestoßen.

Das Ministerium hält an seinen von Anfang an verkündeten Grundpositionen im wesentlichen fest.

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mächtigen. Das Krankenhaus als Insti- tution dürfte hier zum Zuge kommen.

à Umstellung der Krankenhaus- finanzierung: Die sogenannte Moni- stik (gemeint ist die alleinige Finan- zierung durch die Krankenkassen) ist nicht vom Tisch. Frau Fischer scheint hier gegenüber den Ländern stand- haft bleiben zu wollen. Allerdings be- schränkt sich der Arbeitsentwurf auf Ankündigungen für eine fernere Zu- kunft. Als Zukunftsziel wird des wei- teren „ein möglichst vollständiges Fallpauschalensystem“ in dem Ar- beitsentwurf genannt. Eine Absichts- erklärung, die in einem Gesetzestext kurios anmutet. Es lohnt zur Zeit nicht, näher auf die Absichten einzu- gehen, da gerade hier mit den Län- dern und auch innerhalb der Koaliti- on erheblicher Verhandlungsbedarf besteht. Ausgang offen.

Ä Kontrolle von oben: Vor der Bonner Presse vertrat Staatssekretär Jordan wahrhaftig die Meinung, mit dem Gesetzesvorhaben werde das Gesundheitswesen in die Hände der Selbstverwaltung gelegt, während frühere Bundesregierungen alles und jedes hätten von oben regeln wollen.

In Wahrheit wird zwar die Selbstver- waltung in Fischers Gesetzesversuch immer wieder beschworen, vor allem indem die Krankenkassen allent- halben ihre Mitsprache bekommen.

Doch dieser Selbstverwaltung wird von oben bis ins Detail verordnet, was und wie sie selbst zu verwalten hat.

Übermaß an Bürokratie

Es steht zu befürchten, daß die Gesundheitsreform 2000 allen, den sogenannten Leistungserbringern ebenso wie den die Leistungen emp- fangenden Patienten ein Übermaß an Bürokratie bescheren wird. Bundes- ärztekammer-Vizepräsident Prof. Dr.

Jörg-Dietrich Hoppe vermutet, dem Gesetzentwurf liege „ein abgrundtie- fes Mißtrauen gegen Eigenverantwor- tung und Selbstverwaltung zugrunde.

Und KBV-Vorsitzender Schorre be- fürchtet für die Kassenärzte „eine wei- tere Flut von Prüfungen, Kontrollen und bürokratischen Belastungen“.

Fazit: Fischers erster Versuch be- darf Nachbesserung – bevor er Gesetz wird. Norbert Jachertz A-1246

P O L I T I K LEITARTIKEL/AKTUELL

(18) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 19, 14. Mai 1999

en Aufschub der Gesund- heitsreform 2000 um ein Jahr hat Dr. med. Frank Ulrich Montgomery, Bundesvorsitzender des Marburger Bundes, vor einem Exper- tenforum des Forschungsinstituts für Sozialpolitik der Universität zu Köln gefordert. Der von der Regierung vor- gegebene enge Zeitrahmen für die Novelle zur Umstrukturierung des Sy- stems sei nicht ausreichend, der an- gebliche Zeitdruck künstlich erzeugt.

„Die Verantwortlichen haben sich mit dem Vorschaltgesetz, das eine An- schlußregelung für die sektorale Bud- getierung ab dem 1. Januar 2000 er- fordert, und der Koalitionsverein- barung, die eine Anschlußregelung für die Finanzierung des Reparatur- aufwandes der Krankenhäuser ver- spricht, selber unter Druck gesetzt.

Wir brauchen jetzt keine Reformen“, sagte Montgomery. Die Beiträge der Gesetzlichen Krankenversicherung seien derzeit stabil, und somit bestehe kein akuter Handlungsbedarf. „Es geht nicht darum, Entscheidungen auf die lange Bank zu schieben. Aber wenn diese Eckpunkte alles gewesen sein sollten, werden wir in einem Jahr wieder hier sitzen und über die Ge- sundheitsreform 2001 reden. Wir ma- chen nur Kleinkram.“

Für eine möglichst rasche Umset- zung der Reform plädierte hinge- gen Rolf Stuppardt, Vorstandsvorsit- zender des Bundesverbandes der In- nungskrankenkassen. Er bemängelte insbesondere die Unwirtschaftlichkeit und die Qualitätsprobleme im Sy- stem, die eine teilweise Neuorganisa- tion dringend erforderlich machten.

„Warum haben wir in Deutschland doppelt so lange Krankenhausliege- zeiten wie in Frankreich und den Nie- derlanden?“ fragte Stuppardt.

Ein weiterer Abbau von Kran- kenhausbetten ist nach Ansicht von Prof. Werner G. Fack-Asmuth, Vor- stand des Deutschen Krankenhaus- instituts, durchaus möglich. Dafür sei es aber notwendig, Versorgungs- netzwerke in einer Region zu schaf- fen und die Verzahnung zwischen ambulanten und stationären Berei- chen zu intensivieren, so der Kran- kenhaus-Experte.

Ärzte nicht prinzipiell gegen Globalbudget

Dr. med. Frank Ulrich Montgo- mery, zugleich Vize-Präsident der Bundesärztekammer, sagte vor dem Kölner Forum, die Ärzteschaft lehne ein Globalbudget in der Gesetzlichen Krankenversicherung nicht prinzipi- ell ab. Vielmehr komme es darauf an, wie dieses ausgestaltet und bemessen sei. „Falls dieses Budget auch die demographischen, epidemiologischen und medizinischen Bezüge sowie die Bedarfsnotwendigkeiten in der Be- messung der Mittel berücksichtigt und keine Heckenschnitte vornimmt, befürwortet die Ärzteschaft solche Vorgaben“, erklärte Montgomery. Al- lerdings sei ein schwieriges und im Detail kaum praktikables Problem, Globalbudgets auf den einzelnen Leistungserbringer „herunterzubre- chen“ und Vorkehrungen dafür zu schaffen, welche Sanktionen bei einer Überschreitung der Ausgabenbe- grenzung vorgenommen werden.

Auch Prof. Werner G. Fack-Asmuth lehnte eine globale Budgetierung nicht grundsätzlich ab. Er bezweifelte jedoch, daß es geeignete Mechanis- men zur Verteilung eines solchen Budgets gebe. Jens Flintrop

Gesundheitsreform

„Wir machen nur Kleinkram“

Expertenforum an der Kölner Universität: Fachleute haben über eine Verschiebung der Gesundheitsreform diskutiert.

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