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ür dieses Gesetzesvorhaben kann ich heute feststellen: Ende gut – al- les gut.“ Mit diesen Worten kom- mentierte Marion Caspers-Merk (SPD) die Entscheidung des Bundesrats vom 7. April, auf einen Einspruch gegen das so genannte Arzneimittelspargesetz (AVWG) zu verzichten. „Dies zeigt die Handlungsfähigkeit der großen Koaliti- on und ist eine gute Grundlage für die Gespräche zur Reform der Finanz- grundlagen und der Struktur des Ge- sundheitswesens“, ergänzte die Parla- mentarische Staatssekretärin im Bun- desgesundheitsministerium. Die Op- position sah das anders. „Die Union hatte offensichtlich keinen Mut, sich gegen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt zu stellen“, kritisierte FDP- Gesundheitspolitiker Daniel Bahr.„Die schwarz-rote Koalition hat ihre breite Bundestagsmehrheit gegen alle Kritik und Bedenken stur ausgenutzt.“
Nur ein kurzfristiger Einsparungseffekt
Die Entscheidung des Bundesrats war mit gewisser Spannung erwartet wor- den. Mehrere Bundesländer hatten vor den Landtagswahlen Ende März
beschlossen, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Dieser war am 5. April ohne Ergebnis auseinander gegangen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zugegeben, vom offenen Wider- stand der Länder gegen das AVWG überrascht worden zu sein. Die ge- sundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Dr. Carola Reimann, appellierte nun an den Bundesrat, sich in Zukunft konstrukti- ver zu verhalten: „Ich hoffe, das Arz- neimittelspargesetz war der einzige Rückfall in die alten Konfrontations- muster der letzten Legislaturperiode“, erklärte sie gegenüber dem „Tages- spiegel“.
Die rot-schwarze Koalition erhofft sich durch das Gesetz jährliche Ein- sparungen von rund 1,3 Milliarden Euro. In diesem Jahr sollte es eine Mil- liarde Euro werden. Durch die Verzö- gerung verringert sich diese Summe auf rund 900 Millionen Euro. Die gesetzli- chen Krankenkassen haben allerdings mehrfach darauf hingewiesen, dass al- lein die Anhebung der Mehrwertsteuer im nächsten Jahr zu Mehrausgaben in eben dieser Höhe führen wird. Die Ko- alition rechnet aber damit, dass sich durch die Vorgaben für Ärztinnen und Ärzte jährliche Mehrausgaben von
rund 500 Millionen Euro vermeiden lassen.
Das Gesetz „vergrößert die Büro- kratie und Intransparenz, treibt Ärzte in die Ethikfalle und wird die Senkung der Arzneimittelkosten bei gleich blei- bender Qualität nicht bewirken“, kriti- sierte Ulrich Weigeldt, Vorstandsmit- glied der Kassenärztlichen Bundesver- einigung (KBV), bereits im Januar. Die Bundesärztekammer warnte vor einer
„honorarverbessernden Minimalthe- rapie“.
An der massiven Kritik vieler Ärzte hat sich durch kleinere Nachbesserun- gen nichts geändert. So sollen Ärzte erst dann haften, wenn sie die vorgege- benen Tagestherapiekosten um zehn statt um fünf Prozent überschreiten.
Außerdem soll bei den festgelegten Durchschnittstherapiekosten stärker nach Indikationen unterschieden wer- den. Nicht verändert wurde aber die Vorgabe an die Prüfungsausschüsse, Über- oder Unterschreitungen jeweils nach Ablauf eines Quartals zu ermit- teln. Was das für die Praxis konkret bedeutet, wird allerdings erst klar sein, wenn KBV und Spitzenverbände der Krankenkassen eine Vereinbarung zum Bonus-Malus-System getroffen haben. Dafür ist bis zum 30. Septem- ber Zeit.
Vergleichbarkeit von Präparaten
Die KBV hält es jedoch für schwierig, einen sinnvollen Zielwert für Tages- therapiekosten zu finden. Dazu müsse die Vergleichbarkeit von Präparaten gewährleistet sein, und streng genom- men dürften sich die Preise der einbe- zogenen Medikamente nicht ändern, heißt es. Auch lägen valide Daten dar- über, wie viel Prozent der Patienten nicht in ein Verordnungsschema passen und eine andere Substanz benötigen, nicht vor.
Als problematisch gilt auch die quar- talsweise Überprüfung der Verordnun- gen, wie sie das Gesetz vorsieht. Derzeit ist geplant, dass die Apotheker die benötigten Daten dafür liefern. Doch dazu müssten sie nicht nur wissen, was verordnet wurde, sondern auch auf- grund welcher Indikation. Sabine Rieser
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 15⏐⏐14. April 2006 AA975
Arzneimittel-Sparpaket
Regierung setzt sich durch
Der Bundesrat hat auf einen Einspruch verzichtet. Das Gesetz tritt nun am 1. Mai in Kraft – und muss umgesetzt werden.
Foto:Daniel Rühmkorf