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ualitätsstandards sollen auch in der Verordnung von Rehabilitation ihren festen Platz haben – so das Anliegen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). In der Rehabilitations-Richt- linie legte das Gremium deshalb fest, dass nur noch Ärzte eine medizinische Rehabilitation zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verord- nen dürfen, die eine spezielle Qualifika- tion vorweisen können. Diese kann der Arzt beispielsweise in einer 16-stündigen Fortbildung erwerben. In Kraft getreten ist die Richtlinie bereits im April 2004.Doch an der Umsetzung hapert es seit zwei Jahren.
Übergangsfrist verlängert
Die Neuerung stößt bei vielen Niederge- lassenen kaum auf Gegenliebe. Entspre- chend gering ist bislang die Zahl der Ärz- tinnen und Ärzte, die einen kostenpflich- tigen Kurs besuchten und den entspre- chenden Fachkundenachweis erwarben.
Die Folge: Der Kreis verordnungsfähiger Ärzte schrumpfte so stark, dass eine Unterversorgung zu befürchten ist. Der G-BA hat deshalb die Übergangsfrist (nach § 11 Absatz 3 der Rehabilitations- Richtlinie) um ein Jahr verlängert. Ärzte können somit noch bis zum 31.März 2007 ohne den Fachkundenachweis eine me- dizinische Rehabilitation zulasten der GKV verordnen.
Durch die Verlängerung der Über- gangsregelung will die Selbstverwal- tung sicherstellen, dass weiterhin flächen- deckend medizinische Rehabilitation verordnet werden kann. „Im Inter- esse der Patienten ist das sinnvoll“, erklärte Dr. Roland Stahl, Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
(KBV), gegenüber dem Deutschen Ärz- teblatt. Die KBV hofft, die Ärzte ver- stärkt für die Fortbildung motivieren zu können. Geplant sei eine Entschlackung des Curriculums. Der 16-stündige Kurs soll künftig aus einer achtstündigen Prä- senzveranstaltung bestehen, ergänzt durch acht Stunden Fernstudium.
Der verordnende Arzt muss der Richtlinie zufolge auf dem aktuellen re- habilitationswissenschaftlichen Stand sein und über Kenntnisse der Interna- tionalen Klassifikation der Funktions- fähigkeit, Behinderung und Gesundheit verfügen. Betroffen sind von der Reha- bilitations-Richtlinie nur medizinische Rehabilitationen zulasten der GKV.
Andere Leistungsträger – wie die ge- setzliche Rentenversicherung, die Bun- desagentur für Arbeit oder die Unfall- versicherung – bleiben unberührt. An- schlussheilbehandlungen und Frühre- habilitationen sind von der Regelung ebenfalls ausgenommen.
Die Qualitätsanforderungen sind nach § 11 Absatz 2 der Richtlinie er- füllt, wenn der Vertragsarzt eine der folgenden Qualifikationen nachwei- sen kann:
>Gebietsbezeichnung „Physikali- sche und Rehabilitative Medizin“
>Zusatzbezeichnung „Sozialme- dizin“ oder „Rehabilitationswesen“
>fakultative Weiterbildung „Kli- nische Geriatrie“
>mindestens einjährige Tätigkeit in einer ambulanten oder statio- nären Rehabilitationseinrichtung
>mindestens 20 Rehabilitations- gutachten im Vorjahr.
Alternativ kann der Arzt eine 16- stündige Fortbildung absolvieren.
Ein solcher Kurs kostet beispielswei- se bei der Ärztekammer Nordrhein 160 Euro.
Nicht nur die geforderte Qualifikati- on ist unter Ärzten umstritten, sondern auch das Verordnungsprozedere, das die Richtlinie vorschreibt, steht in der Kritik. Es besteht aus zwei Schritten.
Antrag auf den Antrag
Zunächst muss der Arzt bei der Kran- kenkasse das Formular Nummer 60 ein- reichen: „Einleitung von Leistungen zur Rehabilitation“. Erst wenn die Krankenkasse bestätigt, dass sie als Lei- stungsträger zuständig ist, kann die ei- gentliche Verordnung erfolgen – mit dem vierseitigen Vordruck 61. Vergütet wird der Antrag mit 810 Punkten nach EBM-Nummer 01611. Theoretisch ent- spräche dies rund 40 Euro (bei einem Punktwert von 5,11 Cent). Allerdings führen die tatsächlichen Auszahlungs- punktwerte zu einem deutlich geringe- ren Honorar.
Kritik an der Richtlinie kommt auch von der Deutschen Gesellschaft für Me- dizinische Rehabilitation e.V. (DEGE- MED). Zwar begrüßt der Verband die Richtlinie und die damit verbundenen Qualitätsstandards prinzipiell, sieht in ihr jedoch eine Barriere zur Verord- nung. „Die Rehabilitations-Richtlinie ist in der jetzigen Form eine Reha- Verhinderungsrichtlinie“, kritisiert Dr.
Wolfgang Heine, Geschäftsführer des DEGEMED. Er zeigte Verständnis da- für, dass Ärzte nur schwer für eine ko- stenpflichtige Fortbildungsmaßnahme zu motivieren seien. Zudem habe selbst der Arzt, der die geforderten Qualifika- tionen vorweisen könne, kein klares Verordnungsrecht, moniert Heine. Die Entscheidung über eine medizinische Rehabilitation liege nach wie vor bei den Krankenkassen und beim Medizi- nischen Dienst. Dr. med. Birgit Hibbeler
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A512 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 9⏐⏐3. März 2006
Rehabilitations-Richtlinie
Ziel bislang verfehlt
Vertragsärzte haben ein weiteres Jahr Zeit, die Zusatzqualifikation zur Verordnung medizinischer Rehabilitation zu erwerben. Die Akzeptanz ist gering.
P O L I T I K