Die Information:
Bericht und Meinung
Ehrenbergs „Paket" im Bundesrat
Stellungnahme
der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zum Regierungsentwurf eines
Krankenversicheru ngs- Kostendämpfungsgesetzes
e Der Bundesrat will — und hier geht es nun um die Kostendämp- fung im Gesundheitswesen — die Be- teiligten zu gemeinsamen Anstren- gungen bei der Kostendämpfung heranziehen. Und zwar in Selbstver- antwortung! Eine Reglementierung per Gesetz wollen die Länder nur zulassen, wenn die eigenverantwort- liche Lösung nicht zum Ziele führt.
(9 Der Bundesrat plädiert daher für eine „konzertierte Aktion" aller, die Verantwortung für das Gesundheits- wesen tragen. Diese „konzertierte Aktion" soll gemeinsam Vorschläge entwickeln, und die Bundesregie- rung soll darüber und über die tat- sächliche Kostenentwicklung bis zum 30. Juni 1979 berichten.
Kassenärzte
zu Kostendisziplin bereit
Dieses Konzept läuft letztlich auf eine „Entkoppelung" der Gesetzes- vorhaben hinaus. Es basiert wesent- lich darauf, daß die im Gesundheits- wesen und an der Krankenversiche- rung Beteiligten Kostendisziplin wahren. Zweifellos hat das Beispiel, das die Kassenärzte mit der Empfeh- lungsvereinbarung gaben, bei die- sem Vorschlag aus den Bundeslän- dern wesentliche Bedeutung ge- habt.
Die Kassenärztliche Bundesvereini- gung hat bereits in einer Stellung- nahme, die am 1. März an die Mit- glieder der Bundesrats- und Bun- destagsausschüsse für Arbeit und Soziales sowie Jugend, Familie und Gesundheit ging, ihre Bereitschaft erklärt, die durch diese Empfeh- lungsvereinbarung der Ärzte und Krankenkassen „für die Jahre 1976 und 1977 erreichte Beitragsstabilität auch für die Folgejahre durch ent- sprechende Maßnahmen der Ko- stendisziplin sichern zu helfen" (den Wortlaut der KBV-Stellungnahme findet der Leser nebenstehend). Daß auch die anderen Beteiligten zu
„Disziplin" bereit sind, hatte sich schon am 20. Februar bei dem Frankfurter Treffen gezeigt, zu dem die Gesundheitspolitische Gesell- schaft geladen hatte (Näheres dazu in Heft 9/1977). NJ
Die Kassenärztliche Bundesvereini- gung muß nach Überprüfung des Regierungsentwurfs eines Kranken-
versicherungs-Kostendämpfungs- gesetzes auf ihren bereits gegen- über dem Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums vorge- tragenen Bedenken in den wesentli- chen Punkten bestehen.
Obwohl im Regierungsentwurf die vorgesehenen Änderungen des Kas- senarztrechts in ihren Auswirkun- gen gegenüber dem Referentenent- wurf abgeschwächt worden sind, müssen jedoch folgende grundsätz- liche Einwände aufrechterhalten bleiben:
O
Das von der Bundesregierung vor der letzten Bundestagswahl ab- gegebene Versprechen, die Beiträge in der Rentenversicherung nicht zu erhöhen, darf den Gesetzgeber nicht davon abhalten, diejenigen Maßnah- men innerhalb der Rentenversiche- rung zu treffen, die erforderlich sind, um die finanzielle Leistungsfähig- keit der Rentenversicherung zu si- chern. Die vorgesehene Sanierung der Rentenversicherung zu Lasten der Krankenversicherung ist ein un- taugliches Mittel zur Sicherung der Renten. Durch sie würde die gerade erreichte Beitragsstabilität in der gesetzlichen Krankenversicherung wieder zerstört. Zwangsläufig hier- aus resultierende Beitragssteigerun- gen in der gesetzlichen Krankenver- sicherung treffen im wesentlichen den gleichen Personenkreis, der von Beitragserhöhungen in der Renten- versicherung verschont werden soll.Die Kassenärztliche Bundesvereini- gung hält es für eine unvertretbare Fehlentwicklung, die Entscheidung über Beitragsmehrbelastungen für die Sozialversicherten zur Sanie- rung der Rentenversicherung vom Gesetzgeber auf die Vertreterver-
sammlungen der Krankenversiche- rung zu verlagern.
Die Kassenärztliche Bundesver- einigung hält an der eigenständigen Gestaltungsmöglichkeit ihrer ver- traglichen Beziehungen zu den Er- satzkassen fest. Angesichts der zwi- schen Ersatzkassen und Kassenärz- ten in den letzten Jahren vereinbar- ten kostendämpfenden und struk- turverbessernden Änderungen der Ersatzkassen-Adgo besteht kein sachlicher Grund dafür, unter dem Gesichtspunkt der Kostendämpfung und Strukturverbesserung diese in einem halben Jahrhundert geform- ten Elemente vertraglicher Bezie- hungen zwischen Kassenärztlichen Vereinigungen und Ersatzkassen gegen den erklärten Willen beider Vertragspartner zu beseitigen.
f) Der Regierungsentwurf enthält unter dem Gesichtspunkt der Ko- stendämpfung Regelungen, die in keinem Fall kostendämpfend wir- ken, sondern mit Sicherheit zu einer Kostensteigerung führen. Dies gilt insbesondere für die vorgesehene Einführung einer vorstationären Diagnostik und nachstationären Therapie am Krankenhaus, den vor- gesehenen Aufbau elektronisch ge- speicherter Mitgliederverzeichnisse der Krankenkassen mit Speicherung der Gesundheitsdaten aller Versi- cherten und der vorgesehenen Überprüfung der Krankheitsfälle, insbesondere im Hinblick auf die entstehenden Kosten. Der Nutzen solcher Regelungen steht — wie bei vor- und nachstationärer Behand- lung durch Modellversuche bereits bewiesen — außer Verhältnis zu den entstehenden Kosten. Der durch die elektronische Speicherung der Ge- sundheitsdaten der Versicherten und die Überprüfung „geeigneter Krankheitsfälle" zu erwartende Ein-
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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
griff in das Persönlichkeitsrecht des Versicherten läßt sich durch das vor- gegebene Informationsinteresse über die aus Krankheitsfällen entste- henden Kosten in keiner Weise rechtfertigen.
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Unter dem Vorwand einer Stär- kung der Selbstverwaltung verlagert der Gesetzentwurf unpopuläre Ent- scheidungen über eine finanzielle Mehrbelastung der Versicherten mit Rezeptblattgebühren und den Ko- sten bestimmter Arzneimittel auf den Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen und letztlich auf den einzelnen Kassenarzt. Die Bundes- regierung drückt sich damit vor der Verantwortung, selbst im Gesetzent- wurf klare Befreiungstatbestände für die Rezeptblattgebühr und die Ausklammerung bestimmter Arznei- mittelgruppen aus der Verordnungs- fähigkeit zu Lasten der gesetzli- chen Krankenversicherung vorzu- schlagen.0
Die vorgesehene Koppelung ei- nes Arzneimittelhöchstbetrages mit einer Belastung der Arzthonorare bringt in das Verhältnis zwischen·Arzt und Patient einen Dauerkonflikt in Gestalt des Mißtrauens des Pa- tienten gegenüber seinem behan- delnden Arzt. Der Patient vermutet in seinem Arzt nicht mehr allein den Sachwalter seiner gesundheitlichen Interessen, sondern auch den Be- wahrer seines ungeschmälerten Ho- noraranspruchs. Ein Arzneimittel- höchstbetrag, gleich welcher Aus- gestaltung, führt darüber hinaus im Ergebnis
zu
einer Beseitigung der bisherigen Individualhaftung des einzelnen Arztes für seine unwirt- schaftliche Verordnungsweise, da die Krankenkasse wegen der sie schützenden Höchstbelastu ngs- grenze das wirtschaftliche Interesse an der Stellung von Regreßanträgen im Einzelfall verliert.Die Kassenärzteschaft lehnt es ab, diE! Verantwortung dafür zu über- nehmen, daß es dem Gesetzgeber nicht gelungen ist, durch das neue Arzneimittelgesetz den Arzneimittel- markt auf die in ihrer therapeuti-
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Fortsetzung auf Seite 716Die Information:
Bericht und Meinung
DIE ARZNEIMITTELKOMMISSION
DER DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT GIBT BEKANNT:
Strenge Indikationsstellung bei Biguanidanwendung
ln der letzten Zeit häufen sich die Mitteilungen über dasAuf- treten von Laktatazidosen bei der Anwendung von Biguani- den in der Behandlung des Diabetes mellitus.
Die biguanidbedingten meta- bolischen Laktatazidosen ge- hen nicht selten mit Schock- symptomatik einher und ver- liefen bisher in der Mehrzahl tödlich. Sie werden vor allem durch zusätzliche hypoxisehe Zustände sowie dL,Jrch eine Einschränkung der Nieren- funktion begünstigt.
~ Da die Prodromalerschei- nungen unspazifisch sind (Übelkeit, Erbrechen, Nau- sea), die Laktatazidose auch schon nach kurzdauernder Bi- guanidapplikation auftreten kann und da in der Praxis zur Zeit noch keine exakte Diag- nostik möglich ist, rät die Arz- neimittelkommission zu einer strengen lndikationsstellung, zu sehr sorgfältiger Berück- sichtigung der Kontraindika- tionen vor Therapiebeginn und entsprechender Überprü- fung der Situation bei Patien- ten, die bereits mit Biguani- den behandelt werden.
~ Als Kontraindikationen sind anzusehen:
C> 1. Einschränkung der Nie-
renfunktion (Serum-Kreatinin- Konzentration über 1,2 mg/
100 ml).
C> 2. Zustände, die mit unzu-
reichender Sauerstoffversor- gung der Gewebe (Hypoxie) einhergehen können:
a) Neigung zu kardialer Insuf- fizienz
b) Neigung zu respiratori- scher Insuffizienz
c) Interkurrente, fieberhafte Erkrankungen
d) Höheres Alter
C> 3. Einschränkung der Le-
berfunktion (Hepatitis, Leber- zirrhose).
C> 4. Alkoholabusus (Aiko-
holkranke).
C> 5. Pankreatitis.
C> 6. Abmagerungskuren
(unter 1000 Kai/Tag).
C> 7. Konsumierende Erkran-
kungen.
C> 8. Eine Woche vor auf-
schiebbaren Operationen und postoperativ.
C> 9. Patienten während ln-
tensivtherapie.
C> 10. Undisziplinierte Pa-
tienten, insbesondere Diabeti- ker, die sich den ärztlichen Kontrollen entziehen.
~ Außerdem sollen die fol- genden Tagesdosen nicht überschritten werden:
Phenformin 100 mg Buformin 300 mg Metformin 2500 mg Präparate:
Buformin:
Silubin® retard - Dragees (Grü- nenthal), Sindiatil® Retardtablet- ten (Bayer/Schering), Tidemol®
retard - Dragees (Roche).
Metform in:
Glucophage® retard Tabletten (Homburg).
Phenformin:
Antidiabeticum retard Kapseln (Arzneipharma), OB retard Dra- gees (Brunnengräber), Dipar<l!l Dragees (Boehringer Mannheim/
Hoechst), Phenformin Dragees (Rheingold), Phenformin retard Kapseln (Ratiopharm).