Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Jede Form der Harnableitung (Ko- lon-Conduit, Ileal-Conduit, Uretero- sigmoidostomie) hat ihren Indika- tionsbereich, hat ihre Vor- und Nachteile. Auf Einzelheiten können wir in diesem Zusammenhang nicht eingehen.
Resultate
Insgesamt sind die Resultate unbe- friedigend und liegen bei einer 5- Jahre-Überlebenszeit von 25 bis 30 Prozent. Eine Erweiterung der Ope- rationstechnik mit zusätzlicher Lymphadenektomie sowie Vor- und Nachbestrahlung bei der Zystekto- mie haben in kleinen Serien die 5- Jah re-Überlebenszeit auf 40 Prozent ansteigen lassen.
Chemotherapie
Chemotherapie wird noch selten an- gewandt. Größere Studien und Langzeitergebnisse fehlen. Bei oberflächlichen papillären Tumoren wird seit 1954 die lokale Instilla- tionsbehandlung mit Thio-Tepa, ei- nem alkylierendem Chemotherapeu- tikum empfohlen. In etwa 30 Prozent der Fälle ist ein partielles oder voll- ständiges Verschwinden der Tu- moren zu sehen. Thio-Tepa ist bei infiltrativen Karzinomen sinnlos.
Heute sind verschiedene Studien mit Adriamycin, Cis-Platinum im Gange.
Die Ergebnisse sind noch zweifel- haft (Tabelle 6). Die Indikation sollte sich vorerst auf Tumoren der Sta- dien T 3 oder T 4 in Form einer Zusatz- oder Palliativmaßnahme beschränken.
Inoperable Blasenkarzinome stellen den behandelnden Arzt vor beson- ders schwer zu lösende Probleme.
Das therapeutische Ziel besteht dar- in, die hauptsächlichsten Beschwer- den zu lindern, die Lebensqualität zu bessern.
Die massive Hämaturie ist oft kaum zu beherrschen. Mit einer Hochvolt- bestrahlung kann die Blutung in et- wa 30 Prozent der Fälle vorüberge- hend verhindert werden; Dysurie
und Pollakisurie sind aber kaum zu beeinflussen. Küss empfiehlt bei massiver unstillbarer Blutung die se- lektive Embolisierung der Arteriae iliacae internae. Nach unserer Erfah- rung erreicht man mit dieser Maß- nahme lediglich einen temporären Erfolg.
Sofern die Blasenkapazität nicht we- sentlich eingeschränkt ist, können die exophytischen Anteile des Tu- mors durch eine transurethrale Pal- liativresektion bis ä niveau abgetra- gen werden.
Bei einer tumorösen Schrumpfblase mit Blutung und Dysurie bessern sich die Beschwerden oft schlagar- tig nach palliativer Harnableitung.
Obwohl sich damit keine Verbesse- rung der Lebenszeit erzielen läßt — die Patienten sterben im Durch- schnitt nach neun Monaten — kann die letzte Lebensperiode doch we- sentlich erleichtert werden.
Schlußbemerkung
Das Blasenmalignom, ein oft multi- lokulärer Tumor mit hoher Rezidiv- quote ist im frühen Stadium ohne Infiltration durch eine adäquate Be- handlung heilbar. Mit Infiltration der muskulären Blasenwand ver- schlechtert sich die Prognose rasch.
Vordringlich ist die Frühdiagnostik.
Jede ungeklärte Makrohämaturie und jede therapieresistente Zystitis sind solange tumorverdächtig, bis das Gegenteil bewiesen ist. Die pri- märe Behandlung ist meist aus- schlaggebend. Die Therapie des Blasenkarzinoms gehört in die Hand desjenigen erfahrenen Facharztes, der die verschiedenen Möglichkei- ten der chirurgischen Therapie be- herrscht und der dank seiner guten Kooperation mit den anderen Fach- richtungen (Radiotherapie, Chemo- therapie) eine Kombinationsbe- handlung koordinieren kann.
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. med. Ernst J. Zingg Direktor der urologischen Klinik und Poliklinik der Universität Bern Inselspital Anna-Seiler-Haus 3008 Bern
Ileum-Conduit
Harnableitung beim Kind
Hauptindikationen zur Harnablei- tung durch eine ausgeschaltete Ileum-Schlinge bei 113 Kindern wa- ren Urininkontinenz oder zuneh- mende Nierenschäden. 108 dieser Kinder litten an einer Myelomenin- gozele mit den damit verbundenen Blasenentleerungsstörungen. Das Durchschnittsalter der 96 Mädchen und 17 Knaben lag bei 4 1/2 Jahren.
Im Nachuntersuchungszeitraum von maximal 13 Jahren fanden sich bei 28 Prozent Frühkomplikationen, wo- bei der Anteil von Conduitnekrosen, ureterointenstinalen Anastomosen- insuffizienzen und Wunddehiszen- zen 60 Prozent betrug. Sechs der sieben Conduitnekrosen traten bei extraperitoneal plaziertem Conduit auf. Die Ursache — bei nachfolgen- den Operationen entsprechend be- rücksichtigt — war eine Kompression des Mesenteriums an der Durch- trittsstelle durch das posteriore Peri- toneum. Der transperitoneal ange- legte Conduit zeigte dagegen häufi- ger intraabdominelle Komplika- tionen.
Unter den Spätkomplikationen (36/
113 = 32 Prozent) führen Stomapro- bleme in 28 Fällen. Bei 18 Patienten waren 27 operative Stomarevisionen erforderlich. Auch hier ist die unter- schiedliche Frequenz beim transpe- ritoneal plazierten Conduit (41 Pro- zent) gegenüber dem extraperito- nealen Conduit (4 Prozent) auffällig.
Metabolische Störungen in drei Fäl- len konnten durch Korrektur des zu langen Conduits bei zwei Patienten behoben werden. Präoperativ beste- hende Harnwegsinfekte wurden in 70 Prozent durch die Operation sa- niert. Pathologische Veränderungen des oberen Harntraktes zeigten in 80 Prozent postoperativ eine Stabilisie- rung oder Verbesserung. Die Ergeb- nisse können durch gezielte Patien- tenauswahl, Berücksichtigung ope- rativer Details und eine sorgfältige Nachkontrolle verbessert werden.PA
Stevens, P. S., Eckstein, H. B.: Ileal Conduit Urinary Diversion in Children, British Journal of Urology 49 (1977) 379.-383, Department of Paediatric Surgery, Queen Mary's Hospital for Children, Carshalton, Surrey, England
FÜR SIE GELESEN Blasenkarzinom
432 Heft 8 vom 23. Februar 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT