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Archiv "Einführung in die Diagnostik und Therapie der Ejaculatio praecox: Sexualmedizinischer Ausbildungsgang" (21.03.2008)

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222 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1221. März 2008

M E D I Z I N

Sexualität facettenreich

Der Beitrag lässt viele Fragen offen. Auch wenn aussage- kräftige Langzeitstudien fehlen, wurden weder intra- und interindividuelle Verläufe bei Ejaculatio praecox (EP), noch ob die Symptomatik abhängig vom jeweiligen Se- xualpartner oder von der „Tagesform“ ist, diskutiert. Ätio- logisch wurden Disstress oder bestimmte Persönlichkeits- profile ebenso wenig hinterfragt wie Aspekte, ob EP Ursa- che und/oder Wirkung einer erst auf den zweiten Blick problematischen Paarinteraktion ist, beziehungsweise ob die Symptomatik regelhaft oder beim selben Mann auch bei der Masturbation auftritt. Welchen Einfluss hat eine Zirkumzision? Bei den Regionen mit angeblich hoher Prävalenz an EP wie Südamerika und Asien handelt es sich eher um Macho-Gesellschaften, als dass ausgerech- net dort „der weibliche Orgasmus besonders in den Mit- telpunkt gestellt“ würde, wie dies die Autoren behaupten.

Sollte die hohe Prävalenzrate von weltweit 30 % (1) und mehr zutreffen, könnte es sich auch um eine physiologi- sche Normvariante handeln. Dieser einen Krankheitswert zu suggerieren, um damit womöglich eine kassenfinan- zierte (psycho-)therapeutisch-pharmakologische Inter- vention zu begründen, darf kritisch hinterfragt werden (2).

Dass die menschliche Sexualität facettenreicher und sub- tiler sein kann (3) als es der kopulative Akt abzubilden ver- mag, wird von den Autoren nicht erwähnt. Mit einer der- artigen Sichtweise kann der auch zeitgeist- und tempera- mentsbedingte Leidensdruck vieler Männer sogar ver- stärkt werden. Die Fortpflanzungsfähigkeit des Mannes scheint durch EP nicht nennenswert beeinträchtigt zu sein.

In Zeiten weltweit hoher Promiskuität kann eine EP fort- pflanzungsstrategisch vielleicht auch ein Vorteil sein, pointiert formuliert nach dem Prinzip „der frühe Vogel fängt den Wurm“. DOI: 10.3238/arztebl.2008.0222a

LITERATUR

1. Carsson CC, Glasser DB, Laumann EO et al.: Prevalence and correlates of premature ejaculation among men aged 40 years and older: a United States nationwide population-based study. J Urol 2003; 169: 321.

2. Zamel G: Probleme der Medikalisierung sexueller Störungen. In: Strauß B (Hrsg.): Psychotherapie der Sexualstörungen. Krankheitsmodelle und Therapiepraxis–störungsspezifisch und schulenübergreifend. Stuttgart, New York: Georg Thieme Verlag 2004; 38–49.

3. Sigusch V: Praktische Sexualmedizin. Eine Einführung. Köln: Deutscher Ärzteverlag 2005; 1. Auflage; 1–15.

Dr. med. Dr. rer. nat. Michael G. Haufs Gluckweg 31, 48147 Münster

Christian Gruhn

Königstraße 12, 48143 Münster

Verständnis von Geschlechtlichkeit

Es ist begrüßenswert, dass das Deutsche Ärzteblatt einer Übersichtsarbeit zur häufigsten Sexualstörung des Man- nes einen prominenten Platz einräumt. Auch wenn das erste Schlüsselwort „Sexualmedizin“ lautet, so wird doch der aktuelle Stand sexualmedizinischen Wissens leider nicht adäquat wiedergegeben. Die Autoren geben einen Überblick über medikamentöse Optionen zur Behand- lung des Orgasmus praecox, ohne das in der Sexualmedi- zin basale biopsychosoziale Verständnis von Geschlecht- lichkeit zu berücksichtigen und den Fokus auf die Paardi- mension zu richten. Damit wird zum einen die Fülle der neurobiologischen Befunde zur Paarbindung einschließ- lich ihrer Implikationen für die Ausbildung von sexuellen Funktionsstörungen außer Acht gelassen, und zum anderen die im Interesse der Patienten/innen zu überwin- dende Trennung zwischen psychogenen und somatischen Störungen fortgeschrieben. So heißt es in der Zusammen- fassung, „dass dieses Beschwerdebild neben einer psycho- genen Komponente auch eine neurophysiologische Grundlage hat“ – von den Autoren beides also nicht zu- sammen gedacht werden kann. Entsprechend liegen dann auch die verschiedenen aufgeführten Behandlungsoptio- nen einschließlich der Sexualtherapie mit dem Paar nicht in einer Hand, sondern der Urologe ist für Medikamente zuständig und der Psychotherapeut für die Paartherapie.

Sexualmedizin setzt Medikamente als integralen Be- standteil eines Gesamtbehandlungsplans für das Paar ge- zielt ein, wenn sie hinreichend Informationen über die partnerschaftliche Situation und die mit Sexualität ver- bundenen Bedeutungszuweisungen der Patienten hat.

Von dieser integralen Perspektive hätte der Artikel sicher sehr profitiert. DOI: 10.3238/arztebl.2008.0222b

LITERATUR

1. Bartels A: Neurobiologische Grundlagen der Partnerwahl und der Liebe. Sexuologie 2006; 13: 118–29.

2. Beier KM, Bosinski HAG, Loewit K: Sexualmedizin, Grundlagen und Praxis. München: Elsevier 2005; 122–159.

3. Young LJ, Wang Z: The neurobiology of pair bonding. Nat Neurosci 2004; 7: 1048–54.

Prof. Dr. med. Dr. phil. Klaus M. Beier Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin Zentrum für Human- und Gesundheitswissenschaften Universitätsklinikum Charité Campus Mitte Freie und Humboldt-Universität zu Berlin Luisenstraße 57, 10117 Berlin E-Mail: klaus.beier@charite.de

Sexualmedizinischer Ausbildungsgang

Obwohl von den Autoren zu Recht die ärztliche Unter- versorgung von Patienten mit sexuellen Störungen be- klagt wird, bleiben bedauerlicherweise wesentliche, spezifisch sexualmedizinische Aspekte unberücksich- tigt. Die im Titel und im Text verwendete Bezeichnung

„Ejaculatio praecox“ hätte einer Kommentierung be- durft und ist trotz ihrer Verwendung im ICD-10 und zu dem Beitrag

Einführung in die Diagnostik und Therapie der Ejaculatio praecox

von Dr. med. Michael J. Mathers, FEBU, Dr. med. Jan Schmitges, Prof. Dr. med. Theodor Klotz, MPH, Prof. Dr. med. Frank Sommer, in Heft 50/2007

DISKUSSION

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Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1221. März 2008 223

M E D I Z I N

DSM-IV unzutreffend, weil der Orgasmus zu früh ein- setzt und nicht die Ejakulation. Des Weiteren wird zwar mehrfach die Notwendigkeit einer umfassenden Se- xualanamnese betont, es fehlt jedoch der wichtige Hin- weis darauf, dass deren Erhebung erlernt werden muss, und dass, wo immer möglich, die Partnerin in dies Ge- spräch miteinbezogen werden sollte: Sexualität betrifft prinzipiell das Paar!

Die Besonderheiten der Sexualmedizin als interdis- ziplinäres Querschnittsfach – zentrale Bedeutung des Paaraspekts in Diagnostik und Therapie, biopsychoso- ziales Verständnis sowohl der Genese als auch der Therapie sexueller Störungen – blenden die Autoren aufgrund ihrer fachspezifisch urologischen Perspekti- ve leider aus. Dabei sind gerade diese Aspekte die Grundlage dafür, dass die Bundesärztekammer auf An- trag der Akademie für Sexualmedizin (ASM) bereits 1995 einen eigenständigen sexualmedizinischen Aus- bildungsgang angeregt hat (1). Dementsprechend setzt die Durchführung sexualtherapeutischer Interventio- nen keine psychotherapeutische, sondern eben eine se- xualmedizinische Weiterbildung voraus. Mittlerweile ist Sexualmedizin von der Berliner Ärztekammer als Zusatzbezeichnung in die Weiterbildungsordnung in- tegriert worden (2). Sexualmedizinische Aspekte fin- den auch bei den Vorgaben zur Zusatzweiterbildung Andrologie Berücksichtigung und werden von der ASM in die Intensivkurse der Deutschen Gesellschaft für Andrologie eingebracht. Auch auf europäischer Ebene wird inzwischen von der European Academy for Sexual Medicine (EASM) ein an diesen Standards ori- entiertes Curriculum angeboten (3).

DOI: 10.3238/arztebl.2008.0223a

LITERATUR

1. Beier K M: Sexualmedizin – Berufsbegleitende Fortbildung mit Zerti- fikat. Dtsch Arztebl 1999; 96(33): 2075–7.

2. Ärztekammer Berlin: 5. Nachtrag zur Weiterbildungsordnung. Amts- blatt für Berlin 2007; 48: 2857.

3. Pryor J: A brief note on the European Academy for Sexual Medicine.

J Sex Med 2007; 4: 310.

Prof. Dr. med. Hartmut A.G. Bosinski Sektion für Sexualmedizin

Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 12

24105 Kiel

E-Mail: hagbosi@sexmed.uni-kiel.de

Schlusswort

Es freut uns sehr, dass unser Beitrag um das Thema Eja- culatio praecox eine interdisziplinäre Diskussion aus- gelöst hat. Dies ist das beste Ergebnis, das ein Ein- führungsartikel haben kann. Zurecht macht Herr Prof.

Bosinski auf die Bedeutung der Sexualmedizin als inter- diszplinäres Querschnittsfach aufmerksam.

Ebenfalls zurecht wird die medizinisch/wissen- schaftliche Problematik der Ejaculatio praecox seit dem 19. Jahrhundert, damals noch Dysgenesia anticipans ge- nannt, diskutiert. Die Ejakulation selbst ist zwar der letzte Teil der männlichen Sexualfunktionskette „Libido – Erektion – Penetration – Erreichen des Höhepunktes“,

aber sie ist facettenreich und beinhaltet viele Aspekte einschließlich biopsychosozialer Phänomene. Als welt- weiter Konsens wird die Bezeichnung Ejaculatio prae- cox im ICD-10 und DSM-IV verwendet, wobei hier, worauf wir in unserem Artikel hingewiesen haben, die Problematik auch das Paar betreffen kann. Es scheint je- doch notwendig zu sein, ausdrücklich darauf hinzuwei- sen, dass ebenso alleinstehende Männer betroffen sein können. Ob die stete Betonung des „Paaraspekts“ dem Thema und den Patienten daher immer dienlich ist, kann sicher diskutiert werden. Wir sehen hier Parallelen zur Diskussion über die erektile Dysfunktion vor circa zehn Jahren, die zu Beginn sehr ähnlich geführt wurde.

Selbstverständlich ist auch aus Sicht der Autoren das

„Verständnis für die Zusammenhänge um biosoziale Aspekte der Geschlechtlichkeit“ ein wichtiger Punkt. Es ist jedoch fraglich, ob dies Gegenstand einer wissen- schaftlich-klinischen Einführung in ein wichtiges inter- disziplinäres Thema sein sollte. Wir verstehen den Kommentar als wertvolle Anregung für eine berufspoli- tisch geprägte Diskussion.

Es ist sicher legitim, die Prävalenzrate der Ejaculatio praecox anzuzweifeln, die Begründung es könne sich wegen der Höhe (circa 30%) um eine Normvariante handeln, überrascht doch. Alle namhaften medizini- schen Gesellschaften definieren die Ejaculatio praecox als Krankheit. Insofern können wir den Kollegen Dr.

Haufs und Gruhn nicht zustimmen. Ob eine ärztliche In- tervention von den gesetzlichen Krankenkassen finan- ziert werden sollte, ist eine andere Frage. Die gleiche Frage stellt sich bei der organisch bedingten erektilen Dysfunktion.

Man kann nur zustimmen, wenn auf die Wichtigkeit der sexualmedizinischen Qualifizierung und Weiter- bildung hingewiesen wird. In keiner deutschen Studien- ordnung ist Sexualmedizin bisher als Wahlpflichtfach verankert. Im Bereich der Ärztlichen Fortbildung und Weiterbildung bemüht sich glücklicherweise die Aka- demie für Sexualmedizin um eine Aufnahme der Se- xualmedizin in die Musterweiterbildungsordnung der Bundesärztekammer als Zusatzbezeichnung. Auch auf Länderebene werden vielfache Bestrebungen unter- nommen. Leider sind bis heute diese Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt. Die Zusatzweiterbildung Andrologie ist diesbezüglich ein erster Versuch, se- xualmedizinische Aspekte zu betonen. Es bleibt zu hoffen, dass durch diese Maßnahmen zumindest das von Herrn Prof. Bosinski geforderte Erlernen der Se- xualanamneseerhebung gefördert wird.

DOI: 10.3238/arztebl.2008.0223b

Dr. med. Michael J. Mathers F.E.B.U.

Urologische Gemeinschaftspraxis Remscheid

Kooperationspraxis der Klinik für Urologie und Kinderurologie Klinikum Wuppertal, Universität Witten/Herdecke Fastenrathstraße 1

42853 Remscheid

E-Mail: drmathers@urologie-remscheid.de

Interessenkonflikt

Die Autoren aller Diskussionsbeiträge erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

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