"Institutionalisierte Ambulanz"
am Krankenhaus
in der Diskussion sprach Dr. Wolf- gang Bechtoldt jüngst wieder auf- gekommene "Denkmodelle" zur Einrichtung von Ambulatorien an Krankenhäusern an. Der Hauptge- schäftsführer der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft, Prof. Dr.
Hans-Werner Müller, hatte derarti- ges wieder ins Spiel gebracht. in einem der Presse übermittelten Vorabdruck eines in Heft 12 der Zeitschrift "Das Krankenhaus"
noch erscheinenden Artikels wie- derholt Müller unter anderem das folgende alte Argument: "Es kön- nen keine Zweifel darüber beste- hen, daß eine institutionalisierte Ambulanz am Krankenhaus es er- möglicht, den Patienten früher aus dem personalintensiven und damit teuren Bereich des Krankenhau- ses zu entlassen, weil derselbe Arzt, der den Patienten stationär behandelt hat, nunmehr die Mög- lichkeit hat, den Patienten in der Ambulanz weiter zu behandeln und notwendigenfalls ihn wieder unverzüglich in den stationären Bereich zurück zu verlegen, wenn der Zustand des Patienten dies er- fordert."
Ähnliche Gedanken scheint auch die parlamentarische Staatssekre- tärin im Bundesarbeitsministe- rium, Anke Fuchs, zu hegen, die unlängst laut darüber sinnierte, ob nicht über die vorstationäre Dia- gnostik und die nachstationäre Behandlung durch das Kranken- haus in der neuen Legislaturperio- de "vertieft nachgedacht" werden müsse.
Dr. Gustav Osterwald, einer der beiden Vizepräsidenten der Bun- desärztekammer, ortete die Motive der Krankenhausgesellschaft "im Vorfeld der Kostendämpfung für die Krankenhäuser". Auch beim Marburger Bund scheint das Am- bulatorium ein Stein im taktischen Spiel zu sein. Dr. Jörg Hoppe ver- sicherte jedenfalls dem Präsidium, der MB sei für eine Ausweitung der Krankenhausambulanzen al- lenfalls dann, "wenn Fragen der
Präsidium des Ärztetages
Niederlassungsfreiheit zur Diskus- sion stehen".
Vilmar hatte in seinem Lagebe- richt Fragen dieser Art dezent un- ter dem (jetzt häufiger die Runde machenden) Wort vom "internen Verteilungskampf" angesprochen.
Er warnte davor, dem "jeweils an- deren Bereich" zu unterstellen, daß er das größte Stück vom Ku- chen beanspruche und er unwirt- schaftlich arbeite. Der Kostenan- stieg im Gesundheitswesen insge- samt sei wesentlich durch den me- dizinischen Fortschritt, durch die gestiegenen Leistungen und schließlich durch die Erwartungen der Patienten an die Medizin ver- ursacht. Auch die Rechtspre- chung habe einen nennenswerten Beitrag dazu geleistet. Die Antwort auf diese Herausforderung könne nicht in gegenseitigen Beschuldi- gungen bestehen.
Dr. Ernst Eberhard Weinhold hak- te in die Diskussion ein: Kritiker ließen zwar des öfteren unter der Hand verbreiten, daß ihre Kritik die Verhandlungsposition der öffent- lich Beschimpften stärken könne. Das Gegenteil sei aber der Fall, wie er nach allen Verhandlungser- fahrungen wisse; die Verhand- lungsposition werde vielmehr ge- schwächt. Besser sei es, die Sach- problematik aufzugreifen und da- mit dazu beizutragen, vertretbare Lösungen zu finden.
Bei der Bewertung von Verhand- lungsergebnissen müsse man- so Dr. Vilmar an anderer Stelle-be- rücksichtigen, was im Rahmen des Gesamtzusammenhanges er- reichbar sei und daß ein Überrei- zen das System letztlich gefährde.
Andererseits- so betonte Vilmar- müsse man gemeinsam der Politik sagen, wo Leistungen einge- schränkt werden sollten. Vilmar wehrte sich dagegen, den
"Schwarzen Peter" den Ärzten in
Praxis und Krankenhaus zuzu- schieben: Wenn Einschränkungen nötig werden, so sollten die Politi- ker diese selbst der Bevölkerung
bekanntgeben. NJ
Bericht und Meinung DER KOMMENTAR
Ambulantes Operieren:
Zuschläge gebilligt
Der Bewertungsausschuß nach
§ 368 i Abs. 8 RVO hat am 25.
November 1980 beschlossen, in den Bewertungsmaßstab einen neuen Abschnitt B V zur Abrech- nungsregelung von Zuschlägen bei ambulant durchgeführten Operationen einzufügen. Die vor- bereitenden Gremien (Spitzenver- bände der Krankenkassen und KBV) haben hierüber mehr als ein Jahr beraten. (Der Beschluß wird auf Seite 3033 ff. dieser Ausgabe im Wortlaut bekanntgemacht.}
Die Zuschläge stellen ab auf die erforderliche Vor- und Nachsorge bei ambulantem Operieren, ein- schließlich der Bereitstellung von Operationseinrichtungen.
Neben den bisherigen Gebühren- ordnungspositionen für operative Leistungen können ab 1. Januar 1981 folgende neue Nummern für die Zuschläge bei ambulanter Durchführung von Operationen abgerechnet werden, wenn die im folgenden beschriebenen Kondi- tionen erfüllt sind: Nummer 100, bewertet mit 300 Punkten; Num- mer 101, bewertet mit 650 Punkten, und Nummer 102, bewertet mit 1000 Punkten.
Unter der Nummer 100 sind die operativen Maßnahmen aufge- führt, die mit 150 bis 400 Punkten, unter der Nummer 101 die Leistun- gen mit 402 bis 800 Punkten und unter der Nummer 102 diejenigen Operationen, die mit über 800 Punkten bewertet sind.
So finden sich beispielsweise unter:
..,.. Nummer 100: die Punktion der Bauchhöhle und der Prostata, die Probeexzision aus dem Gebärmut- terhals oder aus dem Muttermund, die operative Entfernung festsit-
DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 51/52 vom 20. Dezember 1980 3003
Bericht und Meinung Ambulantes Operieren
zender Fremdkörper aus der Nase, die Versorgung einer großen Wun- de, einschließlich Umschneidung und Naht, u. a.
...,.. Nummer 101: die Laparosko- pie, die Tonsillektomie, die Unter- bindung der Samenleiter, die Ope- ration von Hämorrhoidalknoten u. a.
...,.. Nummer 102: die Operation ei- nes Leistenhodens, die Operation eines Nabel- oder Bauchnarben- bruches, die operative Einrenkung der Luxation eines Hand- oder Fußgelenks, die Schlingenextrak- tion von Harnleitersteinen u. a.
Mindestanforderungen an Praxisausstattung
Die Abrechnung dieser Zuschläge ist allerdings an Mindestanforde- rungen an die Praxisausstattung gebunden. Hierzu wurde ein Kata- log erarbeitet und ebenfalls vom Bewertungsausschuß beschlos- sen. Den Vertragspartnern auf Landesebene obliegt es, Regelun- gen zu vereinbaren, wie der Nach- weis dieser Mindestanforderun- gen sicherzustellen ist.
Als Hilfspersonal werden minde- stens zwei entsprechend qualifi- zierte Hilfskräfte gefordert; für die Nachsorge hat der Arzt einen ge- eigneten Raum mit Ruhemöglich- keiten vorzuhalten.
Die Auflistung der einzelnen Lei- stungen unter den genannten Nummern sagt allerdings nichts über die medizinische Möglichkeit der ambulanten Durchführung von Operationen im Einzelfall aus.
Die Entscheidung hierüber liegt ausschließlich bei dem behan- delnden Arzt. Die Auflistung der einzelnen Leistungen unter den genannten Nummern ist nur als Abrechnungsregelung zu werten.
ln der Präambel des neuen Kapi- tels "Ambulantes Operieren" wird daher ausdrücklich betont, daß der Arzt in jedem Einzelfall ver- pflichtet ist zu prüfen, ob die Art und die Schwere des Eingriffs und der Gesundheitszustand des Pa-
tienten die ambulante Durchfüh- rung der Operation nach den Re- geln der ärztlichen Kunst mit den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten erlau.ben. Die Mit- glieder des Bewertungsausschus- ses waren einstimmig der Auffas- sung, daß auch die soziale Zumut- barkeit für den Patienten zu prü- fen ist.
Die Vertreter der Ärzteseite waren stets darum bemüht, ohne eine Katalogisierung der operativen Leistungen auszukommen, für die ein Zuschlag zukünftig bei ambu- lanter Durchführung berechnet werden kann. Hierbei beachteten sie auch den Vorschlag der Deut- schen Akademie der Fachärzte, ei- nes Gremiums der Bundesärzte- kammer. Aus abrechnungstechni- schen Gründen haben jedoch die Vertreter der Spitzenverbände der Krankenkassen auf einer Katalogi- sierung in den neuen Nummern 100, 101 und 102 bestanden.
Nachdrücklich muß betont wer- den, daß die Auflistung der zu- schlagsfähigen operativen Lei- stungen in den genannten Num- mern nicht so zu verstehen ist, daß diese Leistungen immer ambulant zu erbringen sind; der Arzt hat vielmehr in jedem Einzelfall die in der Präambel festgelegten Bedin- gungen zu prüfen. Die Zuschläge berücksichtigen insbesondere die ärztliche Vor- und Nachsorge bei ambulantem Operieren, die im sta- tionären Bereich durch den Pfle- gesatz abgegolten werden.
Überprüft man die in den Num- mern 100 bis 102 aufgeführten Lei- stungen, so fällt auf, daß nicht alle Eingriffe berücksichtigt werden konnten; bei den endoskopischen Untersuchungen wurden seitens der Vertragspartner nur diejeni- gen akzeptiert, die mit der Eröff- nung einer Körperhöhle einherge- hen. Die Vertreter der Spitzenver- bände der Krankenkassen ver- suchten zunächst, weniger Lei- stungen mit Zuschlägen zu verse- hen, die Vertreter der Ärzteseite hingegen wollten den Leistungs- katalog um weitere Operationen
angereichert sehen. Das Ergebnis ist also ein Kompromiß, von dem gesagt werden kann, daß er in die- ser Form für die Ärzte insgesamt akzeptabel ist.
Die Mitglieder des Bewertungs- ausschusses waren sich einig, daß die Auflistung der einzelnen Gebührenpositionen regelmäßig überprüft und weiterentwickelt werden müsse.
Weiterer Schritt zur erfolgreichen Kostendämpfung
Es ist nicht nur das Recht, son- dern auch die Pflicht der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung, auf dem Honorarsektor Vereinbarun- gen zu treffen, durch die die aner- kanntermaßen bislang nicht hin- reichende Vergütung für operative Eingriffe verbessert wird; die Ärz- teseite hat nicht zuletzt deshalb auch der Katalogisierung zuge- stimmt, die von den Krankenkas- sen als Bedingung für das ln- kraftsetzen dieser Regelung ange- sehen worden war.
Dieses Verhandlungsergebnis (Wortlaut des Beschlusses auf Sei- te 3033 ff.) stellt auf die weitere Förderung der ambulanten kas- senärztlichen Versorgung ab; es kann aber auch als Schritt für eine erfolgreiche Kostendämpfung ge- wertet werden, weil damit im ope- rativen Bereich alle Möglichkeiten der ambulanten Diagnostik und Therapie ausgeschöpft werden können und so weniger Kranksn- hausbehandlungen erforderlich werden.
Darüber hinaus ist diese Regelung ein Beitrag zur Qualitätsverbesse- rung im ambulanten Bereich und trägt ebenso den sich rasch wei- terentwickelnden Kenntnissen in der Medizin Rechnung. Schließ- lich ist er für den Patienten vorteil- haft: Bei ambulanter Durchfüh- rung von Operationen bleibt er zur weiteren Pflege und ärztlichen Betreuung in seiner gewohnten häuslichen Umgebung.
Dr. med. Günter Flatten/KBV
3004 Heft 51/52 vom 20. Dezember 1980 DEUTSCHES ARZTEBLATT