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Archiv "Ambulantes Operieren: Murks?" (11.02.1983)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Psychoanalytische Medizin

sagt, ist professionelle Hilfe am Platz. Das Maß an notwendiger professioneller Hilfe ist groß, aber überschaubar und auch kosten- mäßig kalkulierbar. Bei vorsichti- ger Schätzung dürfen wir pro Jahr von etwa 100 000 Kranken ausge- hen, die einer intensiven psycho- therapeutischen Behandlung be- dürfen. Hierzu wären bei einer ent- sprechenden Organisation der psychotherapeutischen Weiterbil- dung und einer hinreichenden ökonomischen und statusmäßigen Absicherung des ärztlichen Psy- chotherapeuten nur etwa eine Zahl von 2000 ganztägig in der kassenärztlichen Versorgung täti- gen Psychotherapeuten vonnöten.

Diese Zahl ist in absehbarer Zeit erreicht und auch finanzierbar.

Die Widerstände aus dem psychia- trischen Bereich, die von Frau Dührssen angesprochen werden, haben einen ausgesprochen an- tipsychoanalytischen Affekt und vernachlässigen die historisch ge- wachsenen Strukturen in unserem Lande. Außerdem spielen dabei neben allgemeinen Prestigegrün- den durchaus berechtigte, aber eben kurzsichtige ökonomische Interessen in dem Sinne mit, daß ein Fachpsychotherapeut den nie- dergelassenen Psychiatern Pa- tienten wegzunehmen droht, wäh- rend der Psychologe ja auf dem Delegationswege tätig wird und seine Tätigkeit auch immer noch so gestaltet werden kann, daß sie dem delegierenden Arzt auch fi- nanziell lukrativ erscheint.

Der Widerstand aus den psycho- therapeutischen Kreisen selbst scheint auch verschiedene Grün- de zu haben. Zum einen verstehen sich viele Psychotherapeuten nicht oder nicht mehr als Ärzte, zum Teil auch deshalb, weil sie sich von den ärztlichen Organisa- tionen nicht anerkannt und in ih- ren Interessen vertreten fühlen.

Auch sind Befürchtungen im Spiel, die mit der Tätigkeit in den privatrechtlich organisierten Wei- terbildungsinstituten verbunde- nen Prestige- und Einkommens- quellen zu verlieren. ck

Murks?

Wenn der (hessische) Kassenlöwe Gerhard Löwenstein die Humani- tas als primäres Motiv für ambu- lantes Operieren in unserer Zeit apostrophiert (1, 2), lachen doch die Hühner, die nicht nur vorge- worfene Körner fressen, sondern auch hinter den Kulissen picken.

Ehrlicher klingt es denn schon, wenn wirtschaftliche Aspekte (3) als erste und erst in zweiter Linie Menschenfreundlichkeit ins Feld geführt werden. Denn von dem Wunsch, daß im „Verteilungs- kampf" (4) zunächst die eigene Kasse stimmt, kann sich doch wohl keiner freisprechen. Das ist auch legitim, nur meine ich, man müsse es ehrlich zugeben.

Wirtschaftlichkeit bedeutet im Aufwind der inhumanen und unso- zialen Kostendeckungs- und -spa- renden Gesetze „soviel ambulant wie möglich". Die jüngeren Träger sozialer Errungenschaften (die Kassen — und ihre Löwen —) wollen unter diesem Motto den jahrhun- dertealten sozialen Einrichtungen (die Krankenhäuser sind wesent- lich eine Schöpfung des frühmit- telalterlichen Christentums) das Wasser abgraben, weil diese (zu?) teuer wurden. Und das soziale Ge- meinwesen, die Gesellschaft oder der Staat, ist eher bereit, (unge- heuere) Gelder für die Verteidi- gung der Errungenschaften (sic Wehretat!) auszugeben als für de- ren Funktionieren: Dafür soll die Solidargemeinschaft der sozial Betreuten schließlich selbst sor- gen!

In diesem Potpourri finden sich natürlich gleich Konzertmeister:

Nichts gegen die „kleine Chir- urgie" in der gut ausgestatteten Ordination des tüchtigen Prakti- kers — bei der ambulanten Küretta- ge kommen mir allerdings schon Zweifel an Verantwortbarkeit und

FORUM

Zumutbarkeit —, wenn aber in ei- nem Katalog für das ambulante Operieren (5) die Hysterektomie mit Exstirpation der Adnexe und die Scheidenplastik aufgeführt werden, zweifelt man doch am Verstand des Verfassers. Und wenn sich ein ambulant agieren- der Kollege vom gleichen Verfas- ser die Laparoskopie (Pelviskopie) beim akuten Bauch und/oder Ver- dacht auf eine extrauterine Gravi- dität empfehlen läßt, kann ich ihm nur wünschen, daß nicht ich zum Gutachter über Folgen und Ver- säumnis bestellt werde.

Vielleicht kann man in der hierfür geschaffenen und mit Spezialisten aller zum Operieren notwendigen Fachrichtungen besetzten Klinik/

Krankenhaus gewisse Eingriffe kleinerer Größenordnung mit möglichst kurzer Verweildauer, d. h. (fast) ambulant durchführen

— das scheint besonders in der pädiatrischen Chirurgie möglich zu sein (z. B. 6, 7) —, in der Regel sind aber für „gestandene" Opera- tionen in solchen qualifizierten Einrichtungen präoperative Vor- bereitung sowie postoperative Therapie, d. h. ein stationärer Auf- enthalt, sinnvoll. (Wer sich einen Mercedes für sicheres und gutes Fahren angeschafft hat, geht nicht zu Fuß und schwimmt durch den Kanal, wenn er nach England will.) Und wer operiert warum in seinem Sprechzimmer, in der Praxis-Kli- nik/Klinik-Praxis oder was immer sich da in den letzten Jahren der zunehmenden Konkurrenz auf der Jagd nach dem Krankenschein etabliert hat?

Man versteht doch den (langjähri- gen) Oberarzt einer Klinik, der es aus irgendeinem Grunde nicht ge- schafft hat, Betten zu bekommen und sich als Niedergelassener nicht nur als „Schreibtischtäter"

im Sinne von Barbara Ehret (8)

Ambulantes Operieren

Zu verschiedenen Artikeln über dieses Thema

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 6 vom 11. Februar 1983 89

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Ambulantes Operieren

durch Klinikeinweisungen betäti- gen will: Schließlich hat er etwas gelernt und die Behandlung des Bagatellfalles genügt nicht zur Selbstbestätigung. So wird denn

„operiert", was das Zeug hält: In meinem Fachgebiet heißt das ausschaben, Schwangerschaften abbrechen, konisieren, gar kolpo- tomieren, laparoskopieren und sterilisieren (9)— von der ambulan- ten Praxisentbindung hier zu schweigen —, ohne Rücksicht auf fehlende echte Aufsicht, auf mög- liche Narkosezwischenfälle (es gibt zwar „kleine Operationen", aber keine „kleine Anästhesie"

(10)), Blutung und Infekt sowie das „Holterdiepolter-nach-Hause- Gehen".

Der Kinderchirurg Waldemar Chri- stian Hecker sagt: „Ambulantes Operieren heißt: Operieren unter denselben Sicherheitsbedingun- gen, wie sie die Klinik hat" (11).

Wer dabei die Grenzen der Indika- tion sieht und unseren sozialen und caritativen Auftrag mehr ach- tet als wirtschaftlich/merkantile In- teressen, der macht (vielleicht) keinen ambulanten Murks.

Literatur

(1) -pp- Modellpraxis für ambulantes Operie- ren, der niedergel. arzt 30, 1981, S. 28 — (2) gb Hessen: Modelleinrichtung für ambulantes Operieren durch Kassenärzte, DA 78, 1981, S.

440 — (3) Fritz, K.: Wirtschaftliche und medizi- nische Aspekte sprechen dafür, Arzt und Wirt- schaft 7, 1980, S. 7 —(4) K. G.: Infam (Editorial), der arzt im krankenhaus 8, 1982, S. 455 — (5) Hoehle, K.: Ambulante Operationen, DÄ 76, 1979, S. 1915 — (6) Bourmer, H. R.; Bergenthal, D.: Erfahrungen mit ambulanten Operationen bei Kindern, DA 74, 1977, S. 95 — (7) Hofmann — v. Kap-Herr, S. (Hrsg.): Ambulante Operatio- nen im Kindesalter, Wissenschaftl. Information (Milupa AG) 5, 1979, Heft 2 — (8) Ehret, B.: Es wird zuviel operiert. Sexualmedizin 9, 1980, S.

61 — (9) Koch, W. Ambulantes Operieren aus der Sicht des Gynäkologen. In: Ambulantes Operieren Mainzer Symposion der Friedrich Thieding-Stiftung des Hartmannbundes am 26./27. Januar 1979, Hartmannbund-Verlag- Bonn — (10) Reiter, G., Collo, J.: Schwerpunkte präoperativer Untersuchungen durch den An- aesthesisten bei ambulanten Operationen. In:

Ambulantes Operieren im Kindesalter (s. 7) — (11) Hecker, W. Ch., Diskussionsbemerkung in 9, S. 134

Prof. Dr. med. Hans Lau Direktor der Städtischen Frauenklinik

6100 Darmstadt

Vorteile

Schon Kurt Tucholsky wußte, daß alle Witze, die man über Namen macht, dümmlich sind. Dies vor- ausgeschickt, soll doch zu dem Parforceritt des Professor Lau einiges angemerkt werden.

Es ist schon so — und die Kassen- ärzte finden es durchaus nicht zum Hühnerlachen — daß das am- bulante Operieren mindestens zwei völlig gleichgewichtigte Aspekte hat: die Humanitas und die Kostendämpfung. Vom Vertei- lungskampf zu reden und zu schreiben, überlassen sie gern den Krankenhausärzten und ihren Publikationsorganen. Als die Kas- senärztliche Vereinigung Hessen im April 1981 ihre Modellpraxis für ambulantes Operieren eröffnete, verwies Dr. Löwenstein ausdrück- lich auf die Vorteile, die das ambu- lante Operieren in der Kinderchir- urgie bietet. Der Schock der Tren- nung von der Familie kann den Kindern erspart werden, wenn man kleinere Operationen vor- nimmt. Adenotomie, Phimose, Be- heben des Hodenhochstands z. B.

läßt sich komplikationslos ambu- lant vornehmen. Auch in Prof. Lau eigenem Bereich, der Gynäkolo- gie, gibt es eine Reihe von Eingrif- fen, die ambulant vorgenommen werden können, wie Exstirpation kleiner und mittlerer Tumoren, Scheidenplastiken und Abrasio- nen. Die zunehmende Zahl der ambulant abgerechneten Opera- tionen — sie stieg in Hessen vom ersten zum vierten Quartal 1981 von 6700 auf 9900 — bestätigt, daß auch offenbar die Patienten bereit sind, die Pflege in häuslicher Um- gebung der viel gescholtenen In- humanität im Krankenhaus vorzu- ziehen. Und die Kosten? Die Ex- stirpation eines Mammatumors kostet die Krankenkasse bei vier- tägigem stationären Aufenthalt 8-900 DM. Bei ambulanter Opera- tion kassieren Anästhesist und Operateur zusammen 263,15 DM.

Und eine ambulant vorgenomme- ne Herniotomie kostet die Kasse 281,18 DM. Unter fünf Pflegetagen

— also etwa 1000 DM -- käme die

Kasse bei stationärer Operation nicht davon. Den Kassenärztlichen Vereinigungen, also auch Herrn Prof. Laus („hessischem) Kassen- löwen" Gerhard Löwenstein liegt nämlich daran, daß ihre Vertrags- partner geschont werden und lei- stungsfähig bleiben für alle Berei- che. Darum postulieren sie ge- meinsam: „Soviel ambulant wie möglich, soviel stationär wie nö- tig". Die Deutsche Krankenhaus- gesellschaft, Prof. Lau und der Bremer Gesundheitssenator Her- bert Brückner (SPD) laufen in schöner Einmütigkeit dagegen Sturm.

Sie alle — und auch das wird zwi- schen den Zeilen deutlich — haben natürlich nichts dagegen, wenn in Krankenhäusern ambulant ope- riert wird. Das ist dann selbstver- ständlich das Non plus ultra von Humanität und Kostenbewußtsein,

„besonders in der pädiatrischen Chirurgie" (Lau). Da ist die Hospi- talwelt wieder in Ordnung — wenn auch nicht mehr so wie im „früh- christlichen Mittelalter", aber was hat sich aus dieser Zeit schon un- reformiert erhalten? Und wenn schließlich Herr Prof. Lau die Not- wendigkeit präoperativer Vorbe- reitung und postoperativer Thera- pie betont, so sei er hiermit herz- lich eingeladen, sich in der Mo- dellpraxis für ambulantes Operie- ren der Kassenärztlichen Vereini- gung Hessen anzuschauen, wie hier unter den Bedingungen eines Krankenhaus-OP operiert wird und wie die Operationsvorberei- tung und die Nachsorge geregelt sind. Holterdiepolter geht da gar nichts. Zu diesem Besuch braucht Prof. Lau auch nicht mit dem Mer- cedes unter Wasser nach England zu fahren, sondern nur von Darm- stadt nach Frankfurt in die Main- zer Landstraße.

Kassenärztliche Vereinigung Hessen Helmuth Dippner Leiter der Pressestelle Georg-Voigt-Straße 15 6000 Frankfurt

90 Heft 6 vom 11. Februar 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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