DEUTSCHES
ÄRZTEBLATT
DER KOMMENTAR
EG-Pharma-Politik Staatliche Eingriffe überflüssig
In der gesundheitspolitischen Diskussion wird vielfach seitens der Politik und von interessierten Krei- sen der Eindruck suggeriert, als sei- en mit weiteren Eingriffen im Arz- neimittelbereich das Gesamtsystem der gesundheitlichen Sicherung zu stabilisieren und die „aus dem Ruder laufenden" Ausgaben zu zügeln. Die meist selbst ernannten „Experten"
rufen in immer kürzeren Zeitabstän- den nach immer weiter gehenden neuen Eingriffsmöglichkeiten.
Geradezu dirigistische und gleichmacherische Eingriffe in den Pharma- und Apothekensektor wer- den im Hinblick auf den künftigen EG-Binnenmarkt und eine mögliche Angleichung der Gesundheitssiche- rungssysteme gefordert. Manche Eu- ro-Technokraten erhoffen sich auch über die Brüsseler Schiene eine Herabschleusung des angeblichen
„Hochpreislandes Deutschland" auf den Europa-Durchschnitt oder gar auf das Niveau des Niedrigpreislan- des Portugal. Indes: Die nationalen Gesetze, die Regulativkräfte des Marktes und die Flexibilität der Her- steller und der Pharma-Produzenten haben, zumindest was die Arzneimit- telpreise betrifft, einen Preisanpas- sungsprozeß nach unten bewirkt — lange bevor der Europäische Bin- nenmarkt Wirklichkeit geworden ist.
Tatsache ist nämlich, und darauf hat kürzlich die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (AB- DA) mit Recht hingewiesen:
Deutschland ist längst kein Arznei- mittel-Hochpreisland mehr.
Der weitgehend wettbewerblich ausgerichtete Arzneimittelmarkt in der Europäischen Gemeinschaft zeigt also, daß eine direkte Preis- steuerung durch die EG-Kommissi- on überflüssig ist.
Die Kommission der Europäi- schen Gemeinschaft sollte sich, so das Petitum der Apothekerschaft, darauf beschränken, die Vorausset- zungen für den freien Warenverkehr im Pharmasektor zu schaffen, für ei- nen fairen Wettbewerb und Markt- transparenz zu sorgen. Ohnedies dürfte wie bisher der Preislevel von den dominanten großen nationalen
Märkten bestimmt werden. Wichtig ist allerdings im Hinblick auf das Jahr 1993, daß unterschiedliche Ab- gabekriterien und damit Wettbe- werbsverzerrungen beseitigt werden.
Auch die unterschiedliche Belastung mit der Mehrwertsteuer innerhalb der EG ist noch ein Stein des Ansto- ßes und ein offener Soll-Posten bei der Steuerharmonisierung.
Unabdingbar für einen funktio- nierenden Apotheker- und Pharma- Markt ist, daß der Begriff der Ver- schreibungspflicht ab 1993 in der EG einheitlich benutzt und der Begriff der Apothekenpflicht einheitlich ge- führt wird. Es kann nicht angehen,
Ein 27jähriger, gesunder Mann wurde Mitte November 1991 an ei- ner indirekten Leistenhernie ope- riert. Der Eingriff erfolgte ambulant, wie üblich mit komplikationslosem Verlauf und tadellosem Ergebnis.
Da in Lokalanästhesie ausgeführt, war nach Reposition der Einklem- mung neben einer klinischen Unter- suchung keine weitere vorbereitende Maßnahme erforderlich. Die Be- handlungskosten für vier Wochen rechnen sich wie folgt:
Gebührenziffern nach EBM:
Op-Tag
Infusion Ziff. 272: 220 Punkte Lokalanästhesie Ziff. 407: 120 Punkte Injektion e.
Antibiotikum Ziff. 261: 30 Punkte Herniotomie Ziff. 2620: 1500 Punkte Zuschlag Ziff. 82: 1000 Punkte Besuch
am Abend Ziff. 26: 360 Punkte Untersuchung Ziff. 62: 40 Punkte Schmerzmittel
i. m. Ziff. 252: 40 Punkte
Wegepauschale 16 DM
1. Tag p. Op
Besuch Ziff. 25: 275 Punkte Untersuchung Ziff. 62: 40 Punkte Injektion e.
Antibiot. i. v. Ziff. 253: 80 Punkte
Wegepauschale 16 DM
2. Tag p. Op (Samstag) Beratung und
Untersuchung Ziff. 6: 210 Punkte
daß verschreibungspflichtige Medi- kamente jenseits der Grenze ohne Rezept abgegeben werden. Für den Patienten und Arzt wäre es riskant, daß auf der einen Seite der Grenze ein Arzneimittel unkontrolliert au- ßerhalb von Apotheken und auf der anderen Seite der Grenze kontrol- liert nur in Apotheken abgegeben werden darf.
Auch ein weiteres dürfte unbe- streitbar sein - Ein und dasselbe Arz- neimittel, das in allen 12 Ländern der Europäischen Gemeinschaft in der- selben Produktqualität zugelassen und hergestellt wird und nach den gleichen Bedingungen beworben und vertrieben wird, kann in einer Frei- handelszone nicht lange verschiedene Preise haben. Dr. Harald Clade
Injektion Ziff. 253: 80 Punkte Verband Ziff. 200: 45 Punkte 4. Tag p. Op
Verband Ziff. 200: 45 Punkte 7. Tag p. Op
Verband Ziff. 200: 45 Punkte 11. Tag p. Op
Verband Ziff. 200: 45 Punkte 13. Tag p. Op
Entfernung
der Fäden Ziff. 2007: 60 Punkte Untersuchung
4 Wochen p. Op Ziff. 4: 120 Punkte
Summe 4355 Punkte
Gegenwärtiger Punktwert 0,0935 DM
Entsprechend 407,20 DM
Zusätzlich
2 x Wegepauschale 32,00 DM
Gesamtbetrag 439,20 DM
Unter Hinzurechnung sämtli- chen Verbrauchsmaterials wird der Betrag von 500 DM wenig über- schritten, der Betrag von 600 DM nicht erreicht. Bei Tagessätzen von 220 DM (Belegkrankenhaus) bis 500 DM (Zentralklinikum Augsburg) so- wie Berechnung der Verweildauer des Patienten dürfte kein Zweifel be- stehen, wer kostengünstigere Be- handlung gewährleistet.
Dr. med. Gerhard Aumann, W-8901 Dinkelscherben
Ambulantes Operieren: Ein Rechenexempel
A,-888 (28) Dt. Ärztebl. 89, Heft 11, 13. März 1992