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Archiv "Cochrane-Zentren: Für „bestes externes Wissen“" (09.07.1999)

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zent. Doch der Erfolg der Informati- onskampagne beruht nach Ansicht der Autoren nicht alleine auf der Schulung der Ärzte. Weil die Kampagne auch die Patienten informierte und so die Erwartungen veränderte, half sie den Ärzten in ihrer Eigenschaft als Dienst- leister. Gerade in der Frage „Anti- biotika gegen Erkältungen“ geraten die meisten Ärzte in eine Zwick- mühle: Auf der einen Seite sagen die medizinischen Fakten „nein“, auf der anderen Seite haben sie Angst, die Erwartungen ihres Patienten zu ent- täuschen.

Auch wenn Ärzte es sich oft nicht eingestehen, seien sie im Zweifel sogar eher Dienstleister als Wissenschaftler, schilderte Windeler am Beispiel einer britischen Untersuchung. Die For- scher hatten 1997 erkältete Patienten vor dem Arztbesuch nach ihren Er- wartungen über die Therapie gefragt und dann auch die Ärzte zu ihren Ent- scheidungen interviewt.

Zweifelhafte Entscheidung

Die Macht der Patienten war be- eindruckend. Wenn die Erkälteten Antibiotika wollten, erhielten fast 90 Prozent auch das Rezept (British Medical Journal 1997; 315: 1211). Von denen, die kein Antibiotikum erwarte- ten, bekam es aber nur jeder vierte. Be- merkenswert waren die Begründun- gen der Ärzte für ihre Entscheidungen.

Die Mediziner waren sich durchaus im klaren, daß bei 80 Prozent der Patien- ten die Indikation für Antibiotika zu- mindest zweifelhaft war; bei jedem fünften Patienten waren sie sich sogar sicher, daß Antibiotika die falsche Ent- scheidung waren – verschrieben haben sie die wertvollen Medikamente trotz- dem. „Die Ärzte hatten schlicht Angst, der Patient fühle sich schlecht behan- delt, wenn er ohne Rezept nach Hause geht“, sagt Windeler. Auch aus dieser Klemme könnten sich Ärzte durch ei-

nen Blick auf die Evidenz befreien.

Der Glaube, „nur ein Patient mit Re- zept ist ein zufriedener Patient“, scheint ein Irrtum zu sein. US-For- scher haben bereits 1996 insgesamt 113 Patienten mit Erkältungen nach dem Arztbesuch gefragt, wovon denn ihre Zufriedenheit abhing (Journal of Family Practice, 1996; 43: 56). Die Pa- tienten, die Antibiotika verschrieben bekommen hatten, waren keineswegs zufriedener mit ihrem Arzt als die, die ohne Rezept die Praxis verlieren.

Tatsächlich dominierten zwei ganz andere Kriterien. Zufrieden zeig- ten sich jene Patienten, denen der Arzt ihre Krankheit erklärt hatte und für die er sich ausreichend Zeit genom-

men hatte. Windeler: „Offenbar ist ein gutes, aufklärendes Gespräch zwi- schen Arzt und Patient eine sinnvolle- re Maßnahme gegen Erkältungen als Antibiotika.“ Doch bei der Entschei- dung zwischen Rezept und Gespräch kommt das dritte „Ich“ des Arztes ins Spiel: der Unternehmer. Der Zeitauf- wand, den der Arzt benötigt, um die Evidenz zu suchen und sie dann seinen Patienten zu erklären, lohnt sich im derzeitigen Vergütungssystem für ihn nicht. Windeler, selbst ein Verfechter der Evidenz-basierten Medizin, bleibt deshalb skeptisch: „Wissen ist zwar ei- ne dringend notwendige, aber eben nicht hinreichende Voraussetzung für gute Medizin.“ Klaus Koch

A-1824

P O L I T I K

(28) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 27, 9. Juli 1999

MEDIZINREPORT

Cochrane-Zentren: Für „bestes externes Wissen“

Auf „Evidenz-basierte Medizin“ reagieren die meisten deutschen Ärzte etwa so, wie ihre übergewichtigen Patienten auf den Ratschlag, doch mal etwas mehr Sport zu treiben. Die Idee, „neben der eigenen Intuition auch das beste externe Wissen zu nut- zen“, klingt sinnvoll, aber die Suche nach dem Wissen kostet Zeit und Mühe, und – letztlich kommt man ja auch so ganz gut zurecht. So gesehen ist die „Cochrane-Colla- boration“ so etwas wie eine Selbsthilfegruppe für Ärzte. Ende der 80er Jahre ist das Netzwerk aus einer Gruppe britischer Ärzte und Wissenschaftler entstanden, die Ernst machen wollten mit der Floskel, „Medizin auf das beste externe Wissen zu basieren“.

Mittlerweile haben sich weltweit Zentren der Bewegung gegründet, auch in Deutschland wurde kürzlich das „Deutsche Cochrane Zentrum“ an der Universität Freiburg (Leiter: Dr. Gerd Antes) eingeweiht. Das vom Bundesministerium für Bil- dung und Forschung geförderte Institut ist das 15. weltweit. Die Arbeit der nichtkom- merziellen Cochrane-Gruppen ist in wenigen Jahren zu einem der besten Exempel ge- worden, was Evidenz-basierte Medizin zu bieten hat: Ihr Kern besteht aus einer (wach- senden) Sammlung von Prinzipien und Kriterien, mit denen ein Arzt Informationen auf ihre Bedeutsamkeit und Glaubwürdigkeit abklopfen kann. Cochrane-Gruppen haben auf der Basis dieser Kriterien mehr als 500 unabhängige Bewertungen von Therapien erstellt – sogenannte Reviews –, die wegen ihrer Güte international aner- kannt sind. Etwa weitere 500 dieser Analysen sind derzeit in Arbeit. Diese Reviews sind allerdings eher „Spitzen- als Breitensport“. Sie erfordern drei aufwendige Arbeits- schritte: 1. Alle greifbaren Studien werden gesammelt.

2. Jede einzelne wird nach Gütekriterien beurteilt.

3. Die „guten“ Studien werden systematisch ausgewertet.

Gute Qualität ist dabei die Ausnahme: Oft sortieren die Cochrane-Gruppen 90 Prozent der Therapiestudien aus, weil sie methodisch fragwürdig und deshalb unzu- verlässig sind. Durch die strenge Selektion „wollen wir das Risiko von Fehlschlüssen minimieren“, schildert Matthias Egger von der Universität Bristol. Diese Analysen der besten Evidenz sind ausdrücklich bestimmt für die Mehrheit der „Breitensportler“ un- ter den Ärzten. Diese Zusammenfassungen ersparen einen Teil der Mühe, sich selbst auf die Suche machen zu müssen. Ausführliche Versionen der Reviews, die oft auch von renommierten Fachzeitschriften abgedruckt werden, können abonniert werden, eine Liste der bislang bearbeiteten Themen und kurze Zusammenfassungen sind frei im Internet zugänglich. Durch diese Komprimierung des Wissens wollen die Cochrane- Gruppen eines der wesentlichen Probleme der Ärzte lindern: den Zeitmangel.

Im Durchschnitt bleibt etwa einem Internisten pro Woche kaum eine halbe Stun- de, neben seiner Arbeit in Klinik oder Praxis noch Fachartikel zu lesen. Er müßte aber wöchentlich 15 bis 20 Stunden aufwenden, um zumindest einigermaßen auf dem Stand des Wissens zu bleiben. Neben dem Cochrane-Zentrum bieten auch erste deutsche Universitäten (Lübeck, Wuppertal) Kurse für Ärzte an, die das methodische Hand- werkszeug der „Evidenz-basierten Medizin“ lernen wollen. kch

„Wie sich Wissenschaft im Praxisalltag besser nutzen läßt“ beschreibt zudem ein von Matt- hias Perleth und Gerd Antes herausgegebe- nes Buch „Evidenz-basierte Medizin“, dessen 2. aktualisierte Auflage jetzt erschienen ist (MMW-Verlag, München). Weitere Informa- tionen zu Evidenz-basierter Medizin, Coch- rane-Gruppen, Literatur oder Kursen zum Thema unter: http://www.cochrane.de oder http://www.ebm-netzwerk.de

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