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Archiv "Ärztemangel: „Ohne Ärzte geht es nicht“" (05.11.2010)

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A 2148 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 44

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5. November 2010

ÄRZTEMANGEL

„Ohne Ärzte geht es nicht“

Ärztliche Unterversorgung ist bereits heute Realität. In Zukunft, zeigen Prognosen, wird es nicht besser. Bei zwei KBV-Veranstaltungen wurden Lösungen präsentiert.

L

ange Zeit blieb die deutsche Ärzteschaft ungehört, wenn sie Handlungsbedarf ob des sich ab- zeichnenden regionalen Ärzteman- gels anmahnte. Nun ist das Thema ganz oben auf der politischen Agen- da angekommen. Bundesgesund- heitsminister Philipp Rösler (FDP) will eine Kommission gründen, in der die Akteure des Gesundheits - wesens gemeinsam Maßnahmen gegen eine Unterversorgung in ländlichen Gebieten treffen sollen.

Hinzu kommen soll im nächsten Jahr ein sogenanntes Versorgungs- gesetz, mit dem Rösler die Bedarfs- planung reformieren will. Auch die Landespolitiker wollen die Be- darfsplanung ändern, um auf „loka- le Disparitäten angemessen reagie- ren“ zu können. Die Bedarfspla- nung müsse künftig Demografie und Morbiditätsentwicklung be- rücksichtigen, sie müsse flexibel und kleinräumig gestaltet werden und eine sektorenübergreifende Pla- nung ermöglichen, heißt es in einem einstimmig gefassten Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz.

Dass die langjährigen Warnun- gen der Ärzteschaft nicht aus der Luft gegriffen waren, belegen aktu- elle Daten aus verschiedenen Quel- len. Das WifOR-Institut hat im Auftrag des Dienstleistungsunter- nehmens Pricewaterhouse-Coopers eine ärztliche Unterversorgung im ambulanten und stationären Be- reich errechnet, die schon heute 17 300 fehlende Ärztinnen und Ärz- te ausweist. In 20 Jahren, so das Institut, werden es 165 400 sein.

Bundesärztekammer (BÄK) und Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) gehen in ihrer Arztzahlstu- die vom September dieses Jahres von knapp 52 000 Ärztinnen und Ärzten aus, die bis 2020 allein in der ambulanten Versorgung ersetzt werden müssen.

Zusätzlicher Ersatzbedarf ent - stehe darüber hinaus dadurch, dass die zur Verfügung stehende Ar- beitszeit künftig abnehmen werde, sagte der KBV-Vorstandsvorsitzen- de, Dr. med. Andreas Köhler, bei der Diskussionsveranstaltung „KBV kontrovers – Deutschland: Wo sind

deine Ärzte?“ am 25. Oktober in Berlin. „Das liegt, und ich bitte, das nicht als chauvinistisch zu werten, an dem steigenden Anteil von Frau- en in der Versorgung“, erläuterte Köhler. Denn Frauen, so habe die Bundesagentur für Arbeit errechnet, leisteten lediglich 72 Prozent der Arbeitszeit der Männer.

KVen sollen in eigenen Praxen Ärzte anstellen

Der potenzielle Nachwuchs könne auch deshalb an vielen Stellen nicht den Ersatzbedarf abdecken, weil sich die Medizin geändert habe, sagte KBV-Vorstand Dr. med. Carl- Heinz Müller: „Die Medizin orien- tiert sich heute an Leitlinien, sie er- fordert mehr kollegialen Austausch und mehr Dokumentation.“ Zudem erzeugten auch neue Fachrichtun- gen neuen Bedarf. In den letzten Jahren seien allein 51 Fachgruppen hinzugekommen.

Um die Probleme in den unter- versorgten Gebieten zu lösen, schlug Köhler einen Regionalver- bund aus Kassenärztlicher Vereini- Gegenpositionen:

DÄ-Chefredakteur Heinz Stüwe (Mitte) moderiert das Ge-

spräch zwischen dem AOK-Auf- sichtsratsvorsitzen- den, Fritz Schösser, (links) und KBV-Vor- stand Dr. med. Carl- Heinz Müller

(rechts).

Fotos: Georg J. Lopata

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A 2150 Deutsches Ärzteblatt

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5. November 2010 gung (KV), Landesärztekammer,

Landeskrankenhausgesellschaft und zuständiger Landesbehörde vor. Das Gremium könne die Situation in den Regionen beurteilen und verpflich- tende Vorgaben für die ambulante und stationäre Versorgung machen.

In unterversorgten Regionen sollten die KVen dann Praxen einrichten und Ärzte anstellen können, forderte Köhler. Einen solchen Praxistyp gibt es bereits in Thüringen. In Gotha hat die KV Thüringen drei Ärzte ange- stellt, die sich den Dienst teilen. Wie ihre beiden Kollegen war auch Dr.

med. Helga Trautmann bereits eini- ge Jahre im Ruhestand, bevor sie sich von der KV anstellen ließ. „Das Konzept Seniorenpraxis funktioniert sehr gut“, betonte Trautmann bei

„KBV kontrovers“. „Wir bekom- men ein festes Gehalt und müssen uns um nichts anderes kümmern.“

„Künftige Mediziner wollen ei- ne weitaus flexiblere Berufsaus- übung“, sagte KBV-Chef Köhler.

Sie wünschen sich auch die Mög- lichkeit, als Angestellte zu arbeiten.

Vor allem aber möchten sie zusam- menarbeiten. „Nur vier Prozent wollen noch eine Einzelpraxis“, zi- tierte Köhler aus der Online-Umfra- ge unter Medizinstudierenden, de- ren Ergebnisse die KBV im Septem- ber publizierte (DÄ, Heft 39/2010).

AOK-Aufsichtsratsvorsitzender Fritz Schösser nahm bei „KBV kon- trovers“ die Gegenposition ein und erklärte, Deutschland brauche nicht mehr Ärzte: „Wir haben nicht zu wenige Ärzte, sondern zu viele an den falschen Stellen.“ Die Frage sei nun, wie man es schaffen könne, Ärzte vom Umzug in unterversorg- te Regionen zu überzeugen. Die Zahl der Ärzte insgesamt steige zwar, konterte Köhler, aber nicht bei den Trägern der hausärztlichen und fachärztlichen Grundversorgung:

„Wir wachsen am falschen Ende, nämlich bei den Spezialisten.“

Auch beim 2. Greifswalder Sym- posium der KBV und der Universi- tät Greifswald am 19. Oktober zum Thema „Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum“ ging es um den Ärztemangel. Der Fokus dabei lag auf der drohenden Unterversorgung in Mecklenburg-Vorpommern. „Bis 2020 müssen mehr als 40 Prozent al-

ler Hausarztpraxen in Mecklenburg- Vorpommern wiederbesetzt werden.

Insbesondere auf dem Land wird das nicht in vollem Umfang gelingen“, betonte Prof. Dr. med. Wolfgang Hoffmann, Leiter des Instituts für Community Medicine an der Uni- versität Greifswald. Auch deshalb probiert man hier schon länger als anderswo neue Wege aus. „Wir brauchen neue Versorgungsideen, weil die alten nicht mehr funktionie- ren“, erklärte Hoffmann. Zu den neuen Ideen gehören verschiedene Telemedizinprojekte ebenso wie die verstärkte Integration von Delegati- onskonzepten wie dem AGnES-Mo- dell in die Regelversorgung. All die- se Maßnahmen können jedoch das

drängendste Problem nicht lösen:

Wie überzeugt man junge Ärzte, als Hausarzt auf dem Land zu arbeiten, ob nun selbstständig oder angestellt?

„Wenn sich Studierende für die Allgemeinmedizin interessieren, bieten wir ihnen Hospitationen in Hausarztpraxen, auch im ländlichen Raum, an. So kommen die Studen- ten frühzeitig in persönlichen Kon- takt mit Patienten“, sagte Hoffmann dem Deutschen Ärzteblatt. Interes- sierte Studenten bekämen einen von 56 teilnehmenden Lehrärzten als Mentor, würden zu Qualitätszirkeln und hausärztlichen Fortbildungen eingeladen und hätten dadurch über ihr gesamtes Studium hinweg einen kontinuierlichen Kontakt und Aus- tausch mit erfahrenen Hausärzten.

Eine dieser interessierten Studie- renden war Kristin Czujewicz. „Ich habe die Arbeitsbedingungen in den Praxen der Lehrärzte als durchaus gut empfunden“, sagt die 30-jährige Dresdenerin. Gerade die Landärzte seien fast immer sehr zufrieden mit ihrer Arbeit gewesen, und niemand habe ihr von einer Tätigkeit als Hausarzt abgeraten.

„Ich habe Land und Leute kennen- und lieben gelernt“

Czujewicz hat sich mittlerweile ent- schieden. Nach ihrer Weiterbil- dungszeit will sie sich im Landkreis Ostvorpommern als Allgemeinmedi- zinerin niederlassen. „Mir gefällt die Arbeitsweise in einer Praxis“, erklärt sie. „Mir gefällt der Gedanke, der erste Ansprechpartner für die Patien- ten zu sein und sie lange zu betreu- en.“ Zudem habe sie „Land und Leute kennen- und lieben gelernt“.

„Mein Eindruck während des Studi- ums war: Es gibt viele Studenten mit einem hohen Interesse an der Allge- meinmedizin“, resümiert sie, „doch viele von ihnen werden durch Pro- bleme insbesondere während der Weiterbildung ausgebremst.“

Genau an diesem Punkt versucht die Universität Greifswald die Studierenden nun zu unterstützen.

Noch in diesem Jahr soll ein soge- nanntes An-Institut gegründet wer- den, das den Studierenden nach ih- rer Approbation bei der Organisati- on der Weiterbildung helfen soll.

„Wir planen die Rotation, so dass alle Anforderungen ohne Verzöge- rung erfüllt werden können“, sagt Hoffmann. „In Zukunft können wir uns vorstellen, die Weiterbildungs- assistenten während ihrer klini- schen Zeit fest anzustellen.“

Neben all den geplanten und be- reits umgesetzten Maßnahmen kön- nen auch die Hausärzte selbst etwas tun, meint Hausärztin Trautmann aus Gotha. „Wir müssen mehr Freude ausstrahlen. Wir Alten dürfen nicht so viel stöhnen. Das hören doch die Jungen, und dann wollen sie nicht in die hausärztliche Grundversorgung“, sagte sie bei „KBV kontrovers“. Und auch das Schlechtreden in den Me- dien müsse aufhören. Denn: „Ohne Arzt geht es schließlich nicht.“ ■

Falk Osterloh

Wir wachsen am falschen Ende, nämlich bei den Spezialisten.

Andreas Köhler, Vorstandsvorsitzender der KBV

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