DEUTSCHES
ARZTEBLATT
D
ie pharmazeutische In- dustrie erwartet 1990 spürbare Umsatzrück- gänge und strukturelle Ver- schiebungen. Erste "Brems- spuren" zeigten sich bereits in diesem Jahr, teilte der Bun- desverband der Pharmazeuti- schen Industrie (BPI) anläß- lich seiner außerordentlichen Hauptversammlung in Köln mit.Im Oktober, also zwei Mo- nate nach dem Inkrafttreten der ersten Tranche der Arz- neimittel-Festbeträge, hat das Preisniveau aller von den Krankenkassen erstatteten Medikamente um 0,1 Prozent unter dem des gleichen Vor- jahresmonats gelegen. Die In- dustrie registriert zugleich ei- nen rückläufigen Arzneimit- telverbrauch (Mengenkom- ponente ). Beim Export, seit Jahren der Umsatzgarant der Branche, gab es im ersten Halbjahr 1989 eine geringere Zuwachsrate als noch im Vor- jahr. Diese lag bei 11,4 Pro- zent, im Juli gab es einen Ein- bruch von minus 14,3 Pro- zent, so daß in den ersten sie- ben Monaten 1989 der Phar- ma-Export insgesamt um 6,9 Prozent auf knapp sechs Mil- liarden DM gesteigert wer- den konnte. Im gleichen Zeit- raum stiegen die Importe um 15,1 Prozent auf rund 3,3 Mil- liarden DM.
Die Produktion von Fer- tigarzneimitteln stieg in den Monaten vor Inkrafttreten der ersten Festbeträge (Ja- nuar bis September 1989) noch um 5,5 Prozent auf 13,4 Milliarden DM. Im Septem- ber gab es einen Einbruch um 0,3 Prozent gegenüber dem gleichen Vorjahresmonat.
Prof. Dr. Dietrich Nord, Firma Boehringer Mannheim GmbH, Mannheim, sagte, dies sei um so bemerkenswer- ter, als bisher erst knapp zehn Prozent des gesamten Markt- volumens von Festbeträgen erfaßt sind. lnfolge der Fest- beträge seien die Original- preise im Durchschnitt um 19 bis 20 Prozent gesenkt wor- den, so daß die Hersteller- Abgabepreise inzwischen teil- weise unter dem Niveau ande- rer EG-Staaten lägen, die be-
LE ERDIENST
Pharma-Industrie:
Bremsspuren bereits sichtbar
reits seit langen Jahren Preis- dirigismus betrieben.
Auch der Arzneimittel- umsatz durch Apotheken zeigt 1989 einen "wellenför- migen" Verlauf: Ein Minus von 0,8 Prozent im ersten Quartal 1989 im Vergleich zu den ersten drei Monaten 1988 signalisiert das Ab- schmelzen des "Vorzieh-Ef- fekts" ("Blüm-Bauch"). Im zweiten Quartal gab es ein Plus von 7,2 Prozent, im drit- ten fast Stagnation mit plus 0,3 Prozent. Insgesamt stieg der Arzneimittelumsatz der Apotheken in den ersten neun Monaten um 2,7 Pro- zent auf 11,1 Milliarden DM zu Hersteller-Abgabepreisen;
rund 22 Milliarden DM zu Verbraucherpreisen.
Die Zahl der verkauften Packungen sank in den ersten neun Monaten 1989 um 0,4 Prozent auf 940 Millionen.
~ Entschieden wies der BPI den Vorwurf der Spit- zenverbände der Kranken- kassen (insbesondere der Be- triebskrankenkassen) zurück, die Industrie konterkariere durch "kompensatorische Preiserhöhungen" ihre Um- satzverluste in jenen Markt-
segmenten, die noch nicht durch Festbeträge erfaßt wor- den seien. Auch der Vorwurf einer "Überkompensation"
sei abwegig; viellfach hätten die Preiserhöhungen lediglich 50 Prozent der Verluste wett- gemacht, so Nord.
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Der Zulassungsstand beim Bundes-gesundheitsamt Außerdem seien Preisan- hebungen eine legitime un- temehmerische Strategie und Ausfluß marktwirtschaft- Iicher Prinzipien, so unisono der Hauptgeschäftsführer des
BPI, Prof. Dr. med. Hans Rü-
diger Vogel, und der Vorsit- zende des BPI, Erik von Da- vidson, Mannheim. Zudem habe die Bundesregierung zu- letzt in einer Stellungnahme gegenüber dem Bundestags- ausschuß für Arbeit und So- zialordnung solche Preisreak- tionen kommentarneutral zur Kenntnis genommen. In eini- gen Fällen, so bei Insulinprä- paraten, seien auch höhere Einstandskosten bei den Rohstoffen mitverantwortlich für höhere Preise ab Beginn
Claudicat ®
retard
Wirkstoff: Pentoxifylin
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des zweiten Quartals 1989.
Für die Pharmaindustrie wer- den für das kommende und das darauf folgende Jahr har- te Bewährungsproben pro- phezeit. Davon seien auch Arbeitsplätze der mehr als 80 000 zumeist hoch qualifi- zierten Beschäftigen betrof- fen. Sorgen bereiten der Branche zur Zeit auch Ge- richtsentscheidungen, die es der pharmazeutischen Indu- strie erschwerten, ihre wirt- schaftliche Innovationskraft zu erhalten. Der BPI verwies in diesem Zusammenhang auf ein Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtes. Dies zeige sich auch bei den Urtei- len über die Untätigkeitskla- gen wegen des Zulassungs- staus beim Bundesgesund- heitsamt, die das Recht des Arzneimittel-Herstellers auf eine fristgemäße Bearbeitung seines Zülassungsantrages zwar bestätigt, den Zustand selbst aber nicht beeinflußt haben.
Nachhaltig unterstützt die Industrie eine Initiative auf EG-Ebene, wonach entweder die effektive, wirtschaftlich nutzbare Patentlaufzeiten verlängert oder ein Zusatz- schutz über spezielle Zertifi- kate erreicht werden soll.
Direkte Subventionen der Pharmaforschung und der Unternehmen lehnt die Bran-
che ab. HC
*) 100 Tabl. (N3) DM 49.10/Festbetrag ab 1.1.90 DM 63,69
Zusammensetzung: 1 Filmtablette enthält 400 mg Pentoxifyllin. Anwendungsgebiete: PeripherearterielleDurchblutungsstörungen im Stadium II nach Fontaine.
Gegenanzeigen: Frischer Herzinfarkt, M~ssenblutungen, Schwangerschaft. Treten Netzhautblutungen wahrend der Behandlung auf, 1st das Praparat abzusetzen.
Nebenwirkungen: Gelegentlich können Ubelkeit, Brechreiz, Völlegefühl, Magendruck, Schwmdel und Kopfschmerzen auftreten. Eme Unterbrechung der Behand- lung istjedoch nur in Ausnahmefällen erforderlich. Sehr selten wurde über Flush, Tachykardie, stenokardische Beschwerden oder Blutdruckabfall benchtet, vor allem nach höheren Dosen. Gegebenenfalls ist in diesen Fällen das Präparat abzusetzen oder eine Verringerung der Dosis in Erwägung zu ziehen. Vereinzelt Überempfindlichkeitsreaktionen der Haut (z. B. Juckreiz).
Wechselwirkungen: Die Wirkung blutdrucksenkender Mittel kann verstärkt werden (regelmäßige Kontrolle des Blutdrucks bei gleichzeitiger Gabe mit blutdruck- senkenden Mitteln). ggf. die Dosierung des blutdrucksenkenden Mittels anpassen. Bei Diabetikern u. U. Insulin-Dosis reduzieren. Handelstormen: Claudicat•
retard 20 Filmtabl. (N1) DM11,80; 50 Filmtabl. (N2) DM 29,10; 100 Filmtabl. (N3) DM 49,10. (Stand 11/89). Promonta, Harnburg
Dt. Ärztebl. 86, Heft 51/52, 25. Dezember 1989 (61) A-3969