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Archiv "Honorarproteste in Hamburg: „Keine Region wurde so ausgequetscht“" (23.11.2012)

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A 2338 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 47

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23. November 2012

HONORARPROTESTE IN HAMBURG

„Keine Region wurde so ausgequetscht“

Große Kundgebung am 7. November im Kongresszentrum: Wenn es nächstes Jahr in

Hamburg nicht erkennbar mehr Honorar gibt, wollen die Niedergelassenen weiter protestieren – und dies auch die Patienten spüren lassen.

unter Beifall. „Es gibt keine Regi- on, die so ausgequetscht wurde wie Hamburg.“ Seit 2008 seien die Kos- ten für die Praxen um elf Prozent gestiegen. Mehr Geld für die ein- zelne Praxis habe es dennoch nicht gegeben: „Diese Entwicklung ha- ben Sie aufgefangen oder Ihre Medizinischen Fachangestellten.“

Die KV fordert für das nächste Jahr 70 Millionen Euro beziehungs- weise elf Prozent mehr Honorar.

Warum, das erläutert der KV-Vor- standsvorsitzende, Dieter Bollmann:

Allein als Ausgleich für die gestie- genen Praxiskosten sei eine Erhö- hung des Orientierungswerts um 5,5 Prozent geboten.

Mehr Honorar extrabudgetär Weitere 1,5 Prozent mehr benötige man, um den zusätzlichen Aufwand infolge der gestiegenen Morbidität auszugleichen. Bollmann verlangt darüber hinaus 1,5 bis zwei Prozent zusätzlich, um Zuschläge für die Arztgruppen vorzusehen, die die Grundversorgung sichern. Der Rest soll hinzukommen, indem die Kran - kenkassen an Honorarabsprachen anknüpfen, wie es sie bis 2008 gab.

Damals wurden in Hamburg unter anderem psychotherapeutische Leis - tungen vollständig extrabudgetär bezahlt. Die KV verlangt zudem, dass in Zukunft alle Haus- und Heimbesuche außerhalb des Bud- gets bezahlt werden.

Rasch hintereinander werden drei Anträge angenommen: Die Vollversammlung verurteilt die Blockadehaltung der Kassen und spricht sich für Aktionen aus, wenn diese nicht einlenken. Die KV soll die Verhandlungen als gescheitert erklären, wenn bis zum 21. Novem- ber kein annehmbares Angebot vor- liegt. Gegebenenfalls soll es eine Urabstimmung geben, um über

weitere Proteste bis hin zu Praxis- schließungen zu entscheiden.

Die Proteststimmung hat nicht nur etwas mit der ablehnenden Hal- tung der Kassen zu tun. Die KV im Norden beklagt seit Jahren, zu den Verlierern der letzten bundesweiten Honorarreform zu gehören. Ihr sei- en in den zurückliegenden vier Jah- ren 50 Millionen Euro vorenthalten worden, hatte Späth Ende 2011 im

„Hamburger Ärzteblatt“ moniert.

Der stellvertretende KV-Vorstands- vorsitzende, Walter Plassmann, hat- te damals betont: „Das große Pro- blem ist, dass wir als KV Hamburg eine Versorgungsstruktur haben, die mit keinem anderen KV-Gebiet ver- gleichbar ist.“

Damit wurde ein strittiges The- ma angesprochen: Pochen Ärzte in Großstädten und Zentren zu Recht auf mehr Honorar, weil sie viele Pa- tienten aus dem Umland versorgen, ambulante Medizin auf höchstem Niveau bieten und Krankenhaus- einweisungen vermeiden? Oder soll mehr Geld in Regionen fließen, wo die Versorgung nur mit viel Auf- wand sicherzustellen ist und viele Alte leben? Der Sachverständigen- rat zur Begutachtung der Entwick-

„Saure“ Ärzte:

Hintergründe zu den Auseinander- setzungen mit den Kassen findet man auf der Website, die so heißt wie die Kampagne. Aus- führlicher Bericht unter: www.aerzte blatt.de/122338.

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er Saal ist absolut voll!“, ruft Dr. med. Michael Späth. „Ich bin richtig stolz auf Sie!“ Sie – das sind circa 1 500 Hamburger Ärzte, Psychologische Psychotherapeuten und ihre Praxismitarbeiterinnen, die der Vorsitzende der Vertreter - versammlung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hamburg im Kongresszentrum (ICC) zu einer Vollversammlung begrüßt. Viele haben sich Sticker mit dem Motiv der Kampagne angesteckt, wegen der sie hier sind. Sie zeigen eine ausge quetschte Zitrone, die für die Parole ihres Protests steht: „Kassen pressen Praxen aus.“

Anderswo mögen die Proteste verebbt sein, hier dauern sie an. Die Krankenkassen hätten in zwei ers- ten Verhandlungsrunden angekün- digt, das Honorarvolumen nicht er- höhen zu wollen, heißt es vonseiten der KV. Die Kassen schildern die Lage anders: „Die Hamburger Ärz- te sollen an den auf Bundesebene beschlossenen Vergütungserhöhun- gen teilhaben – das ist vollkommen unstrittig“, sagt Matthias Mohr- mann, Mitglied des Vorstands der AOK Rheinland/Hamburg. Für For- derungen in Höhe von etwa 70 Mil- lionen Euro mehr hat er kein Ver- ständnis: „Das ist das Dreifache dessen, was auf Hamburg gemäß der Einigung auf Bundesebene ent- fallen würde.“

Praxiskosten: Plus elf Prozent Die Protestierenden sind anderer Ansicht. „Es geht um mehr als das Honorar! Es geht um die generelle Anerkennung der ärztlichen und psychotherapeutischen Tätigkeit und um die umfassende Bereit- schaft der Kassen, die nötigen Mit- tel zur Verfügung zu stellen, um diese Tätigkeit auf hohem Niveau sicherstellen zu können“, ruft Späth

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23. November 2012 A 2339 lung im Gesundheitswesen geht in

seinem jüngsten Gutachten auf re- gionale Unterschiede ein. Beispiel Asthma bronchiale: In Berlin gehen 7,62 kranke Männer pro 100 000 Einwohner in die Notaufnahme, in Nordrhein-Westfalen 20,26. Bei- spiel Diabetes mellitus: Die neuen Länder weisen mehr Krankenhaus- einweisungen und eine größere Anzahl an Amputationen auf als die alten (Bezug: Wohnort des Pa- tienten). Der Rat schließt daraus:

„In Gegenden mit vielen bezie- hungsweise ausreichend niederge- lassenen Ärzten werden Diabetiker seltener wegen einer chronischen Komplikation ins Krankenhaus eingeliefert.“

Das Zentralinstitut für die kassen- ärztliche Versorgung in Deutsch- land (ZI) hat unlängst festgestellt, dass Berlin, Bremen und Hamburg die größten Mitversorger von Pa- tienten aus dem Umland sind. Mehr Geld also für die Metropolen?

Nachfrage- und angebotsseitige Einflussfaktoren seien aufs Engste miteinander verknüpft, heißt es beim ZI diplomatisch. Einfacher gesagt: Bestimmte Regionen ver - fügen nicht nur über ein umfassen- des ambulantes Angebot, weil die Nachfrage so groß ist – die Patien- ten kommen auch, weil alles gebo- ten wird, was machbar ist.

Für die protestierenden Ärzte und Psychologischen Psychothera- peuten im ICC spielen solche Ver- gleiche am 7. November keine Rol- le. Sie erwarten mehr Wertschät- zung und mehr Honorar – bald.

Sabine Rieser

Quelle: JS illustration

M

it dem Gesundheitsfonds ist der Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen weitgehend zum Erliegen gekom- men. Denn seither ist die Beitrags- höhe bei allen Kassen gleich. Die einige Jahre später eingeführten Zusatzbeiträge waren zwar als Element zur erneuten Stärkung des Wettbewerbs gedacht, nachdem sie anfangs zu großen Wanderungsbe- wegungen der Versicherten geführt haben, bleiben sie nun aber, in Zeiten, in denen selbst finanziell an geschlagene Kassen Rücklagen gesammelt haben, ohne Effekt.

Homöo- und Osteopathie Um den Wettbewerb wieder zu be- feuern, hat die Regierung die Kas- sen im GKV-Versorgungsstruktur- gesetz dazu berechtigt, ab Januar 2012 neue Satzungsleistungen zu erlassen. Dazu gehören die Berei- che Prävention, künstliche Befruch- tung, Zahnbehandlung, nichtver- schreibungspflichtige Arzneimittel, Heilmittel, Hilfsmittel, häusliche Krankenpflege, Haushaltshilfe, me- dizinische Rehabilitationsleistungen und Leistungen nicht zugelassener Leistungserbringer.

Dass zurzeit tatsächlich viele Kassen ihre Satzungsleistungen er-

weitern, liegt insbesondere an ihren beständig steigenden Rücklagen.

So zahlt die Techniker-Krankenkas- se (TK) ihren Versicherten seit Jahresbeginn zum Beispiel bis zu 100 Euro für homöopathische, an- throposophische und andere pflanz- liche Arzneimittel, wenn diese apo- thekenpflichtig sind. Die Barmer- GEK wird ab 2013 einen Zuschuss von maximal 100 Euro für osteopa- thische Leistungen gewähren. Und die AOK-plus aus Thüringen und Sachsen bietet 40 Euro im Jahr für eine professionelle Zahnreinigung.

Aber auch kleinere Kassen haben ihre Portfolio erweitert. Die Bosch- BKK bietet ab dem kommenden Jahr die Vergütung der Rufbereit- schaft von Hebammen oder Ge- burtsvorbereitungskursen mit Part- ner. Und die Heimat-Krankenkasse zahlt ebenfalls für die Osteopathie 240 Euro oder 80 Euro für individu- elle Früherkennungsuntersuchungen wie die Messung des Augeninnen- drucks oder die Bestimmung des PSA-Werts.

Die Kassen selbst sind mit der neuen Rechtslage zufrieden. „Die Reaktionen der Versicherten sind überwiegend positiv“, teilt die TK mit. Und die AOK-plus betont, alle Satzungsleistungen würden sehr gut SATZUNGSLEISTUNGEN DER KRANKENKASSEN

Hauptsache Wettbewerb

Weil sie es sich leisten können, erweitern viele Krankenkassen derzeit ihr Leistungsportfolio.

Was davon wirklich nutzt, ist dabei unklar.

Wachsender Beliebtheit erfreut sich derzeit

die Osteopathie.

Ob sie tatsächlich etwas nutzt, gilt bislang nicht als belegt.

Foto: picture alliance

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