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Archiv "Behandlungsfehler: Bemühungen um Transparenz" (27.06.2014)

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A 1192 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 26

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27. Juni 2014

Ü

ber die Gesamtzahl der Be- handlungsfehler in Deutsch- land gibt es keine exakten Daten, was darauf zurückzuführen ist, dass unterschiedliche Register nebenei- nander geführt werden und das Ausmaß der nicht bemerkten oder nicht gemeldeten Behandlungsfeh- ler nicht bekannt ist. Bei der Vor- stellung der Daten der Gutachter- kommissionen und Schlichtungs- stellen der Ärztekammern für das Jahr 2013 kritisierte Dr. med. An- dreas Crusius, Präsident der Ärzte- kammer Mecklenburg-Vorpommern, das Verhalten der Krankenkassen, die gleichwohl auf völlig unzurei- chender Datengrundlage Aussagen zur Behandlungsfehlerhäufigkeit in Deutschland machten und die Pa- tienten mit solchen politisch moti- vierten Kampagnen verunsichern würden.

Crusius, der Vorsitzender der Ständigen Konferenz der Gutach- terkommissionen und Schlich- tungsstellen ist, verwies bei der Pressekonferenz der Bundesärzte- kammer „Fehlerhäufigkeiten und Fehlerursachen in der Medizin“ am 23. Juni in Berlin auf den „bemer- kenswerten Sachverhalt, dass, trotz des Anstiegs der Behandlungsfälle insgesamt, die Zahl der festgestellten Fehler in den vergangenen Jahren konstant geblieben ist“. Von 2012 nach 2013 sei die Zahl der Anträge bei den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen sogar leicht gesunken, ergänzte Rechtsan- walt Johann Neu, Geschäftsführer der Schlichtungsstelle für Arzthaft- pflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern. „Die Patienten füh- len sich offenbar gut behandelt; sie sind zufrieden“, folgerte er.

Bedingt durch die demografische Entwicklung sei die Zahl der ambulanten Behandlungsfälle in Deutschland zwischen 2004 und 2012 um 136 Millionen auf fast 700 Millionen jährlich angestiegen. Die Zahl der stationären Fälle habe sich um 1,8 Millionen auf 18,6 Millio- nen erhöht. Zudem habe, führte Crusius aus, die Arbeitsintensität bei weniger zur Verfügung stehen- den Arztstunden in den vergange- nen Jahren enorm zugenommen.

Überlange Arbeitszeiten und stän- diger Leistungsdruck erhöhten die Fehlerwahrscheinlichkeit. Crusius:

„Ich will nichts relativieren. Jeder Behandlungsfehler ist einer zu viel, aber ich möchte die Dinge einord- nen. Wir kehren nichts unter den Tisch. Wir machen unsere Fehler seit Jahren öffentlich.“ So würden beispielsweise die Ärztekammern BEHANDLUNGSFEHLER

Bemühungen um Transparenz

Ein offener Umgang mit Komplikationen und Fehlern ist unabdingbar. Dieser Forderung sehen sich auch die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärztekammern verpflichtet. Die Auswertung ihrer Daten für das Jahr 2013 zeigt nur wenige Veränderungen gegenüber dem Vorjahr.

Foto: mauritius images

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27. Juni 2014 A 1193 mit den Daten der Gutachterkom-

missionen und Schlichtungsstellen bereits zum achten Mal vor die Presse treten.

Besonders wehrte sich Crusius dagegen, dass Fehler von Ärzten von einigen Medien häufig mit dem Schlagwort „Ärztepfusch“ gleich- gesetzt werden. „Zu Pfusch gehört auch immer eine gewisse Gleich- gültigkeit gegenüber den Auswir- kungen des eigenen Handelns. Es wäre falsch und unredlich, Ärzten eine solche Haltung zu unterstel- len“, betonte der Kammerpräsident.

Die gelegentlich in den Medien he- rausgestellten Fälle, bei denen etwa bei einer Amputation das Bein ver- wechselt oder am Krankenbett das Medikament verwechselt wurde, seien bedauerliche Einzelfälle, stünden aber nicht beispielhaft für die Fälle, die von den Gutachter- kommissionen und Schlichtungs- stellen bearbeitet würden. Dort wer- de es aufgrund komplexerer Be- handlungsabläufe immer an- spruchsvoller, „die Ursachen von Komplikationen zweifelsfrei fest- zustellen“.

So zeigten die bearbeiteten Fälle, dass Komplikationen oder uner- wünschte Behandlungsergebnisse eine Fülle von Ursachen in Wech- selwirkungen haben können. „Nicht jeder therapeutische Misserfolg ist ein Behandlungsfehler“, stellte Crusius klar. Häufig führten die Be- gleiterscheinungen der Krankheit an sich zu Problemen, die nicht zu vermeiden wären.

Gegenüber dem Jahr 2012 ist die Zahl der Anträge bei den Gutachter-

kommissionen und Schlichtungs- stellen 2013 nahezu konstant ge- blieben (12 232/12 173). Diese tra- fen 2013 insgesamt 7 922 Entschei- dungen, wobei das Schwergewicht im Krankenhausbereich lag. Auf den niedergelassenen Bereich entfielen 2 385 Entscheidungen der Gutach- terkommissionen und Schlichtungs- stellen. Zum Vergleich: 672 Millio- nen Behandlungskontakte gab es dort im Jahr 2012.

„Nur in 1 864 Fällen (23,5 Pro- zent) wurde ein Behandlungsfehler und ein daraus resultierender Ge- sundheitsschaden festgestellt, der einen Anspruch des Patienten auf Entschädigung begründet“, erklärte Neu. In 379 Fällen gab es zwar laut Feststellung der Gutachterkommis- sionen und Schlichtungsstellen ei- nen Behandlungsfehler, es konnte jedoch keine Kausalität zu dem gel- tend gemachten Schaden erkannt werden. In 5 679 Fällen (71,7 Pro- zent) konnte kein Behandlungsfeh-

ler festgestellt werden. Die häufigs- ten Diagnosen, die zu Behand- lungsfehlervorwürfen führten, wa- ren wie in den Vorjahren Knie- und Hüftgelenkarthrosen sowie Unter- schenkel- und Sprunggelenkfraktu- ren. Im niedergelassenen Bereich lagen die Fehlerschwerpunkte ins- besondere in der Diagnostik, vor al- lem bei den bildgebenden Verfah- ren. Im Krankenhaus kommt es bei den Operationen am häufigsten zu Fehlern.

Die seit 1975 bei den Ärztekam- mern eingerichteten Gutachterkom- missionen und Schlichtungsstellen bieten in einem gebührenfreien Ver- fahren eine Begutachtung durch un- abhängige Experten und außerge- richtliche Streitschlichtung bei Be- handlungsfehlervorwürfen an. „Das medizinische Gutachten ist das Kernstück des Arzthaftungsverfah- rens“, erläuterte Prof. Dr. med. Wal- ter Schaffartzik, Vorsitzender der Schlichtungsstelle für Arzthaft- pflichtfragen der norddeutschen Ärztekammern. Es setze medizini- sche Fachkompetenz und die Kenntnis der Rechtsgebiete voraus.

In rund 90 Prozent der Fälle würden die Entscheidungen der Gutachter- kommissionen und Schlichtungs- stellen von beiden Parteien akzeptiert und die Streitigkeiten beigelegt.

Werde doch noch der Rechtsweg beschritten, würden die Entschei- dungen der Schlichtungsstellen und Kommissionen überwiegend bestä- tigt, erklärte er.

Zufrieden mit den medizinischen Gutachten der Gutachterkommis- sionen und Schlichtungsstellen zeigte sich auch der Berliner Pa- tientenanwalt Frank Teipel: „Die Schlichtungsstelle ist häufig der schnellste Weg zu einem guten und qualitativ hochwertigen Gutach- ten“, sagte er. „Ich empfehle ihn oft meinen Mandanten.“ „Aus den Er- gebnissen der Schlichtungsstellen können wir zudem Schwerpunkte für Fehler erkennen“, betonte zu- dem Neu. Diese würden für Fortbil- dungs- und Qualitätssicherungsver- anstaltungen aufbereitet, um Strate- gien zur Fehlervermeidung zu ent-

wickeln.

GRAFIK 2

Die Krankheiten, die in den 7 922 Sachentscheidungen im Jahr 2013 im Krankenhausbereich am häufigsten fehlbehandelt wurden

Schulter-/

Oberarmfraktur Femurfraktur Unterarmfraktur Gonarthrose Unterschenkel-/

Sprunggelenkfraktur Coxarthrose

40 43

45

57 64

73

50 75

0 25

111 323 Behandlungsfälle 2012 in D 166 859 Behandlungsfälle 2012 in D 134 554 Behandlungsfälle 2012 in D 196 528 Behandlungsfälle 2012 in D 136 007 Behandlungsfälle 2012 in D 161 276 Behandlungsfälle 2012 in D

GRAFIK 1

Die am häufigsten beteiligten Fachgebiete im Krankenhausbereich 2013

Unfallchirurgie/

orthopädie

Allgemein -

chirurgie

Innere Medizin

Frauen -

heilkunde

Neurochirurgie

Gesamt: 6 498 Antragsgegner im Krankenhausbereich 2 148

1 081 392 528

262

Thomas Gerst Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann

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