Befragung bzw. Erhebung vs qualitative Interviews
Befragung
+ Geeignet für größere Anzahl (großes „n“) + Teil- bis Vollstandardisierung möglich
+ Relativ einfache Durchführbarkeit und Auswertung (Beispiel Feedbackbogen)
- Nur für bestimmte („einfache“) Forschungsfragen sinnvoll
Qualitative Interviews
+ Geeignet für Befragung von wenigen Experten (kleines „n“) + Erfassung komplexer Sachverhalte
- Durchführung und Auswertung sind mit höherem Aufwand verbunden
Entwurf eines Fragebogens
• Was will erreichen? Wen will ich befragen? Art der Befragung: selbst befragen vs. „auslegen“. Wo findet die Befragung statt (wichtig für zur Verfügung stehenden Zeit)?
• Zunächst Standartfragen: Alter (Spanne), Geschlecht, eventuell Einkommen (Spanne)
• Vom Einfachen zum Komplexen („erstmal aufwärmen“)
• Überlegen wann offene Fragen und wann geschlossene:
• Offene Fragen (wer, was, wann, wie, wo, …):
• Hohe Freiheit für den Befragen
• Erfassung komplexerer / unerwarteter Zusammenhänge (meinst zum Ende der Befragung)
• Länger in der Auswertung
• Geschlossene Fragen (ja/nein, Spanne)
• Kaum Freiheit für den Befragen (aber einfacher/schneller)
• Erfassung einfacher Zusammenhänge / Vorhersehbarkeit
• Schneller in der Auswertung
Beispielfragebogen
Beispielfragebogen
Merkmale qualitativer Interviews
• Sie erfolgen im Milieu des Befragten
• Begrenzte Vorformulierung und Abfolge der Fragen
• Einsatz offener Fragen („W-Fragen“)
• Erfordern höhere Kompetenz der Interviewer
• Stellt höheren Anspruch an Interviewpartner
• Vertraulich und freundlich-kollegiale Atmosphäre
• Offene Gesprächstechnik; Interviewer ist
„anregend passiv“
• Video- oder Tonaufzeichnung
Verschiedene Typen qualitativer Interviews
• Rezeptives Interview: Interviewer ist Zuhörer, der nur Grundverständnis aber keine Hypothese hat
• Narratives Interview: Interviewer hat kein wissenschaftliches Konzept, Interviewpartner „erzählt erstmal“
• Problemzentriertes Interview: Interviewer hat theoretisches Konzept, das erstmals mit Wirklichkeit konfrontiert und
weiterentwickelt wird
• Fokussiertes Interview: Interviewer hat Hypothese. Es geht um konkreten Sachverhalt. Gruppenverfahren.
• Tiefen- oder Intensivinterview: Interviewpartner wird mit Theorien konfrontiert. Psychoanalyse.
Sehr offen
wenig offen
Problemzentriertes Interview
• Problemzentrierung: untersucht gesellschaftlich relevantes Problem
• Halbstrukturiert: Interviewer erhält sich Flexibilität anhand eines Leitfadens
• Vorarbeit: Interviewer hat bereits Wissen über den Untersuchungsgegenstand (Literaturrecherche)
• Anwendbarkeit: In Kombination mit anderen Interviewformen anwendbar
Interviewleitfaden: Leitfragen und Phasen
• Leitfragen:
• Was will erreichen?
• Wen will ich befragen?
• Wo findet die Befragung statt (wichtig für zur Verfügung stehenden Zeit)?
• Phasen
1. Gesprächseinstieg: „In Ihrer Funktion als…“ (schätzende Bemerkung)
2. Allgemeine Sondierung: „Was passiert da im Einzelnen“
(Nachfragen)
3. Spezifische Sondierung: „Habe ich sie richtig verstanden…“
(Widerspiegeln, Rückmelden, Interpretieren, Konfrontation des Interviewpartners mit Widersprüchen und Ungereimtheiten)
4. Ad-hoc-Fragen: Fragen, die der Leitfaden nicht vorgesehen hat, sich aber aus dem Interviewverlauf ergeben
Beispielleitfaden
Hypothese: „Die ostdeutsche Arbeitsmarktpolitik ist
ineffizient“
Klassische Fehler qualitativer Interviewführung
Was für Fehler könnten gemacht werden? [Sammeln]
• Planungsfehler: der Leitfaden ist für die zur Verfügung stehende Zeit zu lang
• „Dominator“: Tendenz eines dominierenden Kommunikationsstils des Interviewers (suggestive Fragen, bewertende und
kommentierende Aussagen)
• Fehlende Geduld beim Zuhören
• Starrheit im Umgang mit dem Leitfaden
• Abschweifen vom Thema
Regieanweisung zur Interviewführung
• Dem Gesprächspartner klar machen, um was es geht (Zweck) und wie es geht (wer? wo? wie lange?)
• Ein gutes Klima schaffen; entspannt sein und versuchen, den Gegenüber zu verstehen.
• Nicht die eigene Position darstellen, sondern dem
Gesprächspartner die Möglichkeit geben sich verständlich zu machen.
• Balance finden zwischen Informationsgewinn und Respekt des Interviewpartners
• Kurze, leicht verständliche Fragen stellen (Forschungsfragen sind keine Interviewfragen!)
• Sich in die Lage des Interviewpartners hineinversetzen
• „naiv“ stellen und sich Begriffe, Vorgänge, Situationen erklären lassen
• Stets (in jedem Fall am Ende des Interviews) die Dankbarkeit ausdrücken
Sonstiges / Fragen
Literatur
• Bortz, J. und Döring (2002): Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler. Berlin. Springer.
• Boyce, D. (2004): A short history of the field of regional science.
Papers in Regional Science 83, 31-57
• Fuchs-Heinritz, W., Lautmann, R., Rammstedt, O. und Wienold H.
(1994): Lexikon zur Soziologie. Westdeutscher Verlag. Opladen.
Wessel, K. (1996): Empirisches Arbeiten in der Wirtschafts- und Sozialgeographie. Schöningh. Paderborn.
• Häder, M. (2006): Empirische Sozialforschung – Eine Einführung.
VS Verlag für Sozialwissenschaften. Wiesbaden.
• Lamnek, S. (1995): Qualitative Sozialforschung. Beltz. Weinheim.
• Reuber, P. und C. Pfaffenbach (2005): Methoden der empirischen Humangeographie. Westermann. Braunschweig.