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TITEL Krieg der Fette

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TITEL Krieg der Fette

Fotos: Nicole Dietzel Illustration: ThomasVogel/getty images

Gold oder Gift?

Streit ums Speiseöl

Fett ist ein wichtiger Geschmacksträger. Doch wie fällt das Urteil über Öle aus gesundheitlicher Sicht aus? Unter Ernährungsgurus herrscht seit Jahrzehnten Uneinigkeit über die Güte von Fettsäuren, Herstellungsmethoden

und Speiseölsorten. Höchste Zeit Klarheit zu schaffen.

TEXT: SIMONETTA ZIEGER

(2)

19 Magazin 11·2020

Fotos: Nicole Dietzel Illustration: ThomasVogel/getty images

U

nbeschwert essen und genießen?

Schön wärʼs. Oft erscheint die ganz normale Nahrung als riesige Gefahr. „Wir Menschen dämonisieren be- stimmte Lebensmittel- oder Nährstoff- gruppen. Sie sind dann die Feinde unserer Gesundheit. Wenn wir krank oder dick werden, sind sie daran schuld – nicht wir selbst“, sagt der Ernährungspsychologe Christoph Klotter. Welchen Dämon die Er- nährungswissenschaft gerade am stärks- ten bekämpft, wechselt. „Vor 30 Jahren stellte Fett eine gefürchtete Bedrohung für die schlanke Linie dar. Heute gibt es sogar Diäten, die mithilfe von Fetten Abnehm- erfolg versprechen“, sagt Klotter. Beim Thema Fette und Speiseöle scheiden sich nach wie vor die Geister. Bedroht Fett die Figur? Sind gesättigte Fette Herzkiller?

Wie steht es um Oliven-, wie um Kokosöl?

Der Kampf ums Fett tobt auf vielen Schau- plätzen gleichzeitig.

Fette, Proteine, Kohlenhydrate. Aus diesen Makronährstoffen besteht unsere Nah- rung. Sie sind es, die uns mit Energie ver- sorgen. Im täglichen Sprachgebrauch ist von Kilokalorien (kcal) die Rede. Bei den Proteinen und Kohlenhydraten sind es 4,1 kcal pro Gramm. Fett ist mit 9,3 kcal pro Gramm der energiereichste Nährstoff.

„Dieser Fakt sowie Forschungszufälle in den 80er Jahren führten zu dem Schluss:

Fett macht fett. Endlich gab es einen wis- senschaftlich gesicherten Übeltäter für Übergewicht“, sagt Klotter. Das habe den Aufstieg der Low-Fat-Bewegung befördert.

Doch obwohl fettreduzierte Lebensmittel beliebter wurden, nahm die Zahl der Über- gewichtigen unbeirrt zu. Es folgten wissen- schaftliche Diskussionen, die Veröffentli- chung weiterer Forschungsergebnisse und schließlich ein Paradigmenwechsel: Fett- arme Lebensmittel machen nicht unbe- dingt schlank. Oder umgekehrt: Fett macht nicht zwangsläufig fett. Die populistische Annahme, dass sich aufgenommene Spei- sefette und Öle im Handumdrehen in menschliches Fettgewebe verwandeln, ge- riet in den Hintergrund der Debatten.

So veröffentlichte die Deutsche Gesell- schaft für Ernährung (DGE) zuletzt im Jahr 2015 Leitlinien zum Fettkonsum, in denen sie zahlreiche Studien analysierte. Das Er- gebnis: Die Entstehung von Übergewicht hängt von der aufgenommenen Kalorien- menge ab. Ob diese aus Fett, Proteinen oder Kohlenhydraten stammt, ist wahrschein- lich nicht relevant. Beim Verstoffwechseln haben Fette sogar Vorteile gegenüber Koh- lenhydraten. Zum einen sät tigen sie nach-

haltiger, weil der Körper sie langsamer ver- daut. Zum anderen verzögern sie die Insulinausschüttung und vermeiden da- durch Heißhungerattacken.

Fazit:

Freispruch fürs Fett! Es hat zwar die höchs- te Kaloriendichte aller Nährstoffe, macht aber länger satt. Zudem fehlt die wissen- schaftliche Evidenz, dass ein hoher Fett- konsum mit hohem Körpergewicht korre- liert. Was letztlich zählt, ist die Gesamt- Kalorienzufuhr.

Fette sättigen nachhaltiger als Kohlenhydrate, weil

der Körper sie langsamer verdaut.

Christoph Klotter ist Gesundheits- und Ernährungs- psychologe. Er lehrt als Professor für Öko-

trophologie an der Hochschule Fulda.

Wie kommt es, dass die Diskussionen um Fette und

Speiseöle anhalten?

„Der eigene Ernährungsstil ist das Aushängeschild nach außen. Dazu gehört auch die Wahl des Speiseöls.

Um das Gute wählen zu können, braucht es natürlich das Gegenstück:

etwas Schlechtes. Bei den Fetten war dies lange Zeit einfach: gesättigte Fette sind böse, ungesättigte gut!

Welcher Trend gerade mehr Öffent- lichkeitswirbel bekommt, beruht nicht unbedingt auf reiner Wissen- schaft, sondern auch auf Zufall oder gelungenem Marketing einzelner Er- nährungsgurus. Gelangen schließ- lich neue Forschungsergebnisse in den Blick der Öffentlichkeit, kann sich die Dämonisierung verschieben. Die Diskussion um Speiseöle wird also andauern.“

SCHAUPLATZ 1:

Kampf der Nährstoffe:

Macht Fett dick?

Titel_Gold oder Gift.indd 19 15.10.2020 14:01:07

(3)

TITEL Krieg der Fette

Lange galten gesättigte Fette als böse, weil herzschädigend. Ungesättigte Fettsäuren galten als gut, weil entzündungshemmend, gefäßschützend und nervenstärkend. Das hat durchaus gute Gründe. Caroline Stokes, Leiterin der Forschungsgruppe Nährstoffe und Gesundheit am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam-Rehbrü- cke, sagt: „Gesättigte Fette erhöhen den Cholesterin-Spiegel, was zu Arteriosklero- se, Herzerkrankungen und Schlaganfällen führen kann. Ungesättigte Fette werden hingegen zu potenziell gesundheitsförder- lichen Signalmolekülen (sogenannten Ei- cosanoiden) umgewandelt.“

Bedeutet das die Niederlage für gesättig- te Fette? Jein! Im Jahr 2010 sorgte eine Meta- analyse für eine Unterbrechung der Hetzjagd auf die gesättigten Fette: Anhand von 21 Studien fand Patty Siri-Tarino mit ihrem Team keine signifikante Evidenz, dass ge- sättigte Fette das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöhen. Selbiges beschreibt ein Review vom Juni 2020. Der Autor Jeffery Heileson fordert daher die American Heart Association dazu auf, ihre Empfehlungen bezüglich gesättigter Fette erneut zu über- arbeiten. Die Lager bleiben getrennt. Wäh- rend die Mehrheit der Wissenschaftler ge- sättigte Fette nach wie vor verteufelt, sprechen andere sie teilweise frei.

Omega-3 und Omega-6

Ähnlich große Diskussionen herrschen um einfach und mehrfach ungesättigte Fett- säuren. Den besten Ruf haben die Ome- ga-3- und Omega-6-Fettsäuren, die zur Kategorie der mehrfach ungesättigten Fettsäuren gehören und neben Seefisch auch in Pflanzenöl in verschiedenen An- teilen enthalten sind. Obwohl der Körper sie nicht selbst bilden kann – sie also es- senziell sind –, kommt es auf das Misch- verhältnis bei der Aufnahme an, ob sie gesundheitsförderlich wirken oder nicht.

Denn während beispielsweise die Eicosa- noide aus Omega-3-Fettsäuren entzün-

SCHAUPLATZ 2:

Nieder mit den gesättigten Fettsäuren

Gesättigte Fette

Einfach ungesättigte Fette Mehrfach ungesättigte Fette

OMEGA-6- ZU OMEGA-3-FETT- SÄURE-VERHÄLTNISSE:

Sonnenblumenöl: 126:1 Rapsöl: 2:1 Olivenöl: 9:1

Leinöl: 1:4 Kokosöl: nicht

relevant 8 %

27 %

65 %

8 % 60 % 32 %

16 %8 %

76 % 92 %

6 %2 % 19 %

73 %

8 %

Die Mischung macht ʼ s!

Fast wie ein individueller Fingerabdruck enthält jedes Pflanzenöl seine spezifische Kom- bination aus gesättigten, einfach und mehrfach ungesättigten Fetten (das sogenannte Fettsäuremuster). Bei Letzteren ist das Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren von Bedeutung. 5:1 gilt als perfekte Mischung für die Gesundheit.

Rapsöl Olivenöl Leinöl Kokosöl

Sonnen- blumenöl

Mittlere Fettsäurezusammensetzung in Prozent

Kleiner Unterschied – große Wirkung:

Gesättigte und ungesättigte Fettsäuren im Profil

Kohlenstoffatom Wasserstoffatom Sauerstoffatom

Quellen:

Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen e.V.; öl-kontor.de;

Sabine Krist: Lexikon der pflanzlichen Fette und Öle. 2. Auflage, Springer, 2013;

Hans-Jochen Fiebig, Bertrand Matthäus, Kirsten Schiekiera: Warenkunde Öl. Stiftung Warentest, 2016

Doppelbindung Einfach

ungesättigte Fettsäure

Mehrfach ungesättigte

Fettsäure Einfachbindung

Gesättigte Fettsäure

Doppel- bindungen Einfachbindung

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Magazin 11·2020

Bring Bio

in deine Tasse.

dungshemmend wirken, die Blutgefäße und Bronchien erweitern, das Blut flüssiger machen und die geistige Leistungsfähig- keit steigern können, stufen Experten ein Zuviel an Eicosanoiden aus Omega-6-Fett- säuren schlechter ein, weil sie jeweils Ge- genteiliges bewirken. Da beide Fettsäuren für die Bildung von Eicosanoiden um die gleichen Enzymsysteme konkurrieren, empfehlen Fachgesellschaften ein Ome- ga-6- zu Omega-3-Fettsäureverhältnis von 5:1. So werden die Signalmoleküle in einer ausgewogenen Mischung produziert. Wäh- rend Rapsöl diesem Verhältnis sehr nahe kommt, weicht Sonnenblumenöl wegen seines hohen Gehalts an Omega-6-Fett- säuren stark davon ab. Experten empfehlen daher mehr Raps- und weniger Sonnen- blumenöl.

Fazit:

Ungesättigte scheinen gesättigten Fettsäu- ren überlegen. Bei der Aufnahme ungesät- tigter Fettsäuren spielt die Zusammenset- zung eine Rolle. Am besten: Verschiedene Pflanzenöle im Wechsel verwenden.

Ketogene Diät

WISSEN

Low carb, high fat – so lässt sich die fettbetonte, ke- togene Ernährungsform beschreiben. Kohlenhyd- rate werden auf ein Minimum beschränkt, der Pro- teinbedarf gedeckt und die restliche Energie in Form von Fett aufgenommen. Ziel ist es, den Körper in den Hungerstoffwechsel zu versetzen – die sogenannte Ketose. Um Gehirn, Organe und Muskeln trotzdem mit lebenswichtiger Energie zu versorgen, nutzt der Körper Fette. Diese können aus Nahrung genauso wie aus Fettzellen zur Verfügung gestellt werden. Die DGE rät jedoch von Keto-Abmagerungskuren ab.

Durch die Einschränkung der Lebensmittelauswahl könne es zu Nährstoffmängeln und neurologischen Schäden kommen.

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TITEL Krieg der Fette

Fotos: BanksPhotos/getty images; zeljkosantrac/getty images; C. Schranner / Leibniz-LSB@TUM

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Nur für kurze Zeit!

Bei diesem Kampf geht es nicht nur um bio-chemische Diskussionen, sondern zu- sätzlich um Geschmack und Einsatzmög- lichkeiten der Speiseöle.

Bei Kaltpressung wird aus Samen, Früchten oder Nüssen einzig durch mecha- nische Verfahren Öl gewonnen. Zusätzlich dürfen Hersteller laut Deutschem Lebens- mittelbuch die Samen waschen, schälen rösten oder dämpfen. Verzichten sie auf Röstung oder Dämpfung, dürfen sie das Öl als „nativ“ bezeichnen. Der größte Vorteil der Kaltpressung liegt im – jeweils für den Rohstoff typischen – Geschmack. Olivenöl kann zum Beispiel an frisches Gras oder Artischocken erinnern, während Rapsöl saatig-nussige Noten hat. Auch sekundäre Pflanzenstoffe bleiben bei der Kaltpres- sung erhalten. Im Rahmen einer Heißpres- sung mit anschließender Raffination set- zen die Hersteller die Rohstoffe hohen Temperaturen und chemischen Lösungs- mitteln aus, um die Fette zu extrahieren und zu reinigen. Die fertigen Öle weisen zwar das gleiche Fettsäuremuster wie ihre kalt gepressten Pendants auf, sind aber ge-

SCHAUPLATZ 3:

Kalt gepresste gegen raffinierte Öle

Kalt gepresste Öle sind aromatisch.

Olivenöl kann an frisches Gras und Artischocken erinnern,

Rapsöl hat saatig- nussige Noten.

schmacksneutral und schwächer gefärbt.

Sie überzeugen durch hohe Hitzebestän- digkeit und lange Haltbarkeit. Dass raffi- nierte Öle zudem kostengünstiger sind, hat mit dem höheren Ertrag zu tun, der bei dieser Methode erzielt wird.

Fazit:

Ein klares Unentschieden! In kalt gepress- ten nativen Ölen bleiben Aroma und se- kundäre Pflanzenstoffe erhalten. Sie eig- nen sich vor allem für die kalte Küche.

Raffinierte Öle sind geschmacksneutral, lange haltbar und meist preisgünstiger. Sie eignen sich zum Braten, Backen und Frit- tieren. Denn beim Erhitzen werden die Vorteile der kalt gepressten Öle – die star- ken Aromen – ohnehin zunichte gemacht.

Grundsätzlich lassen sich auch kalt ge- presste Öle schonend erhitzen.

Kochen und Braten mit Öl bringt Ge- schmack ins Essen.

Denn Fett ist ein wich- tiger Geschmack- sträger. Es gibt sogar Rezeptoren auf der Zunge, die Fettsäuren wahrnehmen.

Zum Pommes Frittieren am besten raffinierte Öle verwenden. Aromatische kalt gepresste Produkte sind dafür viel zu schade – auch wenn sie sich zum schonenden Braten oder Dünsten eignen. So oder so: Beim Frittieren unter 175 Grad bleiben. Sonst entsteht in Pommes und Co. schädliches Acrylamid.

„Der Begriff des Schmeckens wird im täglichen Sprachgebrauch sehr weit gefasst benutzt und schließt andere Sin-

ne, insbesondere den Geruchssinn, mit ein. Der eigentliche Geschmackssinn umfasst jedoch nur die fünf Grundge- schmacksqualitäten süß, sauer, salzig, umami und bitter. Diese werden von den Geschmacksknospen, die auf der Zunge und im Gaumen zu finden sind, erspürt.

Wir konnten in den Geschmacksknos- pen auch Rezeptoren identifizieren, die

mit Fettsäuren wechselwirken. Dies reicht meiner Meinung nach jedoch nicht aus, um ,fettig‘ bereits als 6. Ge-

schmacksqualität zu betiteln.

Hierfür müsste nachgewiesen werden, dass diese Rezeptoren Signale auslösen,

welche – getrennt von denen anderer Geschmacksqualitäten – ins Gehirn

gesandt werden.

Maik Behrens

arbeitet am Leibniz-Institut für Lebensmittel- Systembiologie der TU München. Er forscht zu Geschmacksrezeptoren. 2011 fand er mit

seinem Team Rezeptoren, die Fett erkennen können.

Ist „fettig“ eine eigene Geschmacks-

richtung?

(6)

23 Magazin 11·2020

Fotos: BanksPhotos/getty images; zeljkosantrac/getty images; C. Schranner / Leibniz-LSB@TUM

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TITEL Krieg der Fette

Fotos: siculodoc/getty images; bonchan/Shutterstock; Barbara Frommann/DGE

125 Jahre

Foto: Rainer Weisflog

Das Image von Olivenöl schien lange un- getrübt. Sein hoher Gehalt an Polypheno- len, Vitamin E und einfach ungesättigten Fettsäuren machten es zur vermeintlichen Wunderwaffe gegen koronare Herzkrank- heiten, Entzündungsreaktionen, Alte- rungsprozesse, Alzheimer und Krebs. Und tatsächlich: Ernährungswissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass es als Teil der mediterranen Ernährung gefäßschüt- zende und antientzündliche Wirkungen entfalten kann. Voraussetzung: Es muss sich um ein Olivenöl der höchsten Güte- klasse handeln – nämlich nativ extra (auf Italienisch: extra vergine). Öle dieser Qua- litätsstufe dürfen ausschließlich mit me- chanischen Verfahren gewonnen werden und keine geschmacklichen oder geruch- lichen Fehlnoten aufweisen.

Und hier liegt das Problem. Weil die Nachfrage boomt, wird Olivenöl oft zum Opfer krimineller Machenschaften. Bei- spielsweise mischen Fälscher Olivenöle verschiedener Güteklassen – teilweise so- gar mit anderen Pflanzenölen – und ver- treiben sie als extra native. So landen zahl-

Lange feierten Nutzer der sozialen Medien Kokosöl als neues Superfood. Dann erlitt sein Image im Jahr 2018 einen harten Schlag. Mit der Aussage „Kokosöl ist das reine Gift!“ im Rahmen eines Vortrags, der auf YouTube veröffentlicht wurde, ent- fachte die Freiburger Professorin Karin Michels eine hitzige Debatte im Internet sowie den sozialen Medien. Kokosöl-Her- steller schossen Pressemitteilungen zu- rück. YouTuber und Blogger veröffentlich- ten Videos und Beiträge, in denen sie ihre Meinung – pro und contra – kundtaten.

Die Medien berichteten. Am Ende herrsch- te Verunsicherung auf allen Seiten: Wel- cher Wissenschaftler oder Influencer hat- te recht? Und wie steht es inzwischen um das Öl?

Zu den Fakten: Kokosöl besteht zu 92 Prozent aus gesättigten Fetten, wobei über die Hälfte mittelkettige, gesättigte Fett- säuren – sogenannte MCT-Fette – sind. Die Hypothese einiger Forscher war: MCT-Fet- te sind kalorienärmer als langkettige Fet- te, steigern das Sättigungsgefühl und den Energieverbrauch während der Verstoff- wechslung, und beeinflussen den Choles- terin-Spiegel positiv. Deshalb wurde Ko- kosöl in verschiedenen Fitness- und Gesundheits-Communities als Wunder- mittel zum Abnehmen gefeiert.

Doch diese Schlussfolgerung ist wissen- schaftlich zu wenig belegt. So rät etwa die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) aktuell vom Einsatz von MCT-Fetten zur Gewichtsreduktion ab. Der Nachweis, dass sie Übergewicht verhindern könnten, sei unzureichend. „In Bezug auf Kokosöl ist die Studienlage zu präventiven Wirkun- gen zudem noch rar und lässt keine gesi- reiche Olivenöle in den Regalen, die

Verordnungen der EU sowie Qualitätsan- sprüche des Deutschen Olivenöl-Panels nicht erfüllen. Für Laien sind Fälschungen kaum zu erkennen. Obendrein können auch Olivenöle mit Mineralölbestandteilen ver- unreinigt sein, wie Prüfungen von ÖKO- TEST zeigen. Und: Olivenöl weist einen sehr hohen Anteil an einfach ungesättigten Fettsäuren auf und sollte deshalb mit an- deren Ölen verschiedener Fettsäurezusam- mensetzung abwechslungsreich zum Ein- satz kommen.

Fazit:

Olivenöl ist ein Star. Aber es gibt noch an- dere Sterne am Himmel, zu denen es gut passt: Olivenöl lässt sich beispielsweise wunderbar mit Rapsöl abwechselnd ver- wenden. ÖKO TEST testet regelmäßig Oli- venöle, zuletzt im ÖKO-TEST Magazin 5/2019.

SCHAUPLATZ 4:

Olivenöl gegen den Rest der Welt

SCHAUPLATZ 5:

Rufmord am Kokosöl

Mehr zum Test:

öko-test.de/M1905

WWW

Oliven in der Presse: Während der Verarbeitung können schädliche Mineralölbestandteile ins Öl gelangen.

(8)

25 Magazin 11·2020

Fotos: siculodoc/getty images; bonchan/Shutterstock; Barbara Frommann/DGE

1894 2019

125 Jahre

weitere Informationen unter www.kunella-feinkost.com

Foto: Rainer Weisflog

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cherten Schlüsse zu. Die DGE empfiehlt Kokosöl wegen seines hohen Gehalts an gesättigten Fetten daher eher sparsam zu verwenden“, sagt DGE-Mitarbeiterin Silke Restemeyer. Neben den gesättigten Fetten bietet der ökologische Fußabdruck eine weitere Angriffsfläche auf das Kokosöl.

Zum einen benötigt der Anbau von Kokos- nüssen viel Fläche, die oft durch Regen- waldabholzungen entsteht. Zum anderen verursacht der Transport nach Übersee hohe Treibhausgasemissionen.

Fazit:

Um den Superfood-Status von Kokosöl wis- senschaftlich zu begründen, müssten Stu- dien her. Aus Nachhaltigkeitsperspektive ist Kokosöl heimischen Ölen wie Rapsöl unterlegen. Allerdings: Die feine Note ei- nes nativen Kokosöls ist unschlagbar.

Ein Nährstoff, fünf Schauplätze, unzählige Meinungen. So umkämpft das Thema Spei- seöle scheint, am Ende darf vor allem der Genuss nicht zu kurz kommen. Denn eines ist klar: Oliven-, Raps-, Lein- oder Kokosöl bereichern unsere Ernährung jeweils auf ihre Weise. Und was wäre schon Gebra- tenes, Frittiertes, Gegrilltes und Gebacke- nes ohne Fett? Während wir die Kämpfe ums Öl im Auge behalten, können wir es uns getrost schmecken lassen. Vielfältig, nach Lust, Laune und Geschmack. Guten Appetit!

Ende beim Kampf der Fette nicht in Sicht

„In Rapsöl ist das Verhältnis von essen-

ziellen Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren

besonders gut. Die DGE empfiehlt, es

als Standardöl zu verwenden.“

Silke Restemeyer Ökotrophologin und Mitarbeiterin

der Deutschen Gesellschaft für Ernährung

Titel_Gold oder Gift.indd 25 15.10.2020 14:01:21

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TITEL Fett in Zahlen

Foto: Naypong/getty images

Voll fett!

Heiß und fettig: Zwei Garanten für ein leckeres Essen? Ja. Und fettig kann sogar gesund sein. Wie viel Fett überhaupt guttut und was Fett noch

so draufhat, verraten diese Zahlen und Fakten.

TEXT: SIMONETTA ZIEGER

30–35

Prozent der täglichen Kalorienzufuhr sollen laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung

mit Fett gedeckt werden.

Empfohlen wird ein Verhältnis von 2:1 von ungesättigten

zu gesättigten Fetten.

Konkret bedeutet das:

7 bis maximal 10 % der Nahrungsenergie aus gesättigten Fetten

Mindestens 20 % der Nahrungsenergie aus ungesättigten Fettsäuren.

Und zwar 7 bis maximal 10 % aus mehrfach ungesättigten (darunter 2,5 % aus Omega-6-

und 0,5 % aus Omega-3-Fett- säuren) und mindestens 10 %

aus einfach ungesättigten Fetten.

76,1

Millionen Liter Rapsöl haben die Deutschen im Jahr 2018

gekauft. Damit ist es hierzulande das beliebteste Pflanzenöl – gefolgt von Sonnenblumenöl mit 56,2 Mio. Litern

und Olivenöl mit 30,1 Mio. Litern.

9,3

kcal

liefert 1 Gramm Fett. Somit ist es der kalorienreichste unter den Makronährstoffen.

Denn Kohlenhydrate und Eiweiße liefern jeweils

4,1 kcal pro Gramm.

22,5

kg

Reinfett in Form von Ölen und Fetten werden durchschnittlich pro Kopf und Jahr in Deutschland

konsumiert. Darunter fallen 15,1 kg aus pflanzlichen

Speiseölen.

Esslöffel Rapsöl

1

liefert 23 % der täglich empfohlenen einfach unge-

sättigten Fette und 20 % der empfohlenen mehrfach

ungesättigten Fette.

Fett ist überlebenswichtig – auf drei ganz unterschiedliche Weisen:

1.

versorgt den Körper mit Energie,

2.

dient als Baustein für Zell- membranen und

3.

ist das Grundelement für Hormone Die Vitamine

D, A, K

sind fettlösliche Vitamine. und

E

Das bedeutet, sie können vom Körper nur in Kombination mit Fett (oder Öl) aufgenommen werden.

DA(n)KE Öl.

(10)

27 Magazin 11·2020

Foto: Naypong/getty images

200

Grad

Celsius beträgt der Rauchpunkt bei raffinierten Ölen. Der Rauch- punkt bezeichnet die niedrigste

Temperatur, ab der ein Fett beim Erhitzen deutlich sichtbar

zu rauchen beginnt. Für kaltgepresstes Rapsöl sind es

zwischen 130 bis 190 Grad, für kaltgepresstes Olivenöl

130 bis 175 Grad.

Bedenkliche Stoffe ent- stehen aber erst, wenn das Öl den hohen Tempe-

raturen über längere Zeit ausgesetzt ist.

Mit

80

Gramm Öl

lassen sich 100 Gramm Butter be- ziehungsweise Margarine im Ku- chenteig ersetzen. Bei Rühr- und Mürbeteige eventuell noch etwas kaltes Wasser zusätzlich in den Teig

geben. Für den Austausch am besten geschmacksneutrale

Pflanzenöle verwenden.

Bei

24

Grad

wird Kokosöl flüssig, darunter ist es fest. Olivenöl verfestigt

sich im Kühlschrank. Dort wird es trüb und flockt aus.

Bei Zimmertemperatur wird es wieder klar.

Höchstens

27

Grad

dürfen laut EU-Verordnung bei der Gewinnung von Olivenöl erreicht werden, damit es die Kennzeichnungen

„erste Kaltpressung“ und

„Kaltextraktion“ tragen darf.

Für andere kaltgepresste Pflanzenöle gibt es keine entsprechenden

Normen. Durch die Druck- und Reibungskräfte während der mechanischen Verarbeitung können die Temperaturen sogar

auf über 50 Grad steigen.

300–700

Öle testet das Deutsche Olivenöl-Panel durchschnittlich

pro Jahr. Um Geruch und Geschmack perfekt bewerten zu können, testen jeweils 8 – 12 aus-

gebildete Verkoster die verschiedenen Öle in blauen,

auf 28 Grad vorgeheizten Gläsern. Auf diese Weise entfalten

sich die Nuancen perfekt und die Tester können nicht durch

die Farbe der Olivenöle abgelenkt werden.

Quellen:

„Warenkunde Öl“ (Buch v. Fiebig/Matthäus); Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Stuttgart; Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. (2); Deutsche Gesellschaft für Fettwissenschaft e.V.; Informationsgemeinschaft Olivenöl; Statista; Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen e.V.; Bundesanstalt für Getreide-, Kartoffel- und Fettforschung

Titel Zahlen und Fakten.indd 27 15.10.2020 14:07:43

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