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Rheumatisches Fieber

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Academic year: 2022

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Zwar ist die Erkrankung in westlichen Ländern selten geworden, doch sollte man bei Patien- ten mit Fieber und Polyarthritis oder Gelenk- schmerzen differenzialdiagnostisch auch an die Möglichkeit eines akuten rheumatischen Fiebers denken.

B R I T I S H M E D I C A L J O U R N A L

Das akute rheumatische Fieber wird in Entwicklungsländern, wo viele Menschen auf engem Raum zusammenleben und die medizinische Versorgung zu wünschen übrig lässt, häufig be- obachtet. In reichen Ländern liegt die Inzidenz der Erkrankung heute dagegen nur noch bei weniger als 1 pro 100 000 Einwoh- ner. Gefürchtet ist das rheumatische Fieber mit Herzbeteili- gung, eine Erkrankung, die vor allem junge Menschen betrifft.

Pathogenese

Obwohl gut belegt ist, dass betahämolysierende Streptokokken der Gruppe A zum akuten rheumatischen Fieber führen, sind Pathogenese und zugrunde liegende Immunmechanismen noch nicht vollständig aufgeklärt, schreibt Antoinette M. Cilliers im

«British Medical Journal». Kurz zusammengefasst, scheint der Wirt auf bakterielle Antigene mit einer kombinierten humora- len und zellvermittelten Immunantwort zu reagieren, worauf es durch molekulare Mimikry zu einer Kreuzreaktivität mit menschlichen Geweben (Herzgewebe, Gelenke, Haut und zen- trales Nervensystem) kommt. Nur wenige Patienten – etwa 0,3 bis 3 Prozent – mit akuter Streptokokken-Pharyngitis entwickeln ein akutes rheumatisches Fieber. Eine genetische Prädisposition gilt als gesichert.

Diagnostik

Zur Diagnostik der initialen Episode des akuten rheumatischen Fiebers werden oft die modifizierten Jones-Kriterien herangezo- gen (Kasten). Die Wahrscheinlichkeit eines akuten rheumati- schen Fiebers ist hoch, wenn eine Streptokokkeninfektion vor- ausgegangen ist (der Nachweis erfolgt meist über die Messung ansteigender Antistreptolysin-O-Titer) und zwei Major-Kriterien oder ein Major-Kriterium plus zwei Minor-Kriterien vorliegen.

Kommt es zu Rezidiven des rheumatischen Fiebers, kann eine permanente Schädigung der Herzklappen resultieren. Die übri- gen Major-Kriterien sind transient und führen nicht zu dauer- haften Schäden, doch sind sie für die Diagnosestellung wichtig.

Bei Verdacht auf rheumatisches Fieber müssen Erkrankungen mit ähnlichen klinischen Manifestationen differenzialdiagnos- tisch ausgeschlossen werden. Dazu zählen septische Arthritis, Bindegewebserkrankungen, Lyme-Borreliose, Sichelzellanämie, infektiöse Endokarditis, Leukämie und Lymphome.

Bedeutung der Echokardiografie

Mithilfe der Echokardiografie können Herzklappenläsionen identifiziert und nicht rheumatische Ursachen für Klappenver- änderung ausgeschlossen werden. Typische Klappenläsionen wie Verdickungen von Klappensegeln und Chordae, Verkür- zung der Klappensegel, Dilatation des Mitralrings und Klappenprolaps lassen sich gut darstellen. Die Echokardiografie ist zur Planung des geeigneten Operationszeitpunkts bei Pa- tienten mit chronischer rheumatischer Herzerkrankung unver- zichtbar. Ein chirurgischer Eingriff wird bei Erwachsenen mit schwerer Mitralinsuffizienz empfohlen, wenn sie Symptome aufweisen, wenn die Funktion des linken Ventrikels ein- geschränkt ist oder wenn der endsystolische Durchmesser des linken Ventrikels 40 mm oder mehr beträgt.

Medikamentöse Therapie

Einige weitverbreitete Behandlungsmethoden wie beispiels- weise die Gabe von Kortikosteroiden basieren auf Studien, die vor über 40 Jahren durchgeführt wurden und methodologische

Rheumatisches Fieber

Diagnostik und Therapie

ARS MEDICI 19 2007

961

F O R T B I L D U N G

■■

■ Die Primärprävention des rheumatischen Fiebers besteht darin, bei Streptokokkeninfekten (Tonsillitis, Pharyngitis) eine adäquate Antibiose durchzuführen.

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■ Rezidivierende Episoden des akuten rheumatischen Fiebers müssen verhindert werden, um einer rheu- matischen Herzerkrankung vorzubeugen (Sekundär- prävention).

■ Bei Patienten mit akutem rheumatischem Fieber und ausgeprägten Herzklappenläsionen kann eine Operation lebensrettend sein.

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Mängel aufweisen. Darüber hinaus wurden in diesen Studien Kortikosteroide eingesetzt, die heute kaum noch gebräuchlich sind, etwa intramuskulär verabreichtes Kortison und Kortiko- trophin. Ein kürzlich durchgeführter Cochrane-Review, der auf den genannten Studien basierte, ergab nach einem Jahr zwi- schen den Gruppen, die mit Kortikosteroiden beziehungsweise Acetylsalicylsäure behandelt worden waren, keinen signifikan- ten Unterschied hinsichtlich einer Herzerkrankung. Auch konnte der Einsatz von Prednison oder die intravenöse Gabe von Immunglobulinen das Risiko von Herzklappenläsionen nach einem Jahr im Vergleich zu Plazebo nicht senken. Die Gabe von Kortikosteroiden zur Behandlung einer akuten kardi- alen Dekompensation bei Patienten mit akutem rheumatischem Fieber ist anekdotisch und beruht nicht auf objektiver Evidenz.

Es wurde über die erfolgreiche Anwendung anderer nicht- steroidaler antiinflammatorischer Substanzen wie Naproxen sowie über die Applikation von hoch dosiertem Methylpredni- son zur Behandlung des akuten entzündlichen Prozesses bei Patienten mit rheumatischem Fieber berichtet, doch keine der genannten Substanzen wurde in randomisierten kontrollierten Studien untersucht.

Auch häufig praktizierte Massnahmen wie Einhalten von Bett- ruhe und Gabe von Penicillin während der akuten Episode wur- den nicht adäquat untersucht. Die orale Gabe von Penicillin zur Eradikation von Streptokokken der Gruppe A aus dem Pharynx von Patienten mit akutem rheumatischem Fieber basiert in erster Linie auf anekdotischer Evidenz. Es gibt keine kon- trollierten Studien, die belegen, dass dieses Vorgehen das Ergebnis ein Jahr nach dem ersten Ereignis verbessert.

Bettruhe zur Kontrolle der rheumatischen Aktivität wurde erst- mals in den Vierzigerjahren verordnet, aber seither nicht mehr adäquat überprüft. In der klinischen Praxis wird häufig eine Einschränkung der körperlichen Aktivität empfohlen, bis die Akute-Phase-Reaktion abgeklungen ist. Anschliessend darf sich der Patient nach und nach wieder mehr belasten.

Herzklappenchirurgie

Gelegentlich stellt ein offener herzchirurgischer Eingriff die ein- zige Behandlungsoption dar, wenn Patienten mit rheumatischer Herzerkrankung an schweren Klappenveränderungen leiden.

Das Timing des Eingriffs ist von grosser Bedeutung, denn eine aktive rheumatische Karditis zum Zeitpunkt der Operation ist ein wichtiger Prädiktor für eine Klappeninsuffizienz und die Notwendigkeit einer Reoperation.

Bei Patienten mit aktiver rheumatischer Karditis wird eine Herz- insuffizienz nicht durch die Myokarditis, sondern durch die Klappeninsuffizienz verursacht. Eine aggressive medikamen- töse Therapie bringt manchmal eine vorübergehende Besse- rung, doch kann die chirurgische Behandlung schwerer Klap- penläsionen bei Patienten mit akuter Karditis und Herzinsuf- fizienz lebensrettend sein. Unter diesen Umständen kann der Klappenersatz die bevorzugte chirurgische Methode darstellen.

Insgesamt ist die Rekonstruktion geschädigter Klappen das Ver- fahren der Wahl, weil sich auf diese Weise viele Risiken ver- meiden lassen, die mit künstlichen Herzklappen einhergehen, beispielsweise Thromboembolien, Blutungen und Gefahren der Warfarin-Behandlung. Alle operativ versorgten Patienten benö- tigen eine Sekundärprävention.

Primär- und Sekundärprävention

Rheumatisches Fieber lässt sich verhindern, wenn Infektionen mit Streptokokken der Gruppe A adäquat behandelt werden (Primärprävention). Ein kürzlich veröffentlicher Reviewartikel kam zu dem Schluss, dass eine antibiotische Behandlung von Patienten mit Halsschmerzen und Symptomen, die für einen Streptokokkeninfekt sprechen – Pharynxexsudate und vergrös- serte, druckschmerzhafte Halslymphknoten –, das Risiko für rheumatisches Fieber um 70 Prozent senkte. Bei intramuskulä- rer Gabe von Penicillin sank das Risiko sogar um 80 Prozent.

Die Prävention rezidivierender Episoden von rheumatischem Fieber ist die kosteneffektivste Methode, der rheumatischen Herzerkrankung vorzubeugen (Sekundärprävention). Penicil- lin ist nach wie vor das Antibiotikum der Wahl. Die intra- muskuläre Gabe von Penicillin ist effektiver als die orale Appli- kation und führt zu einer besseren Compliance. Die WHO empfiehlt, nach akutem rheumatischem Fieber eine Sekundär- prophylaxe über mindestens fünf Jahre oder bis zum 18. Le- bensjahr durchzuführen, wenn keine Karditis nachgewiesen ist. Liegt eine leichte Mitralinsuffizienz vor, sollte die Sekun- därprävention zehn Jahre lang oder bis zum 25. Lebensjahr er- folgen. Eine lebenslange Prophylaxe ist erforderlich, wenn eine schwere Herzklappenerkrankung vorliegt oder wenn eine Herz- klappenoperation durchgeführt wurde.

A.M. Cilliers (Division of Paediatric Cardiology, C H Baragwanath Hospital, Johannesburg, South Africa): Rheumatic fever and its management. British Medical Journal 2006; 333:

1153–1156.

Interessenkonflikte: Keine deklariert

Andrea Wülker F O R T B I L D U N G

F O R T B I L D U N G

962

ARS MEDICI 19 2007

Modifizierte Jones-Kriterien zur Diagnostik des rheumatischen Fiebers (überarbeitet 1992)

Major-Kriterien

■Karditis

■Polyarthritis

■Subkutane Knötchen

■Erythema marginatum

■Chorea Minor-Kriterien

■Verlängertes PR-Intervall im EKG

■Arthralgie

■Fieber

■Akute-Phase-Reaktion (erhöhte Blutsenkungsgeschwindig- keit, erhöhtes C-reaktives Protein)

Zusatzkriterium

■Evidenz für eine vorausgegangene Streptokokkeninfektion

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