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Unklares Fieber

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Academic year: 2022

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F O R T B I L D U N G F O R M A T I O N C O N T I N U E

FE L I X FL E I S C H

Fieber unklarer Genese ist eine diagnostische Herausfor- derung. Im Folgenden sollen einige wichtige Aspekte der Abklärung skizziert werden.

Fieber wird durch verschiedene Pyrogene ausgelöst, etwa Exo- oder Endotoxine, die durch Bakterien abgesondert werden, wie Tetanus- oder Diphterie-Endotoxin oder Enterotoxine des S. aureus. Neben diesen exogenen Pyrogenen gibt es auch endo- gene Pyrogene, die beispielsweise in Lym- phozyten, Makrophagen, Gliazellen und endothelialen Zellen gebildet werden.

Hierzu zählen unter anderen das Interleu- kin-6, TNF-alpha und -beta und Inter- feron. Der Mechanismus der Thermo- regulation beziehungsweise der Fieber- entstehung ist im unten stehenden Kasten näher erläutert.

Die febrile Reaktion als Antwort auf ver- schiedene Stimuli ist phylogenetisch nicht nur bei Säugetieren, sondern auch bei Reptilien, Fischen, Amphibien und sogar bei einigen wirbellosen Tieren zu finden.

Sie ist evolutionsgeschichtlich betrachtet Hunderte von Jahrmillionen alt. Es ver- wundert daher nicht, dass Fieber zunächst auch als eine durchaus sinnvolle Reakti- onsweise des Körpers aufzufassen ist. Der Anstieg der Körpertemperatur sorgt dafür, dass das Immunsystem auf Touren kommt und das Wachstum und die Viru- lenz von Bakterien herabgesetzt wird. Es sei in diesem Zusammenhang daran erin- nert, dass bei der Neurolues Fieberkuren sogar therapeutisch eingesetzt wurden.

Andererseits ist aber auch klar, dass Fieber schädlich sein und zumindest eine erheb- liche Belastung für den Organismus be- deuten kann, was sich allein schon aus der Tatsache ergibt, dass der Sauerstoff- verbrauch pro Temperaturerhöhung um ein Grad Celsius um 7 Prozent ansteigt.

Daneben erhöhen sich Grundumsatz und Herzfrequenz bei erhöhter Körpertempe- ratur. Schliesslich ist zu bedenken, dass Patienten mit Fieber unter Flüssigkeitsver- lust leiden. Bei hohem Fieber können De- lirium und Fieberkrämpfe auftreten, bei lang anhaltenden Fieberverläufen kann sich unter Umständen eine Polyneuropa- thie entwickeln.

Unklares Fieber

Woran man bei der Abklärung denken sollte

M M M

M e e e e r r r r k k k k -- --

s ä t z e s ä t z e

●Bei Patienten mit unklarem Fie- ber sind anamnestisch von Be- deutung: berufliche Tätigkeit, Tierhaltung, vorangegangene Reisen, Erkrankungen in der Umgebung, sexuelle Kontakte, Medikamenteneinnahme.

●Die diagnostische Abklärung umfasst eine Reihe von Labor- parametern und röntgenolo- gische Untersuchungen.

●Häufige zugrunde liegende Er- krankungen sind Kollagenosen, Neoplasien und Infektionen. In einigen Fällen bleibt das Fieber auch nach sorgsamer Diagnostik unklar.

M e c h a n i s m e n d e r F i e b e r e n t s t e h u n g

Fieber kann durch infektiöse, toxische, entzündliche oder immunologische Stimuli ausgelöst werden. Die Temperaturkontrolle funktioniert nach Art eines Regelkrei- ses. Das Thermoregulationszentrum liegt dabei im vorderen Teil des Hypothalamus.

Wird nun das den Hypothalamus umgebende Gefässbett mit Pyrogenen über- schwemmt, setzen die Endothelzellen Zytokine frei, die letztlich durch Aktivierung der Zyklooxygenase zur vermehrten Produktion von Prostaglandinen aus Arachi- donsäure führen. Vor allem Prostaglandin E2 (PGE2) wird für die Erhöhung des hypothalamischen Sollwertes der Thermoregulation verantwortlich gemacht. Dies führt primär zur Aktivierung von Wärmeretention (Vasokonstriktion), Verhaltens- modifikation (Körperposition, Bekleidung) und bisweilen zu Mechanismen der Thermogenese (Metabolismus, Muskelzittern). Diese dauern bis zum Erreichen des neuen Sollwertes der Körpertemperatur an. Im Gegensatz zur Hyperthermie beste- hen jedoch Regulationsmechanismen (negative Rückkoppelung), welche den An- stieg der Körpertemperatur limitieren. Nach Normalisierung des Sollwertes, der aus dem spontanen Krankheitsverlauf resultiert oder durch Antipyretika erzeugt wird, werden die Thermogenese reduziert und die Wärmeabgabe durch Vasodilatation, Schwitzen und Verhalten induziert.

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Wie kann Fieber gesenkt werden?

Deshalb kann es durchaus angezeigt sein, bei stark erhöhten Temperaturen fieber- senkend einzugreifen. Dabei sollte man nicht annehmen, dass die Gabe von Anti- biotika, die ja zur Zerstörung fieberindu- zierender Bakterien eingesetzt werden, diesem Ziel direkt dienlich ist. Ihr Einsatz kann sogar das Gegenteil bewirken, wie wir es von der so genannten Herxheimer- Reaktion bei Lues kennen, wo durch den massiven Spirochätenzerfall frei wer- dende Toxine einen Temperaturanstieg hervorrufen. Ähnliches ist bei Brucellosen, Leptospirosen oder Typhus bekannt.

Effektive Fiebersenker sind demgegen- über Prostaglandin-E2-Hemmer wie NSAR oder Paracetamol. Zu erinnern ist daran, dass dies auch für Aspirin gilt, von dessen Anwendung bei Kindern unter 12 Jahren jedoch abgeraten wird, weil sich ein Reye- Syndrom entwickeln kann.

Da Paracetamol erst im ZNS oxidiert wird, zeigt die Substanz eine gute fieber- senkende, aber nur mässige schmerzlin- dernde Wirkung.

Im Allgemeinen tritt Fieber als Begleitsym- ptom auf und bedeutet für sich keinen medizinischen Notfall. Das kann aber un- ter gewissen Umständen anders aussehen, wenn etwa die Ursache eine schwere Erkrankung ist, bei- spielsweise eine Epiglottitis, eine Meningitis, eine Granulozyto- penie, ein septischer Schock und wenn der Patient splenektomiert ist.

Unklares Fieber – Definition

Besonders knifflig ist Fieber, wenn man nicht weiss, woher es kommt. Man spricht – seit einer Definition von Petersdorf aus dem Jahr 1961 – von unklarem Fieber, wenn wiederholt Tempe- raturen über 38,3 Grad Celsius über mehr als drei Wochen auf- treten und – auch das gehört zur Definition – nach einer Hospitali-

sationswoche noch keine Diagnose ge- funden wurde. Eine neuere Klassifikation von Durack und Street aus dem Jahr 1991 unterscheidet das unklare Fieber weiter (Tabelle 1):

Das nosokomiale Fieberentsteht bei hos- pitalisierten Patienten, die zum Zeitpunkt der Klinikaufnahme kein Fieber aufwiesen.

Beispiele hierfür sind das medikamenten- induzierte Fieber, die pseudomembranöse Kolitis oder die septische Thrombophlebitis.

Von neutropenischem Fieberspricht man, wenn Fieber über mindestens drei Tage auftritt bei Menschen, die weniger als 500 Neutrophile/mm3im Blut aufweisen.

Als Ursache kommen unter anderem fokale mykotische und bakterielle Infekte, Virusinfektionen (Herpes simplex, CMV), Katheterinfekte und perianale Infektionen in Betracht.

Von einem HIV-assoziierten Fieber un- klarer Genese spricht man, wenn Fieber über drei Tage stationär andauert oder aber über vier Wochen bei ambulanten HIV-Patienten. Das Fieber kann Folge von Medikamenteneinnahme oder von ver- schiedenen, meist opportunistischen In- fektionen sein. In Frage kommen auch maligne Erkrankungen, insbesondere das Non-Hodgkin-Lymphom.

Eine amerikanische Untersuchung ist der Frage nachgegangen, welche Diagnosen letztlich bei einem «klassischen» unklaren Fieber gestellt werden. Es zeigt sich dabei, dass je nach Lebensalter unterschiedliche Erkrankungen in Betracht kommen. Die Ergebnisse sind in Tabelle 2 zusammen- gefasst.

Welche diagnostischen Mass- nahmen sind angezeigt?

Bei Menschen mit unklarem Fieber sind eine Reihe von Fragen zu bedenken, die bei der Aufklärung von entscheidender Bedeutung sind. Sie zielen zum Beispiel auf das berufliche Umfeld sowie spezielle Hobbys, auf Krankheiten in der Umge- bung des Betroffenen, auf zurückliegende Reisen, sexuelle Kontakte, Umgang mit Tieren oder die Einnahme von Medika- menten.

Die Frage nach Tieren gilt bei- spielsweise dem Ausschluss einer Zoonose. Bei Hundehaltern kann eine Infektion mit Capnocyto- phaga canimorus auftreten.

Katzen können neben der Katzen- krankheit bekanntlich Toxoplas- mose, Schafe und Ziegen können Q-Fieber und Brucellose über- tragen. Ein Zeckenstich kommt als Auslöser einer Frühsommer- Meningoenzephalitis (FSME) und einer Lyme-Borreliose in Betracht.

Wichtig ist, den betreffenden Patienten wiederholt zu unter- suchen, das heisst mindestens alle zwei Tage. Es gilt, Schleim- häute, Haut, Nägel und Lymph- knoten genau zu inspizieren und das kardiovaskuläre System zu überwachen. Ein initiales Abklä-

Unklares Fieber

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F O R T B I L D U N G F O R M A T I O N C O N T I N U E

Tabelle 1:

N e u e K l a s s i f i k a t i o n

(Durack und Street 1991)

●«Klassisches» FUO

●Nosokomiales FUO

●Neutropenisches FUO

●HIV-assoziiertes FUO FUO: Fieber unklarer Genese

Tabelle 2:

A l t e r s u n t e r s c h i e d e b e i F i e b e r u n k l a r e r H e r k u n f t

Diagnose < 65 Jahre > 65 Jahre

n = 152 (%) n = 201 (%)

Infektionen 33 (21%) 72 (35%)

Abszess 6 25

Endokarditis 2 14

Tuberkulose 4 20

Virusinfektionen 8 1

Andere 13 12

Tumore 8 (5%) 37 (19%)

Hämatologisch 3 19

Solid 5 18

Multisystemkrankheiten 27 (17%) 57 (28%)

Verschiedene 39 (26%) 17 (8%)

(Factitia, drug fever…)

Keine Diagnose 45 (29%) 18 (9%)

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rungsprogramm beinhaltet die Bestim- mung verschiedener Laborparameter und Röntgenuntersuchungen (Tabelle 3). Er- geben sich keine Anhaltspunkte, die auf eine Ursache schliessen lassen, sind wei-

tergehende Untersuchungen angezeigt (Tabelle 4).

Eine wichtige Ausschlussdiagnose ist das medikamenteninduzierte Fieber. In der Re- gel befinden sich diese Patienten in einem

guten Allgemeinzustand, CRP und BSR können aber erhöht sein. Unter den Anti- biotika kommen als Auslöser vor allem Betalaktam-Antibiotika und Sulfonamide in Frage, aber auch Tuberkulostatika kön- nen Fieber hervorrufen. Gelegentlich sind Kontrastmittel die Ursache für unklares Fieber. Entscheidende Massnahme ist das Absetzen der angeschuldigten Arzneimit- tel, worauf dann innert drei bis vier Tagen in der Regel eine langsame Entfieberung eintritt.

Dr. med. Felix Fleisch Leitender Arzt Abteilung Infektiologie Kantonsspital Loestrasse 170

7000 Chur

Interessenkonflikte: keine Tabelle 4:

A b k l ä r u n g

(erweitertes Programm)

●Ganzkörper-CT

●Kollagenose-Screening (ANA, ANCA, Anti-DNS, Rheumafaktoren, c3, c4)

●Serologien: EBV, CMV, HIV, Brucellose, Q-Fieber

●Echokardiografie

●Szintigrafie: LE?

●Invasiv: Biopsie Knochenmark, Leber, Temporalarterien Tabelle 3:

A b k l ä r u n g

(initiales Programm)

●CRP, BSR

●Rotes und weisses Blutbild

●Leberwerte, Kreatinin, Elektrolyte

●«Null-Serologie»

●UST/Urikult

●Blutkulturen

●Thorax

●Abdomensonografie

Unklares Fieber

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