DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
W
ährend der Diktatur der „Braunen", der National-Sozialisten, konnten keine Deutschen Ärz- tetage stattfinden. Dieses 1873 gegründete demokratisch-parla- mentarische Spitzengremium der deutschen Ärzteschaft paßte wahrlich nicht zum Führerprin- zip der NSDAP.Nun hat die gesundheitspo- litische Sprecherin der „Grü- nen" im Bundestag, die junge Ärztin Heike Wilms-Kegel, dem Deutschen Ärztetag, der Haupt- versammlung der Bundesärzte- kammer, die demokratische Le- gitimation abgesprochen (sich auf ein von den „Grünen" be- stelltes Gutachten eines Bremer Professors „für öffentliches Recht und wissenschaftliche Po- litik" berufend).
Es mag zu denken geben, warum ausgerechnet zwei so ar- beitgebernahe Organe wie die
„Wirtschafts-Woche" am 6.
Mai durch einen Journalisten und „Die Neue Ärztliche" (Ne- benprodukt der FAZ) am 11.
Mai durch die „Grünen`
die Bundesärztekammer
Deutscher Ärztetag
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Demokratische Repräsentanz
und den Deutschen Ärztetag mit gleichgeschalteter Tendenz derart attackieren ließen. Mein- te man etwa, die politische Wir- kung von Stellungnahmen des Deutschen Ärztetages, die Mit- te Mai gegen das vor allem an den Lohn-Nebenkosten orien- tierte Bonner „Strukturreform- Gesetz" zu erwarten waren, von vorneherein minimieren zu kön- nen?
Der Deutsche Ärztetag selbst hat mit Entschiedenheit den Vorwurf der Grünen-Ab- geordneten zurückgewiesen, Bundesärztekammer und Deut- scher Ärztetag seien nicht die demokratisch legitimierte Ver- tretung der deutschen Ärzte- schaft. Offenbar muß sich jede Ärzte-Generation einmal mit
der billigen Methode auseinan- dersetzen, mit der jeweils eine Meinungs-Minderheit den nach offener Aussprache mit Mehr- heit gefaßten Beschlüssen und dem beschlußfassenden Gremi- um die demokratische Legitima- tion abspricht und Ungesetzlich- keit unterstellt. So hatte schon einmal der (64.) Deutsche Ärz- tetag (1961 in Wiesbaden) An- laß, zu konstatieren:
• „Der Deutsche Ärztetag ist die Repräsentanz der gesam- ten deutschen Ärzteschaft. Er setzt sich aus den Delegierten der Landesärztekammern zu- sammen, die aus Wahlen her- vorgegangen sind. Daraus leitet der Deutsche Ärztetag — unbe- schadet der auf Landesgesetzen beruhenden Rechte und Pflich- ten der Landesärztekammern — den Auftrag und das Recht ab, Fragen von grundsätzlicher Be- deutung für die deutschen Ärzte zu beraten und darüber zu be- schließen. Diese Beschlüsse stellen die Meinungsbildung der deutschen Ärzteschaft dar!"
So war es, so ist es, und so wird es bleiben. roe
E
ine „Renaissance der Ge- sundheitsförderung" kon- statierte Dr. Ellis Huber, der Berliner Ärztekammerpräsi- dent, als er dem in Mainz tagen- den Bundesverband der Ärzte des Öffentlichen Gesundheits- dienstes die Grüße des Vorstan- des der Bundesärztekammer überbrachte (Dr. Huber ist Vor- sitzender des BÄK-Ausschusses„Ärzte im öffentlichen Dienst").
Der Gesundheitsförderung und Prävention hatte kurz zuvor der 91. Deutsche Ärztetag in Frankfurt einen eigenen Tages- ordnungspunkt gewidmet (die Entschließungen sind in der Ge- samtdokumentation dieses Hef- tes bereits enthalten; über das Referat von Professor Dr. Horst Bourmer, Vorsitzendem des BÄK-Ausschusses „Gesund- heitsberatung und -vorsorge", und die Diskussion wird im nächsten Heft berichtet).
Gesundheitsförderung
„Aktionismus"?
Für den Beobachter beider Veranstaltungen erstaunlich:
Dr. Huber zitierte in Mainz wie- der ein Dokument der Weltge- sundheitsorganisation (WHO), aus dem er schon für den Ärzte- tag einen langen Entschlie- ßungsantrag zusammengeschrie- ben hatte. Damit war er in Frankfurt (fast) kampf- und klaglos untergegangen. Fünf Ta- ge später in Mainz — wo er ja in Vertretung des Präsidenten der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages auftrat — erwähnte er den Arztetag und seine einschlägigen Beschlüsse mit keinem Wort!
Wird es künftig wirklich ei- nen Aufschwung von Präven-
tion und Gesundheitsförderung geben? Oder bleiben diese Bekenntnisse „aktionistische Strohfeuer" , wie es der schei- dende Vorsitzende des Amts- ärzteverbandes, Dr. Peter Schuch, in Mainz formulierte?
Viele betrachten es als Fort- schritt, daß nach dem Entwurf des Gesundheits-Reformgeset- zes (GRG) erstmals die Kran- kenkassen verpflichtet werden sollen, ihre Versicherten über Gesundheitsgefährdungen auf- zuklären und zu beraten. Aber es gibt auch die Gegenmeinung:
Gesundheitserziehung (unter anderem in den Schulen), -bera- tung und Prävention sollte man besser den Ärzten überlassen, die davon am meisten verste- hen.
Wird man also, sagen wir,
in vier Jahren wirklich eine
überzeugende Strategie für Prä- vention und Gesundheitsförde- rung anwenden? gb
Dt. Ärztebl. 85, Heft 21, 26. Mai 1988 (1) A-1489