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Archiv "Der Deutsche Ärztetag spricht seinem Präsidenten Sewering das Vertrauen aus:" (26.05.1977)

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80. DEUTSCHER ÄRZTETAG

Der Vorstand der Bundesärztekam- mer hatte am Vortag der Eröffnung des 80. Deutschen Ärztetages be- schlossen, der Tagesordnung der

Plenarsitzungen einen Punkt „Erklä- rung des Vorstandes der Bundesärz- tekammer" voranzustellen, um den Delegierten Gelegenheit zu geben, vor Beginn der Sachberatungen zu den öffentlichen Angriffen auf den Präsidenten des Deutschen Ärzteta- ges und der Bundesärztekammer Stellung zu nehmen.

Das Interesse der nahezu 100 ange- meldeten Pressevertreter, Hunderter von Gästen und der mit wenigen Ausnahmen anwesenden Delegier- ten (deren Gesamtzahl betrug offi- ziell 288) konzentrierte sich zu Be- ginn des Ärztetages auf diese be- deutungsvolle „Einleitung". Offizi- elle Eröffnungsworte, Gästebegrü- ßung, Toten-Ehrung, Satzungs- und

Geschäftsordnungs-Erläuterungen durch den Präsidenten, Prof. Dr.

Hans J. Sewering, und den Hauptge- schäftsführer, Prof. J. F. Volrad De- neke, rauschten an den Ohren der Tagungsteilnehmer vorüber; die Un- ruhe im Saal verriet die Spannung, die sich in einer monatelangen Kam- pagne aufgeladen hatte.

Nur vor Eintritt in die Tagesordnung war Gelegenheit gewesen, die Ver- handlung zusätzlicher Punkte zu be- antragen, beispielsweise die Ver- handlung eines Mißtrauensantrags oder eines Rücktrittsantrags, wie sie in den letzten Wochen und Tagen vor dem Ärztetag in der Presse „an- gekündigt" worden waren. Sewe- ring stellte ausdrücklich die Frage:

„Sind Wünsche zur Tagesord- nung?". Schweigen im Saale —„Das

ist nicht der Fall". Daraufhin bat der Präsident seinen Kollegen Horst Bourmer, Vizepräsident der Bundes- ärztekammer, die Leitung der Sit- zung zu übernehmen; BÄK-Vizeprä- sident Dr. Karsten Vilmar erhielt das Wort und trug die folgende Erklä- rung des Vorstandes der Bundesärz- tekammer vor:

„Der Vorstand der Bundesärztekam- mer hat sich erneut mit den Angrif- fen gegen den Präsidenten der Bun- desärztekammer befaßt. Die durch monatelange Kritik an der Praxis- führung von Professor Dr. Sewering unter den Ärzten entstandene Unru- he ist dem Vorstand bekannt.

Zur Aufklärung der in diesem Zu- sammenhang entstandenen Rechts- fragen sind mehrere gutachtliche Stellungnahmen vorgelegt worden.

Hierzu wird die Rechtsabteilung eine Erläuterung abgeben.

In Übereinstimmung mit der darin vorgenommenen Wertung und in Übereinstimmung mit dem Vorstand der Kassenärztlichen Bundesverei- nigung sieht der Vorstand der Bun- desärztekammer keine Grundlage für den Vorwurf einer Verletzung kassenärztlicher Pflichten durch Professor Dr. Sewering.

Erst recht aus politischen Gründen sieht der Vorstand der Bundesärzte- kammer die Notwendigkeit, daß Pro- fessor Dr. Sewering im Amt bleibt.

Ein Rücktritt müßte zur Folge haben, daß in Zukunft jeder Repräsentant der Bundesärztekammer und ande- rer Organisationen und Institutionen allein durch den Vorwurf fehlhaften Verhaltens mundtot gemacht wer- den könnte."

Dr. Bourmer erteilte zur Erläuterung das Wort dem Justitiar der Bundes- ärztekammer und der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung, Dr. jur.

Jürgen W. Bösche, der nach kurzem Hinweis auf die Vorgeschichte den Inhalt dreier Rechtsgutachten vor- trug, die sich mit Teilaspekten der Praxisführung des Kassenarztes Prof. Dr. Sewering beschäftigen, die im Rahmen einer Auseinanderset- zung zwischen dem Landesverband der Ortskrankenkassen in Bayern und diesem in der Öffentlichkeit in den Vordergrund gerückt worden sind. Daraus hatte sich auch für die Kassenärztliche Bundesvereinigung mehr ergeben als nur der „Fall" die- ses einen Arztes; sie hat daher eine gutachtliche Stellungnahme zu der folgenden Frage eingeholt:

„Ist es allgemein oder unter be- stimmten Voraussetzungen zuläs- sig, daß ein zur Kassenpraxis zuge- lassener Internist (gegebenenfalls die Gemeinschaftspraxis zweier In- ternisten) einen Mammomaten, wel- cher in seinem Eigentum steht, der- gestalt mehreren Frauenärzten zur Verfügung stellt, daß die Frauenärz- te dieses Gerät für ihre Patientinnen benutzen und dem Internisten hier- für ein vereinbartes Nutzungsentgelt für die Inanspruchnahme des Gerä- tes (einschließlich der am Gerät täti- gen Röntgenassistentin sowie son- stiger Kosten) leisten?"

Das Gutachten Bogs/Kastner/Peters

Diese auf einem vorgegebenen Sachverhalt aufgebaute, aber ab- strakt formulierte Frage ist von den beauftragten Herren Prof. Dr. Walter Bogs, Senatspräsident am Bundes- sozialgericht im Ruhestand; Fritz Kastner, Direktor beim Bundesver- band der Ortskrankenkassen im Ru- hestand; und Dr. Horst Peters, Präsi- dent des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen im Ruhestand, wie folgt beantwortet worden:

„Die von der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung gestellte Frage, die auf Grund des von der KBV vorgege- benen Sachverhalts und damit mit

Der Deutsche Ärztetag

spricht seinem Präsidenten Sewering das Vertrauen aus

Absolute Mehrheit stimmt schriftlich und geheim mit Ja für Prof. Dr. Sewering

Gutachten-Wortlaute beantworten die Rechtsfrage zu einem Aspekt der Praxisführung

1400 Heft 21 vom 26. Mai 1977

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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ihm im Zusammenhang gestellt wor-

den ist, ist zu verneinen. Es ist nach

geltendem Kassenarztrecht weder unter den im allgemeinen geltenden noch unter den in der Praxis des S in Betracht kommenden besonderen Umständen (umfangreiche standes- politische Tätigkeit) zulässig, daß ein zur Kassenpraxis zugelassener Internist einen Mammomaten, wel- cher in seinem Eigentum steht, der- gestalt mehreren Frauenärzten in seinen Praxisräumen zur Verfügung stellt, daß die Frauenärzte dieses Gerät für ihre Patientinnen mit Hilfe von Angestellten (Röntgenassisten- tinnen) des Internisten benutzen und ihm ein vereinbartes Nutzungs- entgelt (einschließlich der Kosten für die am Gerät tätigen Röntgenas- sistentinnen sowie sonstige Hilfs- kräfte) für jeden Fall der Inanspruch- nahme des Gerätes zahlen.

Die Gesamtbetrachtung und auch das Ergebnis schließen nicht aus, daß die von S in Dachau inspirierten und offenkundig mit besonderem persönlichen und wirtschaftlichen Engagement entwickelten Abläufe kassenärztlichen Tätigwerdens zu- kunftweisend sein können und ein Modell darstellen oder Modellele- mente enthalten, die bei Eingren- zung in die dem gesamten öffentli- chen Rechte anhaftenden Grenzen von Notwendigkeit, Einfachheit und Sparsamkeit vom Gesetzgeber durch Gesetzesänderungen gebilligt werden könnten. Vom geltenden Rechte werden sie nicht getragen."

Diese Ausführungen bzw. Auszüge aus dieser gutachtlichen Stellung- nahme haben, was Dr. Bösche vor den Delegierten rekapitulierte, durch Veröffentlichung in einer Ta- geszeitung und in einem Wochen- magazin auch öffentliches Aufsehen erzielt. (Die Frage nach dem unbe- fugten Informanten läßt sich bis heute nur mit der Gegenfrage beant- worten: "Cui bono?")

~ Aber: Bezeichnenderweise ist eine wesentliche zusätzliche schrift- liche Erläuterung der genannten drei Gutachter von diesen Presseor- ganen nicht mitveröffentlicht wor- den; wahrscheinlich hat sie der an

dieser zusätzlichen Stellungnahme

"nicht interessierte" Informant auch gar nicht weitergegeben.

Bogs, Kastner, Peters erläutern ihre Stellungnahme Dr. Bösche ergänzte vor dem Ple- num des Ärztetags die gutachtliche Stellungnahme zu demselben Sach- verhalt durch die zusätzliche Beant- wortung der von der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung anläßlich der Präsentation des Gutachtens an die Gutachter gestellten Fragen und Nachfragen. Nach erneuter Bera- tung hatten die Gutachter nämlich, adressiert an den Vorsitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung, ihre gutachtliche Stellung- nahme vom selben Tage überein- stimmend wie folgt ergänzt:

"Sehr geehrter Herr Dr. Muschallik,

auf Ihre Fragen erläutern die Unter- zeichneten ihre gutachtliche Stel- lungnahme vom heutigen Tage da- hin, daß die Zurverfügungstellung eines Mammomaten durch einen In- ternisten zu arztgerechter Inan- spruchnahme durch Frauenärzte kassenarztrechtlich zu vertreten wäre, wenn der Internist und die Frauenärzte zusammen eine Appa- rategemeinschaft bilden würden, in die der Internist einen Mammoma- ten einbringt und dafür einen festen vereinbarten kostendeckenden Be- trag von der Apparategemeinschaft ohne Rücksicht auf die Zahl der Ein- zelfälle der Inanspruchnahme des Mammomaten durch Mitglieder der Apparategemeinschaft erhält. Bei ei- ner solchen rechtlichen Gestaltung hätte die Zurverfügungstellung des Mammomaten keinen gewerblichen Charakter, und es würde das Entgelt für die Inanspruchnahme des Mam- momaten wirtschaftlich keinen An- teil des Internisten an dem kassen- ärztlichen Honorar der Frauenärzte darstellen."

Ausgefertigt und unterschrieben am

21. April1977, Sogs, Kastner, Peters

e

Fortsetzung auf Seite 1404

Ein AOK-Abgeordneter sagte dem Ärztetag ab

"Sehr geehrte Damen und Herren", so schrieb Klaus Kirschner MdB, Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion, an die Bundesärztekammer:

"Ihre Einladung zum 80. Deut- schen Ärztetag habe ich zur Kenntnis genommen. Ich werde jedoch nicht an der Veranstaltung teilnehmen, so- lange Herr Prof. Dr. Sewering als Einladender fungiert. Es ist mir als langjähriger Versicher- tenvertreter bei einer AOK nicht zuzumuten, einer Einla- dung des Deutschen Ärzteta- ges Folge zu leisten, solange dieser von einem Präsidenten geleitet wird, der unter dem dringenden Verdacht steht, seine gesetzlichen und ver- traglichen Pflichten als Kassenarzt gegenüber den Krankenkassen verletzt zu haben ... "

Der Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages, Prof. J. F. Volrad Deneke, erteilte dem SPD-Abgeordneten die Antwort:

"Sehr geehrter Herr Kirsch-

ner, aus Ihrem Schreiben vom 20. 4. 1977 ersehe ich, daß Sie sich ein Urteil über schweben- de Verfahren erlauben und dieses zur Grundlage einer Entscheidung machen. Ich bin bestürzt darüber, daß ein Mann, der zu einer solchen Handlungsweise fähig ist, dem Deutschen Bundestag angehört und damit über Ge- setze mitentscheidet Als ehe- maliges Mitglied des Deut- schen Bundestages schäme ich mich dieser Ihrer Mitglied- schaft in einem Gremium, dem anzugehören ich die Ehre hatte." WZ

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Das Interesse der Ärzteschaft und der Öffentlichkeit an den Beratungen, Beschlüssen und Entschließungen des Deutschen Ärztetages, der Hauptver- sammlung der Bundesärztekammer, ist in den letzten Jahren anhaltend stark: Die Zuhörer-Galerie war immer dicht besetzt — am Eröffnungstage während der Vertrauensabstimmung (Bild links) und während der Erörterung der aktuellen Gesundheits- und Sozialpolitik, die im Vordergrund der Be- richterstattung in diesem Heft steht, sogar „überfüllt" (Bild unten)

Selbstverständlich richtete sich ein besonderes Interesse auf den Tagesord- nungspunkt 1 (Vertrauenserklärung und -abstimmung), worüber in diesem Heft (in Wort und Bild) berichtet wird. Konzentrierte Gesichter am Prä- sidiumstisch (rechts oben v. r.: Dr. Vilmar, Dr. Bourmer, Prof. Dr. Sewering, Prof. Deneke, stehend: Dr. Brauer); Dr. Bourmer verliest das Abstimmungs- ergebnis (rechts Mitte); rechts unten: Prof. Dr. Sewering dankt für das ausdrückliche Vertrauensvotum der absoluten Mehrheit

1402 Heft 21 vom 26. Mai 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(4)

Von besonderem Interesse:

Die geheime Abstimmung über die Vertrauenserklärung

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(5)

Vertrauenserklärung für Sewering

• Fortsetzung von Seite 1401 Bogs/Kastner/Peters-Gutachten in unauflösbarem

Widerspruch verfangen

Mit dieser zusätzlichen Antwort, so leuchtet jedem ein, wie Dr. Bösche unterstrich, ist die ursprünglich ge- gebene Antwort völlig in Frage ge- stellt, teilweise in einem unauflösba- ren Widerspruch verfangen. Dr. Bö- sche: Es leuchtet nicht ein, warum die negative Beantwortung: „wird von der Rechtsordnung nicht getra- gen" dann positiv ausfallen könnte, wenn allein die Modalität der Ko- stenerstattung von der frequenzab- hängigen Kostenerstattung in die pauschale Kostenabgabe verändert wird. Dies ist schlechthin nicht plau- sibel. Schlechthin nicht plausibel waren und sind auch andere in dem Gutachten enthaltene Äußerungen, was die Kassenärztliche Bundesver- einigung veranlaßt hat, in elf Punk- ten weitere Rückfragen an die Gut- achter zu stellen, damit diese ihr Gutachten plausibilisieren sollten.

Das Verfahren ist nicht abgeschlos- sen. Antworten zu den gestellten Fragen im einzelnen sind insgesamt nicht abgegeben worden.

Zwei weitere Gutachten zu derselben Frage

Zu derselben Frage, wörtlich und buchstäblich, wie sie von der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung an Bogs, Kastner, Peters gerichtet worden ist, haben parallel die Bun- desärztekammer: Prof. Dr. jur. Wolf- gang Gitter (Bochum) und Prof. Dr.

jur. Viktor Weidner (Bonn) sowie die Kassenärztliche Vereinigung Bay- erns: Ministerialdirigent Dr. med. h.

c. Walther Weißauer (München/Frei- sing) um Rechtsgutachten ersucht.

Das Gutachten Gitter/Weidner Das von Prof. Dr. Gitter, Mitglied des Direktoriums des Instituts für Sozial- recht an der Ruhr-Universität Bo- chum, und Prof. Dr. Weidner, Direk- tor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit der

Rheinischen Friedrich-Wilhelms- Universität Bonn, gemeinsam er- stattete Rechtsgutachten beantwor- tet die gestellte Frage wie folgt:

„I. Der im Sachverhalt mitgeteilte Tatbestand erweist sich als rechtlich unbedenklich.

II. Die (abstrakt formulierte) Gut- achtenfrage wird so beantwortet:

Daß ein zur Kassenpraxis zugelasse- ner Internist (ggf. die Gemein- schaftspraxis zweier Internisten) ei- nen Mammomaten, welcher in sei- nem Eigentum steht, dergestalt mehreren Frauenärzten zur Verfü- gung stellt, daß die Frauenärzte die- ses Gerät für ihre Patientinnen be- nutzen und dem Internisten hierfür ein vereinbartes Nutzungsentgelt für die Inanspruchnahme des Gerätes (einschließlich der am Gerät tätigen Röntgenassistentin sowie sonstiger Kosten) leisten,

ist unter den folgenden Vorausset- zungen zulässig:

1) Die Installation der Röntgenanla- ge einschließlich des Mammomaten muß den gesetzlichen Vorschriften entsprechen.

2) Die in den Röntgenrichtlinien der Kassenärztlichen Vereinigung (§ 15 BMV-Ä) vorgeschriebenen apparati- ven Voraussetzungen wie auch die persönlichen Voraussetzungen (in der Person der einzelnen Frauenärz- te) müssen gegeben und die nach den Richtlinien erforderliche Ge- nehmigung an die Frauenärzte, die mammographische Leistungen er- bringen und abrechnen wollen, er- teilt sein.

3) Es muß durch Vereinbarungen und auch faktisch sichergestellt sein, daß eine ungestörte, kontinu- ierliche, sach- und zeitgerechte Mit- benutzung der Praxisräume, eine ebensolche ausschließliche Benut- zung des Mammomaten durch die Frauenärzte wie auch der Zugang ihrer Patienten gewährleistet sind.

4) Es muß durch Vereinbarungen und auch faktisch sichergestellt

sein, daß die Frauenärzte gegenüber der den Mammomaten bedienenden Röntgenassistentin bzw. deren Ver- treterin insoweit allein weisungsbe- fugt sind und daß diese Mitarbeite- rinnen verpflichtet sind, die Weisun- gen der Frauenärzte zu befolgen.

5) Das Nutzungsentgelt muß ange- messen und so festgelegt sein, daß es eine reine Sachkostenerstattung bleibt und nicht zu einem Partizipie- ren an dem Honorar der Frauenärzte wird. Die Sätze des KBV-NT entspre- chen offensichtlich diesem Erfor- dernis."

Das Gutachten Weißauer

Das von Walther Weißauer, Ministe- rialdirigent im Bayerischen Staats- ministerium der Justiz, erstattete Gutachten gibt die nachstehende Antwort:

„1 Der Kassenarzt (Internist) darf in seiner Praxis (Gemeinschaftspraxis) ein Gerät (Mammomat), dessen Ei- gentümer er ist, das er aber wegen seiner Gebietsbegrenzung selbst nicht benutzen darf, den Vertretern anderer Disziplinen (Frauenärzten) zur entgeltlichen Nutzung zur Verfü- gung stellen.

2 Bei der näheren Ausgestaltung der Gerätenutzung sind — wie bei jeder kollegialen Kooperation — die Bestimmungen des ärztlichen Be- rufsrechts und des Kassenarztrechts zu beachten, insbesondere die Grundsätze der Fachgebietsbegren- zung, der persönlichen Leistungs- pflicht, der Wirtschaftlichkeit und der Freiberuflichkeit.

Dies bedeutet:

— Die Hilfskräfte, die bei der Mam- mographie mitwirken, sind von den Frauenärzten (und nicht vom Praxis- inhaber) anzuleiten und zu überwa- chen.

— Das Entgelt für die Benutzung des Mammomaten ist so festzusetzen, daß der Praxisinhaber nicht an dem Honorar für die persönliche Lei- stung der Frauenärzte partizipiert.

1404 Heft 21 vom 26. Mai

1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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3 Der mitgeteilte Sachverhalt läßt keine Überschreitung der damit ge- zogenen Grenzen erkennen. Insbe- sondere fehlen alle Anhaltspunkte dafür, daß der Praxisinhaber durch das Zurverfügungstellen des Mam- momaten an Frauenärzte den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verletzt oder die Grenzen der freibe- ruflichen ärztlichen Tätigkeit über- schritten haben könnte:

- Die Mammographien werden als persönliche Leistungen der Frauen- ärzte erbracht und abgerechnet.

- Die gewählte Kooperationsform gibt dem Praxisinhaber keinen Ein- fluß auf Zahl und Umfang der Ver- richtungen der Frauenärzte.

- Die Ausgestaltung des Nutzungs- · entgelts als Bachkostenerstattung nach den zwischen der KBV und der DKG vereinbarten Kostentarifen schließt ein Partizipieren an der per- sönlichen Leistung der Frauenärzte aus.

- Die Anwendung des Kostentarifs ist die schlechthin sachgerechte Lö-

sung, um für alle an der Kooperation

Beteiligten einen angemessenen Rationalisierungseffekt zu errei- chen."

Die Gutachten GiHer/Weidner und Weißauer sind plausibel Eine eingehende Prüfung, insbeson- dere auch durch die Rechtsabtei- lung der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung, hat ergeben, daß die beiden letztliehen Gutachten plausi- bel sind. Dr. Bösche gab dazu eine juristische und eine persönliche Er- klärung ab, die in die Feststellung mündete: .. Wer hier und jetzt zur Entscheidung aufgerufen ist, soll je- denfalls wissen, daß ihm das Argu- ment aus der Munitionskiste ver- meintlicher Verletzung der Rechts- ordnung nicht zur Verfügung steht"

Diese Stellungnahme von Dr. Bö- sche bzw. der Rechtsabteilung hat größtes Gewicht: "Wir sind nicht der Meinung, daß man Gutachten etwa so auszählen kann wie die Tore in

Dr. Jürgen W. Bösche, Justitiar der Bun- desärztekammer und der Kassenärztli- chen Bundesverelnlgung, trug den De- legierten die verschiedenen auf diesen Selten wiedergegebenen gutachtlichen Stellungnahmen vor - referierend, er- läuternd und wertend

der Fußball-Bundesliga. und nun- mehr sagt: 2:1 für Sewering. So ha- ben wir die Prüfung nicht angestellt.

Sondern sie muß angestellt werden nach dem sachlichen Gehalt, nach der Wertigkeit. Hierzu fühlen wir uns insbesondere auch darum in der Lage, weil wir letztlich seit 22 Jahren Kassenarztrecht nicht nur betreiben, sondern vor Revisionsgerichten in allen grundsätzlichen Fragen auch vertreten."

Geheime schriftliche Abstimmung:

Deutliche absolute Mehrheit der Delegierten für Sewering

D

"Der 80. Deutsche Ärztetag

spricht seinem Präsidenten Prof. Dr.

Sewering das Vertrauen aus." Die- sen Beschlußantrag hatte der Vor- stand der Bundesärztekammer dem

Deutschen Ärztetag unterbreitet. Dr.

Bourmer dazu: "Wir gehen davon aus, daß diese Abstimmung geheim ist." Kein "Abschmettern" eines (von mindestens zehn Delegierten zu stellenden) Mißtrauensantrages durch ein vor den Augen aller ab- stimmendes Plenum also- sondern eine klipp und klar gestellte Vertrau- ensfrage, zu deren schriftlicher Be- antwortung durch jeden einzelnen Delegierten Kabinen und Urnen be- reitgestellt waren. Bourmer: "Ja oder Nein, das ist hier die Frage."

Ohne Sitzungsunterbrechung und ohne weitere Debatte ging die Ab- stimmung ruhig und geordnet von- statten.

...,. Das Ergebnis (wie bereits in Heft 20 des DEUTSCHEN ÄRZTEBLAT- TES vom 19. Mai, Seite I, kurz be- richtet): mit Ja stimmten 156 Dele-

1 gierte, mit Nein 108.

Damit war Prof. Dr. Sewering mit eindeutiger absoluter Mehrheit im Amt bestätigt- in einem Amt, dem er sich, wie er nach der Abstimmung erklärte, verpflichtet fühle und das er weiterhin mit ganzer Kraft ausfül- len werde.

Prof. Hans Joachim Sewering zeigte sich bewegt von diesem ausdrückli- chen Vertrauensvotum: "Eine mo- natelange Kampagne, wie sie über mich ergangen ist, mußte Verunsi- cherung erzeugen, und ich habe vol- les Verständnis dafür, wenn bei den Vorwürfen, die erhoben worden sind, viele von Ihnen Bedenken be- kamen, ob das nicht doch begrün- dete Vorwürfe seien", sagte er und versicherte den Delegierten: "Ich bin 30 Jahre Kassenarzt, und ich habe in diesen 30 Jahren mich be- müht, meine kassenärztlichen Pflichten zu erfüllen. Ich habe auch in den letzten Jahren meine Grund- sätze nicht verändert, und ich denke nicht daran, sie in den letzten Jahren meiner beruflichen Tätigkeit zu ver- ändern." Außerdem: "Ich werde mich bemühen, meinen Pflichten in jeder Weise gerecht zu werden und die gegen mich erhobenen Vorwürfe auszuräumen, und ich hoffe, daß es

(7)

Vertrauenserklärung für Sewering

mir gelingt, auch das Vertrauen der- jenigen wiederzugewinnen, die sich nach ihrem Gewissen heute nicht in der Lage sehen, es mir zum Aus- druck zu bringen."

Zur Sache selbst sprach sich Sewe- ring bei der in der Mittagspause ab- gehaltenen ersten Pressekonferenz des 80. Deutschen Ärztetages dafür aus, „über die Fragen der Koopera- tion, die sich bisher völlig frei ent- wickelt haben, einmal Vorstellungen zu formulieren", und befürwortete dabei, „die Möglichkeiten koopera- tiver Praxisausübung festzu- schreiben".

Die spitzen Fragen betont kritischer Journalisten nach seiner Wertung des Wahlergebnisses beantwortete Sewering völlig gelassen: Das Er- gebnis, in einem ausgeprägt demo- kratischen Verfahren ermittelt, sei für ihn voll befriedigend, zumal die Ärzteschaft heute weit davon ent- fernt sei, etwa „Jubelwahlen" zu veranstalten. Kein Kandidat könne heute mehr alle Stimmen ärztlicher Gremien bekommen. Das wüßten seine Vizepräsidenten, das wüßten auch die Kollegen von der kassen- ärztlichen Seite.

Nach diesem Vertrauensvotum des Ärztetages, das unterstrich Prof. Dr.

Sewering, können Bundesärztekam- mer und Deutscher Ärztetag sich wieder uneingeschränkt den sozial-, gesundheits- und berufspolitischen Sachfragen zuwenden, deren Be- wältigung im Interesse von Patient und Arzt so dringlich ist.

Dreieinhalb Tage lang gründliche Sachberatungen Kaum eine Stunde hatte die Abstim- mung über die Vertrauensfrage in Anspruch genommen. Mehr als drei- einhalb Tage lang konnten sich da- nach die Delegierten des 80. Deut- schen Ärztetages den diffizilen Erör- terungen und der verantwortungs- bewußten Erarbeitung der bedeu- tungsvollen Entscheidungen und Beschlüsse widmen, über die in die- ser und in der nächstfolgenden Aus- gabe des DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATTES berichtet wird. DÄ

Der Vorstand der Bundesärztekammer hat in seiner Sitzung am 8. Mai 1977 die Tagesordnung der Plenarsitzungen des 80.

Deutschen Ärztetages vom 10. bis zum 14. Mai 1977 in Saar- brücken wie folgt festgelegt:

Tagesordnung

1. Erklärung des Vorstandes der Bundesärztekammer 2. Gesundheits- und Sozialpolitik

(Referent: Prof. Dr. Sewering, Präsident der Bundesärzte- kammer und des Deutschen Ärztetages)

3. Psychiatrie-Enquete

(Referent: Prof. Dr. K. Heinrich)

4. Berufsordnung für die deutschen Ärzte

(Referent:

Dr. Baldus, stellvertr. Vorsitzender der Ständi- gen Konferenz zur Beratung der Berufsordnung für die deutschen Ärzte)

5. Weiterbildungsordnung

(Referent: Prof. Dr. Sewering, Vorsitzender der Ständigen Konferenz „Ärztliche Weiterbildung - )

6. Ärztliche Ausbildung

(Referent: Dr. Hoppe, Vorsitzender des Ausschusses „Ap- probationsordnung")

7. Änderung der Satzung der Bundesärztekammer

(Referent: Prof. Deneke, Hauptgeschäftsführer der Bun- desärztekammer)

8. Tätigkeitsbericht der Bundesärztekammer

(Referent: Prof. Deneke, Hauptgeschäftsführer der Bun- desärztekammer)

(Dr. Bourmer, Vizepräsident der Bundesärztekammer, wird in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Ausschusses

"Arzt im Krankenhaus'' einen Bericht erstatten) 9. Finanzbericht der Bundesärztekammer für 1976

(Referent: Dr. Werner, Vorsitzender des Finanzausschus- ses

und der Ständigen Konferenz für Finanzfragen)

10. Bericht des Finanzausschusses der Bundesärztekammer

(Referent: Dr. Werner, Vorsitzender des Finanzausschus- ses und der Ständigen

Konferenz für Finanzfragen) 11. Entlastung des Vorstandes der Bundesärztekammer 12. Voranschlag für das Geschäftsjahr 1978

(Referent: Dr. Werner, Vorsitzender des Finanzausschus- ses

und der Ständigen Konferenz für Finanzfragen)

13. Wahl des Finanzausschusses der Bundesärztekammer 14. Nachwahl eines Vorstandsmitgliedes der Deutschen

Akademie der Fachärzte

15. Wahl des Tagungsortes des 81. Deutschen Ärztetages

1406 Heft 21 vom 26. Mai 1977

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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