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ationierung gehört seit dem In- Kraft-Treten des Gesundheitsre- formgesetzes 2000 zum Alltag in Praxis und Klinik. In dieser Aussage waren sich Bayerns Landesärztekam- mer-Präsident Dr. med. H. Hellmut Koch und Sozialministerin Barbara Stamm (CSU) bei der Eröffnung des 53. Bayerischen Ärztetags Anfang Ok- tober in Amberg einig. Die Staatsmini- sterin forderte die Bundesregierung zu grundlegenden Korrekturen in der Ge- sundheitspolitik auf. Ihre Amtskollegin in Berlin möge sich die wachsende Un- zufriedenheit der Leistungserbringer, die Proteste der Versicherten und die fi- nanzielle Situation der Krankenkassen vor Augen führen und die ordnungs- und gesundheitspolitischen Webfehler der letzten Gesundheitsreform beseiti- gen. „Es knistert nicht mehr, es kracht schon im Gebälk des Gesundheitswe- sens. Die Budgetierungspolitik, deren Asche längst im Meer versunken sein sollte, erlebt eine fast schon gespensti- sche Wiederauferste-hung“, kritisierte die CSU-Politikerin.
Koch mahnte, die hippokratische Ethik dürfe nicht zu einer Finanzierungsgröße werden. „Wir dürfen nicht zulassen, dass die Politik unsere ethi- schen Einstellungen ausnützt und uns zum ,billigen Jakob‘ im Gesundheitswesen macht.“ Die Diskussi- on um die künftige Finanzierung des Ge- sundheitswesens zei- ge, dass es ein Irrweg
sei, zu glauben, das System zentrali- stisch durch den Gesetzgeber steuern zu können. „Paragraphen ändern keine Mentalität.“ Koch rief vielmehr zu einer
Offensive für Vertrauen auf: Vertrauen für die Patienten, bei der Politik, um zu einem sinnvollen Dialog zu kommen, bei den Kassen, um den Dialog auf- rechtzuerhalten, und nicht zuletzt unter den Ärztinnen und
Ärzten sowie deren Selbstverwaltungen.
Die 180 Delegierten (für rund 60 000 Ärz- te) haben die bayeri- sche Berufsordnung in- folge des Beschlusses zur (Muster-)Berufs- ordnung des 103.
Deutschen Ärztetags 2000 in Köln geändert.
Ein kleiner Unter- schied zu dem Kölner Muster: Was an Inhalt, Form und Umfang der Informationen für Pra- xisschilder, Anzeigen,
Verzeichnisse, Patienteninformationen in Praxisräumen und öffentlich abruf- baren Arztinformatio- nen in Computer- Kommunikationsnet- zen erlaubt ist, gilt auch für Ankündigun- gen auf Briefbögen, Rezeptvordrucken, Stempeln sowie im sonstigen beruflichen Schriftverkehr.
Fortbildung zertifiziert
Ebenfalls gebilligt wur- de die Einführung ei- nes Fortbildungszerti- fikats auf freiwilliger Basis. Getestet wurde das Projekt von April 1998 bis April 2000 in einer Modellphase, die jetzt bis Ende dieses Jahres verlängert wurde. Der niedrig-
schwellige Einstieg mit 20 Fortbildungs- punkten je Jahr und einer pragma- tischen, serviceorientierten Handha- bungsweise brachte Akzeptanz. Mit stei- gender Tendenz haben während des Modell-Laufs 3 108 bayerische Ärztin- nen und Ärzte ein Fortbildungszertifikat erworben. Ähnliche Modelle bestehen auf Bundes- und europäischer Ebene.
Wegen der europäischen Harmoni- sierungstendenzen hinsichtlich der An- erkennungsverfahren zur Ausfertigung von Fortbildungszertifikaten mussten für die Weiterführung der Zertifizie- rung einige Modifikationen beschlos- sen werden. Ab 1. Ja- nuar 2001 gilt, dass ein Fortbildungszertifikat ausgestellt wird, wenn der Arzt in drei Jah- ren 150 Fortbildungs- punkte erworben so- wie dokumentiert und einen Antrag bei der Bayerischen Landes- ärztekammer gestellt hat.
Ein Fortbildungs- Punkt entspricht einer abgeschlossenen Fort- bildungsstunde (45 Mi- nuten). Für struktu- rierte interaktive Fort- bildung via Internet, CD-ROM oder Fachzeitschriften mit nachgewiesener Qualifizierung und schriftlicher Aus- wertung des Lernerfolgs gibt es einen Punkt je Übungseinheit, höchstens 30 Punkte innerhalb von drei Jahren. Das Fortbildungszertifikat darf in den Pra- xisräumen sowie in den Praxisinfor- mationen im Wartezimmer oder auf der Homepage im Internet bekannt gemacht werden.
Koch demonstrierte den Delegierten das neue Patienteninformationssystem der Bayerischen Landesärztekammer.
Es sei in dieser Form einmalig, da es nicht nur den Zugang zu bereits beste- henden Homepages der bayerischen Ärztinnen und Ärzte eröffne, sondern mit einem Navigationssystem ausge- stattet sei. Patienten können über die Internet-Adresse www.arzt-bayern.de einen „Arzt in Ihrer Nähe“ finden – ein Angebot, das in den ersten vier Wochen bereits zu mehr als 27 000 Suchanfragen
führte. Klaus Schmidt
P O L I T I K
A
A2750 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 42½½½½20. Oktober 2000
53. Bayerischer Ärztetag in Amberg
Offensive für Vertrauen
Auf die Kritik an der Gesundheitsreform 2000 folgten Beschlüsse zur Berufsordnung und zur Fortbildung.
Dr. med. H. Hellmut Koch: „Wir dürfen nicht zulassen, dass uns die Politik zum billigen Jakob im Gesundheitswesen macht.“
Foto: Johannes Aevermann
Barbara Stamm: „Die Budge- tierungspolitik feiert eine ge- spenstische Wiederauferste- hung.“ Foto: Kurt R. Hiller