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Archiv "Berichte vom 91. Deutschen Ärztetag in Frankfurt: Bei der Gesundheitsförderung hat der Arzt eine Schlüsselfunktion" (02.06.1988)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

AKTUELLE POLITIK

Berichte vom 91. Deutschen Ärztetag in Frankfurt

Bei der Gesundheitsförderung

W abriich reif war das The- ma "Prävention" für eine umfas- sende Meinungsbildung und Stellungnahme des Spitzengre- miums der Ärzteschaft Eine ent- sprechende Resolution wurde nach Erläuterung und Begrün- dung durch das Vorstandsmit- glied der Bundesärztekammer Professor Dr. Horst Bourmer und nach konzentrierter Aussprache vom 91. Deutschen Ärztetag un- ter dem Tagesordnungspunkt ,,Gesundheitsförderung als ärzt- liche Aufgabe" verabschiedet (und in Heft 21 vom 26. Mai ver- öffentlicht). Nebenstehend wird die Berichterstattung über den 91. Deutschen Ärztetag in Frank- furt fortgesetzt mit einer Zusam- menfassung des Referates von Prof. Bourmer und der interes- santen Diskussion darüber.

Für bessere Konflikt- beratung bei ungewollten Schwangerschaften

e

Ein Schwerpunkt der Be- ratungen des 91. Deutschen Ärz- tetages: der aktuelle Referen- tenentwurf zu einem Schwange- renberatungsgesetz.

e

Außerdem auf den fol- genden Seiten: die abschließen- de Berichterstattung über die teils sehr lebhafte Diskussion und die Beschlüsse zu den Ta- gesordnungspunkten Satzung und Geschäftsordnung, Tätig- keitsbericht und Finanzen.

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Und zum guten Schluß bekräftigten die Delegierten:

Der Deutsche Ärztetag ist die demokratisch legitimierte Vertretung der deutschen Ärzteschaft

hat der Arzt eine Schi üsselfunktion

Forderungen an eine künftig stärker präventiv orientierte Gesundheitspolitik

D

er Wissensstand der Be- völkerung über die Zu- sammenhänge zwischen ungesunder Lebensweise, Risikofaktoren und Zivilisations- krankheiten nimmt nachweisbar zu.

Ebenso ist das ärztliche Interesse an der Prävention zweifellos gewach- sen. Trotzdem wird noch immer über Prävention mehr geschrieben, gesprochen und diskutiert, als von den längst vorhandenen Erkenntnis- sen in die praktische Tat umgesetzt wird. Viele Anzeichen sprechen aber dafür, daß sich dies in naher Zukunft ändern könnte:

... Mehr jüngere Ärztinnen und Ärzte werden in der Prävention Chancen zur Erweiterung der Basis ärztlicher Tätigkeit sehen;

..,.. die Krankenversicherung öffnet sich allmählich der Erkennt- nis, daß sie nicht in der aus ihren Gründerjahren stammenden einsei- tigen Konzentration auf die kurative Medizin verharren kann;

..,.. Prävention und Gesund- heitsförderung werden zunehmend als Gemeinschaftsaufgaben verstan- den, bei denen Ärzte mit anderen Berufen zusammenarbeiten, an de- nen aber auch andere Bereiche der Gesellschaft mitwirken müssen.

Diese Entwicklungen zu bele- gen, daraus Schlüsse zu ziehen und konkrete, in die Zukunft weisende Zielformulierungen abzuleiten, hat- te Professor Dr. Horst Bourmer, Präsident der Ärztekammer Nord- rhein und Vorsitzender des Bun-

desärztekammer-Ausschusses , , Ge- sundheitsberatung und -vorsorge", übernommen. Dabei verzichtete Bourmer darauf, sein vorbereitetes Referat - das den Delegierten als Umdruck zur Verfügung stand - zu verlesen, sondern trug die Kernaus- sagen in freier Rede vor.

Nachdem das gesundheitsge- rechte V erhalten des Menschen schon seit dem vorchristlichen Alter- tum im Sinne der umfassenden , ,Diaitaia'' immer einen hohen Stel- lenwert hatte, trat etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts die diagno- stisch-kurative Medizin in den Vor- dergrund der ärztlichen Tätigkeit.

Sie beherrschte dann auch die im Gefolge der Industrialisierung ent- stehende Krankenversicherung. Erst in den fünfzigerJahrenunseres Jahr- hunderts, führte Bourmer aus, habe die Wiederentdeckung der , , Tugend der Prävention'' begonnen: Die 1958 als Fachgebiet definierte Sport- medizin bezeichnete die Prävention in Forschung, Lehre und Praxis als ihre wichtigste Aufgabe; 1960 wurde der Hufelandpreis für präventivme- dizinische Forschung gestiftet; in den gesundheitspolitischen Thesen des Hartmannbundes von 1972 war schon von der "präventivmedizini- schen Schlüsselfunktion des Arztes'' die Rede; die "Gesundheits- und so- zialpolitischen Vorstellungen der deutschen Ärzteschaft'' das , ,Blaue Papier'' - enthielten von Anfang an Forderungen zur Präven- tion und Gesundheitsförderung, die Dt. Ärztebl. 85, Heft 22, 2. Juni 1988 (19) A-1591

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jetzt in dem dem Frankfurter Ärzte- tag vorliegenden Leitantrag des Vorstandes der Bundesärztekammer

(DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 21/1988) quasi erneut fortge- schrieben worden sind.

Professor Bourmer konnte je- denfalls feststellen: "Die Tatsache, daß der Deutsche Ärztetag 1988 der präventiv orientierten Gesundheits- förderung einen besonderen Stellen- wert einräumt, macht deutlich, daß sich alle ärztlichen Organisationen in der Beurteilung der Bedeutung der Prävention einig sind.''

Bourmer gab sodann eine Be- stimmung der Begriffe, die in der präventiv-medizinischen Literatur und Diskussion noch immer zu un- terschiedlich interpretiert würden.

Die Gesundheitsförderung müsse unterteilt werden in die zwei Haupt- gebiete Gesundheitsbildung und Prävention. Die Gesundheitsbildung wiederum sei in drei Teilbereiche zu gliedern:

~ Gesundheitsaufklärung ist im wesentlichen Wissensvermittlung;

sie informiert über Gesundheits- probleme und schädigende bezie- hungsweise fördernde Faktoren. Sie beeinflußt das Gesundheitsverhalten nicht unmittelbar, ist aber die Vor- aussetzung für weitere Maßnahmen, die verhaltensmodifizierend wirken können.

~ Gesundheitserz{ehung ist ei- ne pädagogische Aufgabe, in erster Linie für Eltern und Lehrer. Sie soll gesundheitsförderndes V erhalten einüben und Hilfestellungen dafür geben.

~ Gesundheitsberatung ist eine spezifisch ärztliche Aufgabe, speziell für Allgemeinärzte, Allgemein-In- ternisten, Kinderärzte, Frauenärzte, aber auch für Arbeitsmediziner und Ärzte im öffentlichen Gesundheits- dienst. Sie hat dem noch gesunden, aber vielleicht schon gefährdeten Menschen durch vorsorgliche Bera- tung Gesundheitsrisiken vermeiden zu helfen oder sich abzeichnende Krankheiten im Frühstadium zu er- kennen.

Hier gibt es also schon den Übergang zur Prävention, die eben- falls dreifach gegliedert ist:

~ Primärprävention: Gesund- heitserhaltung und Ausschaltung

von Risikofaktoren für die Gesund- heit;

~ Sekundärprävention: Krank- heitsfrüherkennung;

~ Tertiärprävention: Rückfall- verhütung bei eingetretener Krank- heit oder vorhandenen Schäden.

Anhand epidemiologischer Stu- dien, insbesondere aus den USA, aber auch aus der Bundesrepublik, belegte Bourmer die Wirksamkeit von Prävention und Gesundheitsbil- dung als Methoden zur V erminde-

Professor Dr. Horst Bourmer, Vorsitzender des Ausschusses , , Gesundheitsberatung und -vorsorge" und Präsident der Ärzte- kammer Nordrhein, unterstrich die Schlüs- selrolle des Arztes in Prävention und Ge- sundheitsberatung, zunehmend in Koope- ration mit anderen Berufsgruppen

rung der ErkrankungshäufigkeiL Ein Kernsatz: "Die kurative Medi- zin allein ist nicht in der Lage, im Kampf gegen die chronischen Krankheiten unserer Gegenwart zu bestehen.''

Bourmers Forderungen an eine künftig stärker präventiv orientierte

Gesundheit~politik richten sich zum Teil an die Arzte, aber auch an viele andere Adressaten:

e

Mehr und bessere präventiv ausgerichtete Fortbildungsangebote A-1592 (20) Dt. Ärztebl. 85, Heft 22, 2. Juni 1988

für Ärzte (der Sommerkongreß in Meran 1987 sei dafür beispielhaft ge- wesen - mit leider wenigen Teilneh- mern);

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Ein Gesundheits-Check-up im Zweijahresabstand (wie er im GRG-Entwurf vorgesehen ist) könnte, meinte Bourmer, von der Bevölkerung besser akzeptiert wer- den als die bisherigen Krebsfrüher- kennungs-Untersuchungen;

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Gesundheitsberatung als prä- ventive kassenärztliche Leistung (leider, so Professor Bourmer, scheiterte eine entsprechende Wei- chenstellung im Rahmen der EBM- Reform weitgehend am Widerstand der Krankenkassen, die eben nicht daran interessiert seien, der Ärzte- schaft größere Einwirkungsmöglich- keiten in der Primärprävention zu eröffnen);

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Einführung eines obligatori- schen Gesundheitsunterrichts in der Schule (in zehn Hauptschuljahren könnte man mindestens das Wis- sens- und Fertigkeitsniveau der Er- sten Hilfe und der Kleinen Kran- kenpflege vermitteln);

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Mehr Forschung auf dem Gebiet der Prävention

I Einsetzen Gesundheitserziehung für die

Die von Vizepräsident Dr. Hel- mut Klotz geleitete Diskussion brachte viele weitere Anregungen und konstruktive Vorschläge. Die Kolleginnen und Kollegen wurden aufgefordert, sich mit Vorträgen in Volkshochschulen, Vereinen und dergleichen für die Gesundheitser- ziehung einzusetzen. Das Werbever- bot der Berufsordnung werde da- durch nicht berührt. In diesem Sinne wurde auch der Leitantrag des Vor- standes ergänzt.

Ein von Präsidiumsmitglied Dr.

Ellis Huber vorgelegter, umfangrei- cher Entschließungsantrag wurde unter anderem als "zu lyrisch" cha- rakterisiert. Dr. Huber berief sich auf eine von der Weltgesundheitsor- ganisation (WHO) im November 1987 in Ottawa beschlossene Charta, auf die er sich bei der Formulierung weitgehend gestützt habe; auch die

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Dr. Erwin Hirschmann, Bundesvorsitzen- der des NAV, unterstützte besonders die Forderung nach Gesundheitsunterricht in Schulen; er ist Kinderarzt und gibt selbst solchen Unterricht Foto: Argus

Ortskrankenkassen hätten diese Charta voll übernommen. Huber unterlag aber mit diesem Antrag fast kampflos.

Ähnlich erging es der Delegier- ten Constanze Jacobowski — eben- falls Berlin —, die eine „gesprächs- orientierte und personale Betreu- ung" durch den Arzt in den Vorder- grund gestellt wissen wollte und die

„Thematisierung des psychischen und sozialen Hintergrundes" von Krankheiten für wichtiger hielt als die „ungezielte Ausweitung diagno- stisch-technischer Früherkennungs- untersuchungen" .

Dies ging den meisten Dele- gierten denn doch zu weit über je- ne „sprechende Medizin" hinaus, für die sich auch Dr. Franz-Josef Große-Ruyken (Präsident der Landesärztekammer Baden-Würt- temberg) einsetzte in dem Sinne:

nicht gleich zum Rezeptblock grei- fen, sondern vorher die Risikofak- toren und die Gründe dafür ermit- teln. Einen Kontrapunkt dazu setz- te Professor Dr. Waldemar Hecker (Bayern), der verlangte, daß end- lich die Sonographie in die pro- grammierten Früherkennungsunter- suchungen eingeführt werden sollte

Dr. Franz-Josef Große-Ruyken, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württem- berg, sprach als langjähriger Verfechter des Präventionsgedankens mit prakti- schen Erfahrungen aus Modellversuchen

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— zum Beispiel im Betriebssport, bei der Diätberatung oder für Selbsthil- fegruppen —, wurde in einer eigenen Entschließung noch einmal bekräf- tigt.

Nur zu einem Antrag gab es ei- nige Unklarheiten (und daher eine zweite Lesung): vielen Delegierten scheint die Regelung überholt, nach der Untersuchungen unter dem Jugendarbeitsschutzgesetz auf das 18. Lebensjahr beschränkt sind. Die Berufsaufnahme erfolgt ja immer häufiger nach dem 18. Lebensjahr.

Hiermit soll sich der Vorstand be- schäftigen.

Die Bitte eines Berliner Dele- gierten unterstützte das Ärztetags- Plenum (in seinem fensterlosen Ta- gungssaal): darauf zu dringen, daß Schulgebäude, die ohne Fenster er- baut worden sind, saniert werden.

Und ebenso stimmte der Ärztetag der Forderung zu, die Medien soll- ten Prominente nicht abbilden, die gerade rauchen oder Alkohol trin- ken. Die Aufzählung „Politiker, Filmstars, Schauspieler und andere Leitbilder der Bevölkerung" wurde jedoch ergänzt: denn auch Ärzte sollten sich in dieser Beziehung ihrer Leitbildfunktion bewußt sein. gb

— dies sei viel wichtiger als die

„Gesprächsorientierung".

Für den Gesundheitsunterricht in der Schule setzten sich zwei Fach- leute ein, nämlich der NAV-Vorsit- zende Dr. Erwin Hirschmann und Professor Dr. Detlef Kunze, die bei- de seit Jahren in Münchener Schulen unterrichten.

Eine mit großer Mehrheit ange- nommene Entschließung fordert die Kultusminister der Länder auf, sol- chen Unterricht in allen Schulen ein- zuführen und dazu Ärzte heranzu- ziehen, ebenso wie zu parallel zu fordernden Pflichtvorlesungen in der Lehrerbildung. Hierzu müßte aber auch eine entsprechende, di- daktische, rhetorische und fachliche Befähigung von Ärzten und Medi-

Dr. Ellis Huber, Präsident der Ärztekam- mer Berlin, unterlag mit seinem Entschlie- ßungsantrag, der im Sinne der „World Health Organization" formuliert war

zinstudenten gehören, hieß es in der Diskussion. Die Landesärztekam- mern und ihre Fortbildungsakade- mien sollten entsprechend tätig wer- den und auch Unterrichtsmateria- lien erarbeiten.

Daß engagierte Arbeitsmedizi- ner und Betriebsärzte von allen Ver- antwortlichen dabei unterstützt wer- den müßten, wenn sie sich über ihre eigenen Aufgaben hinaus betätigen

Dt. Ärztebl. 85, Heft 22, 2. Juni 1988 (21) A-1593

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