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A498 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 821. Februar 2003
Der häufigste Grund für Arztbesuche sind chronische Schmerzen, vor allem Kopf- und Rückenschmerzen, ge- folgt von Tumor- und neuro- pathischen Schmerzen. Die Therapie dieser schätzungs- weise acht bis zehn Millio- nen Schmerzpatienten ist oft schwierig und langwierig, und trotz des enormen Wissenszu- wachses in den letzten 20 Jahren werden viele Patien- ten nicht adäquat behandelt.
Zum Beispiel weiß man heu- te, dass Schmerzen nicht in ei- nem fest verkabelten Netz- werk aus Nervenbahnen wei- tergeleitet werden, sondern dass das nozizeptive System vom Rezeptor bis zur subjek- tiven Schmerzempfindung pla- stisch und damit auf Dauer veränderbar ist.
Mit dem Wissenszuwachs entstanden auch neue Ideen für die Schmerztherapie. So kann das nozizeptive System mit Medikamenten moduliert werden, die keine Analgetika sind. Zu diesen Ko-Analge- tika gehören zum Beispiel Antiepileptika oder Antide- pressiva.Wie wichtig die Fort- bildung ist, zeigt das Beispiel der neuropathischen Schmer- zen. Etwa 20 Prozent aller Pa- tienten, die in eine Spezialein- richtung der Schmerztherapie kommen, leiden an solchen brennenden, einschießenden Nervenschmerzen, etwa we- gen einer diabetischen Neu- ropathie, Gürtelrose oder Amputation. Diese Patienten haben eine Odyssee hinter sich – mit vielen erfolglosen Therapieversuchen. Bei einer Befragung in den USA gaben nur 30 Prozent der Ärzte an, neuropathische Schmerzen sicher diagnostizieren zu kön- nen; nur 20 Prozent kannten eine adäquate Therapie.
Diese besteht bei neuropa- thischen Schmerzen oft nicht in der Gabe klassischer Anal-
getika wie nichtsteroidale An- tirheumatika (NSAR) oder Opioide. Erfolgreich sind Anti- depressiva und Antikonvul- siva, wie das Neurontin, das seit zwei Jahren zur Therapie der diabetischen Polyneuro- pathie und der postposteri- schen Neuralgie zugelassen ist. Seit Juli 2002 kann es auch zur Behandlung neuropathi- scher Schmerzen in allen Indi- kationen eingesetzt werden.
Die Praxis sieht in Deutsch- land jedoch anders aus: Nur ein Prozent der Patienten mit neuropathischen Schmerzen erhält Antidepressiva, zwei Prozent bekommen Antiepi- leptika. 66 Prozent dagegen werden mit NSAR bezie- hungsweise COX-2-Hemmern behandelt, 16 Prozent mit An- algetika, zehn Prozent mit Muskelrelaxanzien und fünf Prozent mit Vitamin B12.
Ein neues Präparat für akute Schmerzen steht mit
dem hochselektiven COX- 2-Inhibitor Valdecoxib (Bex- tra®) zur Verfügung: „Valde- coxib ist ein besonders star- kes, schnell wirkendes Anal- getikum“, betonte Dr. Tho- mas Brabant (Bremen). Ne- ben der Behandlung von Schmerzen und Entzündun- gen bei rheumatoider Arthri- tis und Osteoarthrose ist Val-
decoxib der erste COX-2-In- hibitor, der auch für die Be- handlung von Schmerzen bei der primären Dysmenorrhö zugelassen ist. Die Marktein- führung ist für das Jahr 2003 geplant. Dorothee Hahne
Pressekonferenz „Pfizer: ein starker Part- ner gegen den Schmerz“ anlässlich des Deutschen Schmerzkongresses in Aachen
Neuropathische Schmerzen
Klassische Analgetika reichen meist nicht aus
„pain academy“
bietet Fortbildung
Eine Möglichkeit der Fortbildung im Bereich Schmerztherapie bietet die pain academy: Diese Initiative der Firma Pfizer GmbH führt bun- desweit Fortbildungsveranstaltun- gen für Ärzte durch, in denen neue Erkenntnisse aus der Schmerzfor- schung, -diagnostik und -therapie vermittelt werden. Alle Veranstal- tungen werden durch die zustän- dige Landesärztekammer zertifi- ziert. „Die Ärztekammern prüfen die Inhalte, die Erfahrung der Red- ner und die Produktneutralität“, sagte Prof. Ralf Baron von der Uni- versitätsklinik in Kiel. Seit ihrer Gründung vor einem Jahr hat die pain academy 208 Veranstaltun- gen organisiert, in denen etwa 100 Redner aus Klinik und Praxis mehr als 14 verschiedene Fortbildungs- themen rund um die Schmerzthe-
rapie anbieten. DH
Unternehmen
Rund einem Drittel der Migrä- nepatienten bringt ein Akut- medikament nur vorüberge- hend Schmerzlinderung oder Schmerzfreiheit; innerhalb von 48 Stunden beginnt die Kopf- schmerztortur von neuem.
„Dieses Problem des Wie- derkehr-Kopfschmerzes wur- de in klinischen Studien bis- her zu wenig beachtet“, sag- te Priv.-Doz. Stefan Evers, Universitätsklinikum Münster.
Daher gilt die anhaltende Schmerzfreiheit als härtestes Kriterium für die Behand- lung von Migräneattacken:
Der Kopfschmerz muss zwei Stunden nach Einnahme des Medikamentes verschwunden sein und darf innerhalb von 48 Stunden nicht wieder- kehren.
Wie sehr der Wiederkehr- Kopfschmerz Patienten bela- stet, zeigen Befragungen: Pa- tienten wünschen sich von einem Migränemedikament zwar vor allem Schmerzfrei- heit, genauso wichtig finden sie jedoch, dass der Kopfschmerz anhaltend verschwindet. An- ders die Einschätzung der Ärz- te: Auch bei ihnen steht die Schmerzfreiheit an erster Stel- le, die Wiederkehr des Kopf- schmerzes spielt jedoch nur ei- ne untergeordnete Rolle.
„Ärzte sollten bei der Wahl des geeigneten Akutmedika- mentes auch das Phänomen des Wiederkehr-Kopfschmer- zes berücksichtigen“, fordert Evers. Für dessen Behandlung
gibt es drei Therapiestrategien.
Die erste Wahl sei, eine zwei- te Dosis desselben Triptans zu geben. Damit würden die Schmerzen bei 80 Prozent der Patienten gelindert, 50 Prozent würden schmerzfrei. Die The- rapie der zweiten Wahl sei, zur zweiten Triptandosis gleichzei- tig ein nichtsteroidales Anti- rheumatikum zu geben. Damit halbiere sich die Rate des Wie- derkehr-Kopfschmerzes. Die dritte Alternative sei, ein Trip- tan mit längerer Halbwertszeit einzusetzen: „Je länger die Halbwertszeit, desto geringer ist die Relapserate, also die Wahrscheinlichkeit des Auf- tretens eines Wiederkehr- Kopfschmerzes“, sagte Evers.
Neuere klinische Studien zur Akutbehandlung von Mi- gräneattacken mit Triptanen zeigen, dass die Relapserate zwischen sieben und 53 Pro- zent liegt – mit den geringsten Werten für Frovatriptan und Naratriptan. Frovatriptan ist als Allegro® im November 2002 eingeführt worden.
Allerdings ist die Therapie des Wiederkehr-Kopfschmer- zes eine Gratwanderung, denn der mehrfache Gebrauch von Triptanen kann das Problem des medikamentös induzier- ten Kopfschmerzes nach sich
ziehen. DH
Frühstücksseminar: „Aktuelle Migräne- therapie – Für die tägliche Praxis“ der Firma Berlin-Chemie AG anlässlich des Deutschen Schmerzkongresses in Aachen