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Archiv "Suchtintervention bei Ärzten: Ein schmaler Grat" (26.10.2012)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 109

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Heft 43

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26. Oktober 2012 A 2151 SUCHTINTERVENTION BEI ÄRZTEN

Ein schmaler Grat

Seit fast 20 Jahren begleitet die Ärztekammer Hamburg suchtkranke Mediziner.

sind die Finanzen schon in Schief- lage, oder es gibt familiäre Ausein - andersetzungen und andere Auffäl- ligkeiten, so dass sich Dritte an die Kammer wenden. Die Angst vor Aufdeckung ist groß und bedroht die Existenz: Der Arbeitsplatz, die Approbation sind in Gefahr, Re- gresse oft die Folge.

Das Interventionsprogramm hat in der Hansestadt drei Phasen: Klä- rung, Therapie und Nachsorge.

In der Klärungsphase – sie dau- ert etwa ein bis vier Wochen – wer- den Gespräche mit dem Betroffe- nen geführt. Die Ärzte sind meist in einem desolaten Zustand, oft auch aggressiv, intoxikiert. Deshalb sei es notwendig, so Beelmann, eine Gesprächsatmosphäre zu schaffen, in der Abwehr und Aggression auf- gefangen werden. In nahezu allen Fällen kann das Bestehen einer Ab- hängigkeitserkrankung deutlich ge- macht werden. Kommt man nicht zu diesem Einvernehmen, versucht Beelmann Betroffene zu überzeu-

W

ie ist denn die typische Suchtkarriere eines Arztes?

Diese Frage stellen Journalisten, die sich für das Suchtinterventions- programm der Ärztekammer Ham- burg interessieren, eigentlich im- mer. Und sind enttäuscht, wenn sie darauf die Antwort erhalten: „Nein, die gibt es nicht.“ Dr. med. Klaus Beelmann, Geschäftsführender Arzt der Kammer und Leiter des Inter- ventionsprogramms entgegnet, dass es sehr unterschiedliche Wege in die Sucht gibt. Obwohl Ärzte leich- teren Zugang zu Opiaten und ande- ren Medikamenten haben, steht der Alkoholmissbrauch als Suchtmittel nach wie vor an erster Stelle.

Seit fast 20 Jahren begleitet die Ärztekammer Hamburg suchtkran- ke Mediziner. „Mit dem Interventi- onsprogramm haben wir einen sehr strukturierten Ablauf geschaffen“, so Beelmann, den es freut, dass in- zwischen auch alle anderen Landes- ärztekammern Hilfen für süchtige Ärzte anbieten. „Wir bewegen uns hier allerdings immer auf dem schmalen Grat zwischen Fürsorge für den einzelnen Arzt und dem Schutz der Patienten.“ In Hamburg beginnen circa sechs Ärzte jedes Jahr neu mit einer Intervention.

„Leider meist sehr spät“, sagt Beel- mann. Denn durch das Selbstver- ständnis des „unverwundbaren Hel- fers“ dauere es bei Ärzten oft län- ger, bis Hilfe gesucht werde. Oft

Foto: mauritius images

Wir bewegen uns hier allerdings auf dem schmalen Grat zwischen Fürsorge für den einzelnen Arzt und dem Schutz der Patienten.

Klaus Beelmann, Leiter des Interventionsprogramms der Ärztekammer Hamburg

gen, dass Untersuchungen objekti- ve Ergebnisse bringen und so den bestehenden Verdacht auf eine Suchterkrankung bestätigen oder entkräften.

In der etwa zwei Monate dauern- den Therapiephase finden die Ent- giftung, meist übernommen von der Krankenversicherung, und Entwöh- nung in einer Suchtklinik statt. Die Kammer hilft bei der Auswahl und unterstützt bei der Organisation der Praxisvertretung. Sie spricht mit dem Versorgungswerk über die Kostenübernahme der Entwöh- nungsbehandlung. In Hamburg übernimmt das Versorgungswerk die Kosten der ersten Entwöh- nungsbehandlung (und gegebenen- falls bei einer zweiten 50 Prozent).

In der zwei Jahre dauernden Nachsorgephase werden in einer Vereinbarung Maßnahmen festge- legt. Direkt nach dem Klinikaufent- halt verpflichtet sich der Arzt, mo- natlich eine gutachterliche Untersu- chung durchführen zu lassen. Die Kammer führt ebenfalls monatlich mit dem Betroffenen ein Gespräch zur Situation und initiiert Abstinenz- kontrollen, auch unangemeldet. Die Kammer behält zudem im Blick, ob die Psychotherapie und die Selbst- hilfegruppe regelmäßig besucht wer- den. Bei Rückfällen muss neu ent- schieden werden, inwiefern das Suchtinterventionsprogramm wei- tergeführt werden kann oder ob ein Abbruch notwendig ist. Denn die Gesundheitsbehörde – in Hamburg für Erteilung und Entzug der Appro- bation zuständig – ist über die Teil- nahme am Interventionsprogramm informiert. Das war in den ersten Jahren anders. Damals gab es keine

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26. Oktober 2012 Meldung von der Ärztekammer an

die Behörde. Inzwischen wird die Durchführung des Interventions- programmes gebilligt, und approba- tionsrechtliche Schritte werden nur dann eingeleitet, wenn der Arzt nicht gut mitarbeitet und sich den vereinbarten Auflagen entzieht.

Diese Absprachen sichern das Inter- ventionsprogramm rechtlich ab und schaffen eine solide Basis für die Rückkehr in den Beruf.

Den Erfolg des Suchtinterventi- onsprogramms – bisher wegen der kleinen Fallzahlen nicht wissen- schaftlich evaluiert – statistisch zu be- messen, fällt schwer. Beispielsweise gab es den tragischen Fall eines Arz- tes, der die Intervention nach zwei Jahren erfolgreich abgeschlossen hat- te, aber nur zwei Monate darauf durch einen Rückfall starb. Doch etwa 75 Prozent schaffen es, die Suchtin- tervention erfolgreich abzuschließen, und weitere 15 Prozent schaffen es trotz eines oder mehrerer Rückfälle.

Einer Reihe von Fragen wird sich die Kammer künftig widmen:

Wie gelingt ein guter Übergang in der Betreuung von einer Kammer zu anderen? Wie sollte präventiv der Sucht bei Ärzten vorgebeugt werden? Lassen sich Kriterien ent- wickeln, unter welchen Bedingun- gen die Kammer die Kosten für das Programm trägt? „Wir suchen ver- stärkt den Kontakt zur betrieblichen Suchtintervention“, sagt Beelmann.

Der Austausch kann helfen, dass Kolleginnen und Kollegen den Mut finden, Betroffene selbst anzuspre- chen oder dass sie die Kammer in- formieren, wenn eine Suchterkran- kung vorliegt. Denn der Gedanke,

„ich möchte meinen Kollegen nicht verpetzen“, ist leider noch immer weit verbreitet – Verdachtsfälle werden von Kollegen meist nur ge- nannt, wenn vorher zugesichert wurde, dass der Betroffene nicht er- fährt, wer „gemeldet hat“. „Das ist falsch verstandene Solidarität“,

meint Beelmann, der es aber auch für den besseren Weg hält, zunächst frühzeitig den Betroffenen selbst anzusprechen und dann erst Kam- mer oder Vorgesetzte zu informie- ren. „Der hohe Grad an Verantwor- tung für die Patienten lässt keinen anderen Weg zu, und letztlich sieht der Betroffene das im Nachhinein meist sehr positiv.“

Eine wichtige Neuerung auf Bundesebene wird demnächst Aus- wirkungen auf das Interventions- programm haben. In § 21 der Zulas- sungsverordnung war bis Ende 2011 geregelt, dass ein suchtkran- ker Arzt nicht geeignet ist, die ver- tragsärztliche Tätigkeit auszuüben – und hier drohte dann tatsächlich der sofortige Entzug der Zulassung, wenn die Suchterkrankung bekannt wurde. Im neuen Gesetz befindet sich nun eine etwas weichere For- mulierung: Danach gilt ein Arzt als ungeeignet, wenn er aus gesund- heitlichen Gründen dauerhaft nicht in der Lage ist, die vertragsärztliche Tätigkeit auszuüben. Dadurch wird es nun eine Frage der Begutach- tung, ob ein Arzt arbeitsfähig ist.

Dorthe Kieckbusch,Ärztekammer Hamburg

Bei vielen neurochirurgischen Eingriffen (zum Beispiel am Kopf oder an der Halswirbelsäule) wird eine Einspannung in eine Mayfield-Halte- rung („Mayfield-Clamp“) vorgenommen. Dabei taucht häufig die Frage auf, ob dieser Eingriff eine gesondert berechnungsfähige Leistung im Sinne der Amtlichen Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) darstellt und – falls dies bejaht wird – wie diese Leistung auf Grundlage der GOÄ zu- treffend abzubilden ist.

Ist eine Mayfield-Halterung indiziert, so wird die Anlage in der Regel als eine zusätzliche und zeitlich getrennte ärztliche Maßnahme vor der Desinfektion und Abdeckung des Operationsfel- des und Beginn der Operation durchgeführt. Zur Frage der gesonderten Berechnungsfähigkeit der Anlage einer Mayfield-Klemme (oder vergleichba- rer Kopffixierungen mittels Schraubenfixation an der Schädelkalotte) kann zum Beispiel auf das Urteil des Landgerichts München I vom 22. Okto- ber 2003 (Az.: 9 S 23524/02) verwiesen werden:

Das LG München verwarf die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des AG München (Az.: 282 C 18468/01), in dem unter ande- rem festgestellt wurde „. . ., dass neben der eigentlichen Operationsleistung für verschie- dene schwierige oder umfangreiche Halterun- gen diese gesondert berechnet werden kön- nen“. Die gesonderte Berechnungsfähigkeit der Anlage einer Mayfield-Halterung vor neu- rochirurgischem Eingriff wurde auch durch eine Reihe von Amtsgerichtsurteilen bestätigt (zum Beispiel Arbeitsgericht Merzig, Zweig- stelle Wadern, Az.: 13 C 134/06, vom 5. De- zember 2007).

Mit der Nr. 2183 wird das „Operative(s) An- legen einer Extension am Schädel bei Behand- lung von Halswirbelverletzungen/-instabilitäten (z. B. Crutchfieldzange)“, mit der Nr. 2184 GOÄ hingegen das „Anlegen von Halo-Extensionen zur Vorbereitung der operativen Behandlung von Skoliosen und Kyphosen“ in Ansatz ge-

bracht. Der Leistungsinhalt der Nr. 2183 bildet insoweit die Extension als „Behandlung …“

bei Halswirbelsäulenverletzungen/-instabilitä- ten ab. Die Leistung nach Nr. 2184 GOÄ als Extension dient gemäß Leistungslegende hin- gegen der „Vorbereitung der operativen Be- handlung …“ bei anderen Eingriffen. Sie ist von daher, unter Berücksichtigung der Vor- schriften in § 6 Absatz 2 GOÄ (nach „Art, Kos- ten- und Zeitaufwand …“), als eine für die Fi- xierung des Kopfes in der aufwendigen (Sitz-)Position mittels Mayfield-Klemme gleich- wertige Leistung heranzuziehen. In den vorste- hend genannten Gerichtsurteilen wird für die Anlage einer (Mayfield-) Halterung vor neuro- chirurgischem Eingriff eine Zuordnung zu Nr.

2184 GOÄ für Recht erkannt.

Eine ausführliche Kommentierung der Ab- rechnung neurochirurgischer Leistungen kann der Kommentierung nach Brück et al. (Deut- scher Ärzte-Verlag, 3. Auflage, 24. Ergän- zungslieferung [in Vorbereitung]) entnommen werden. Dr. med. Tina Wiesener

GOÄ-RATGEBER

Gesondert berechnungsfähig: Kopfeinspannung mittels Mayfield-Klemme

Der Gedanke „ich möchte meinen Kollegen nicht verpetzen“

ist leider noch immer weit verbreitet.

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