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Archiv "Erkrankungen d er Niere (13): Renale Komplikationen durch jodhaltige Kontrastmittel in der bildgebenden Diagnostik" (10.04.1992)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

UR FORTBILDUNG

Erkrankungen d er Niere (13)

Renale Komplikationen durch jodhaltige

Kontrastmittel in der

bildgebenden Diagnostik

Thomas J. Vogl l ,

Brunhilde Hefele-Roedel l und Eckhard Held

ie Anwendung von jod- haltigen Kontrastmit- teln in der bildgeben- den Diagnostik ist trotz gewisser Risiken bei gegebener klinischer Indikation un- vermeidlich. Nach Gabe von jodhal- tigen Kontrastmitteln kann es neben den Sofortreaktionen, die allergie- artig auftreten (Nausea, Flush, Urti- karia, Exantheme, Glottis-Odem, Bronchospasmus und anaphylak- tischer Schock), auch zu toxischen Reaktionen an der Niere und dem zentralen Nervensystem kommen.

Der Einfluß einer intravenösen Ap- plikation von jodhaltigen Kontrast- mitteln an der Niere reicht von ei- nem temporären Abfall der glomeru- lären Filtrationsrate bis hin zu aku- ter Niereninsuffizienz.

1. Jodhaltige Kontrastmittel

Unter den jodhaltigen Kontrast- mitteln finden die hochosmolaren, ionischen Kontrastmittel seit Anfang der fünfziger Jahre Anwendung in der radiologischen Diagnostik. Jod- haltige, ionische Kontrastmittel sind Derivate der Trijod-Benzoesäure.

Aufgrund bekannter Nephrotoxizität waren die ionischen Kontrastmittel bei Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion kontraindiziert. 1972 wurde in Europa das Metrizamide (Amipaque®) eingeführt. Es zählt zu den niederosmolaren, nichtionischen Kontrastmitteln. Diese sind dadurch charakterisiert, daß die OH-Gruppe der Carboxylgruppe durch eine Ami- nogruppe mit Seitenkette ersetzt ist.

Nichtionische Kontrastmittel besit-

Die Nephrotoxizität jodhaltiger Kontrastmittel in der Röntgendia- gnostik ist seit vielen Jahren be- kannt. Angaben über die klinische Relevanz dieser Nebenwirkun- gen schwanken: Sowohl Inzidenz wie Pathogenese werden unter- schiedlich gesehen. Hingegen lassen sich Risikokonstellationen eindeutig erkennen und aus die- sen präventive Maßnahmen ablei- ten. Von radiologischer und ne- phrologischer Seite wird ein Überblick über den derzeitigen Kenntnisstand zur Pathogenese, Prävention und Therapie von re- nalen Komplikationen nach An- wendung von jodhaltigen Kon- trastmitteln gegeben.

zen eine geringere Osmolarität als ionische Kontrastmittel. Anhand kontrollierter Studien konnte gezeigt werden, daß niederosmolare, nicht- ionische Kontrastmittel bei potenti- ellen Risikopatienten (Diabetes mel- litus, vorbestehende Nierenerkran- kung, Hypoproteinämie, Herzinsuffi- zienz und fortgeschrittenes Alter) weniger Nebenwirkungen aufweisen und den ionischen Kontrastmitteln vorgezogen werden sollten, eine ge- ringere Nephrotoxizität ist jedoch bisher nicht zweifelsfrei belegt.

Ergebnisse einer multizentri- schen Prüfung 1990 in Japan mit 'Radiologische Klinik Innenstadt

(Direktor: Prof. Dr. med. Dr. h. c.

Josef Lissner), 2Medizinische Klinik Innenstadt (Direktor: Prof. Dr. med.

Peter C. Scriba), Ludwig-Maximilians- Universität München

über 300 000 Fällen zeigen, daß durch die Anwendung von nichtioni- schen Kontrastmitteln die Häufig- keit von schweren und lebensgefähr- lichen Nebenwirkungen bei Risiko- patienten und Patienten ohne Risi- ken signifikant vermindert wird (17).

An niederosmolaren, nichtioni- schen Kontrastmitteln sind in Deutschland seit 1983 das Iohexol (Omnipaque®) und seit 1984 das Io- pamidol (lopamiro® und Solutrast®) im Handel. Im Vergleich zu den ioni- schen Kontrastmitteln, die immer noch Anwendung finden, sind nichtio- nische Kontrastmittel bislang erheb- lich kostenintensiver. Zur Erzielung größtmöglicher Sicherheit für den Pa- tienten werden an unserer Klinik aus- schließlich niederosmolare nichtioni- sche Kontrastmittel verwendet.

2. Renale

Komplikationen

2.1 Pathophysiologische Faktoren

2.1.1 Renate Ischämie

Experimentelle Befunde zeigen, daß Röntgen-Kontrastmittel auf das renale Gefäßbett anders als auf an- dere Gefäßgebiete einen charakteri- stischen biphasischen Effekt aus- üben: Initial erfolgt wie auch in an- deren Gefäßgebieten (Haut, Mus- keln) eine Vasodilatation, danach aber eine länger anhaltende Vaso- konstriktion mit deutlicher Redukti- on des renalen Blutflusses (RBF) und Glomerulumfiltrats (GFR). Die fraktionelle Natrium-Exkretion sinkt Dt. Ärztebl. 89, Heft 15, 10. April 1992 (57) A,-1333

(2)

Tabelle 2: Inzidenz von renalen Komplikationen nach Gabe von jod- haltigen Kontrastmitteln in der Angiographie

Autor Jahr Inzidenz Patienten-

% zahl

Older et al. 1976 10 100

Byrd an Sherman 1979 0,53 12 000

Kumar et al. 1981 1 100

Eisenberg et al. 1981 0 537

d'Elia et al. 1982 1 378

Martin-Paredero et al. 1983 11,3 400

Cochran et al. 1983 17 800

als Hinweis auf die Bedeutung eines primär vaskulären Vorgangs. Eine Balanceverschiebung der Hämodyna- mik hin zu kortikal betonter Ischämie wird gebahnt durch Situationen er- höhter Vasokonstriktion (Volumen- Salzmangel) oder Zustände veränder- ter Autoregulation (Herzinsuffizienz, Leberzirrhose, Medikation mit nicht- steroidalen Antiphlogistika). Die re- nale Hypoperfusion kann durch die vasodilatierende Kontrastmittelwir- kung in extrarenalen Gefäßgebieten mit konsekutiver Blutdrucksenkung im Sinne einer prärenalen Nierenin- suffizienz verstärkt werden. Experi- mentell kann die an der afferenten Ar- teriole vermutete Konstriktion durch Saralasin oder ACE-Hemmer nicht eindeutig verhindert werden, so daß eine Angiotensinwirkung unwahr- scheinlicher ist. Dagegen mehren sich experimentelle und klinische Hinwei- se darauf, daß eine präventive Gabe von Kalzium-Antagonisten der rena- len Ischämie entgegenwirken kann, eventuell über eine Suppression der adenosinvermittelten Kontraktion der Mesangiumzellen.

2.1.2 Tubuläre Toxizität Histologisch findet sich in ausge- prägten Fällen eine deutliche Va- kuolisation der proximalen Tubulus- zellen — prinzipiell vereinbar mit os- motischen, hypoxischen oder direkt tubulotoxischen Effekten. Der Hyperosmolalität kommt wahr- scheinlich nicht die entscheidende Bedeutung zu, da die Vakuolisation auch bei niederosmolaren Kontrast- mitteln erhalten bleibt. Experimen- tell wird ein besonders deutlicher hypoxischer Effekt im sauerstoff- empfindlichen Bereich der äußeren Markzone beobachtet mit Schwel- lung der Mitochondrien, Zerreißung zytoplasmatischer Membranen und Kernpyknose. Diese Veränderungen sind nach Salzverlust und Vorbe- handlung mit nichtsteroidalen An- tiphlogistika besonders eindrucks- voll. Die tubulotoxische Wirkung ist vermutlich eher an die chemische Struktur des trijodierten Moleküls als an die Hyperosmolarität gebun- den, denn zum einen führt die intra- arterielle Infusion anderer hyperos- molarer Lösungen zu ähnlichen hi- stologischen Veränderungen, zum

anderen bewirken Kontrastmittel, nicht aber vergleichbare hyperosmo- lare Kontroll-Lösungen, eine charak- teristische Erniedrigung der PAH- Extraktion von 30 bis 50 Prozent. Die gut untersuchte Proteinurie nach Kontrastmitteln mit Ausscheidung eines tubulus-typischen Enyzmmu- sters im Urin ist hochsensitiv, aber nicht für Kontrastmittel spezifisch:

Zahlreiche andere toxische, osmola-

re, vaskuläre und hypoxische Reize bewirken experimentell und klinisch ähnliche Bilder.

2.1.3 Sonstige Faktoren

Die intratubuläre Obstrukti- on spielt vielleicht in besonderen kli- nischen Situationen (Paraproteinä- mie — Paraproteinurie, Oxalat- und Urikosurie) eine zusätzliche, aber nicht dominierende Rolle für die kontrastmittelinduzierte Nieren- funktionsstörung.

C) Morphologische und funk- tionelle Erythrozytenveränderungen nach intraarterieller Kontrastmittel- applikation mit Sphärozytenbildung und Linksverschiebung der 0 2-Dis- soziationskurve tragen zur Sludgebil- dung und Mirkozirkulationsstörung bei.

Somit ist das pathophysiologi- sche Spektrum nephrotoxischer Fak- toren nach Kontrastmittelgabe groß,

eine alleinige Ursache ist derzeit nicht beweisbar.

2.2 Definition

Eine einheitliche Festlegung kli- nisch bedeutsamer kontrastmittelin- duzierter Nierenschädigung existiert nicht: Die hochempfindlichen, je- doch nicht spezifischen Zeichen tu- bulärer Zellbeschädigung werden von den meisten Untersuchern we- Tabelle 1: Gründe für das in der Literatur berichtete Ansteigen von kontrasuninennduzierter akuter Niereninsuffizienz

1. angestiegene Einzeldosis an appliziertem jodhaltigen Kontrastmittel 2. multiple diagnostische Verfahren wie DSA, CT und konventionelles

Röntgen erfolgen in enger zeitlicher Folge 3. zunehmende Multimorbidität des Patientengutes

4. Fortschritte in der Gefäßchirurgie erfordern vermehrte Untersu- chungen mit jodhaltigen Kontrastmitteln bei Patienten mit meist ge- neralisierten Gefäßleiden (Makroangiopathie und Mikroangiopa- thie an den Nieren)

5. zunehmende semiinvasive Manipulationen an Gefäßen (perkutane, transluminale Angioplastie) bei Patienten mit erhöhtem Operati- onsrisiko

A1-1334 (58) Dt. Ärztebl. 89, Heft 15, 10. April 1992

(3)

400 Patienten

normale Nierenfunktion eingeschränkte Nierenfunktion

364 Patienten 36 Patienten

akute renale Störung 30 Patienten (8,2% )

Angiographie

11,3 % akute renale Störung 15 Patienten (41,7 % )

1,5%

Heilung Dialyse

27 Patienten 3 Patienten (8,3%)

Dauerdialyse 3 Patienten (0,8%)

Dialyse Heilung 3 Patienten (8,3%) 12 Patienten

Dauerdialyse 3 Patienten (8,3%)

Darstellung 1: Renale Komplikationen nach Angiographie der zentralen Gefäße bei 400 Patienten (nach Martin-Paredero, 1983)

gen geringer klinischer Relevanz und zu großem Nachweisaufwand nicht bewertet. Sicheres und leicht erfaß- bares Kriterium sind Diurese und Kreatininkonzentration im Serum.

In der Hälfte bis Zweidrittel gut do- kumentierter Fälle tritt eine Oligurie ein (2). Eine sichere Dokumentation der kontrastmittelinduzierten Ne- phrotoxizität erfolgt durch die Ver- laufsbestimmung des Serum-Kreati- nins, wobei der Gipfel des Anstiegs erst nach drei bis vier Tagen erreicht, das Ausgangsniveau nach sieben bis acht Tagen wiedererlangt wird (2).

In retro- und prospektiven Studien schwanken die als relevant bewerte- ten Änderungen zwischen 25 und 50 Prozent, beziehungsweise 0,5 bis 1,0 mg/dl (0,5 bis 1,0 mg Kreatinin/dl Se- rum) über dem Ausgangsniveau.

2.3 Inzidenz

Trotz Einführung der niederos- molaren nichtionischen Kontrastmit-

tel hat sich im letzten Jahrzehnt die in der Literatur berichtete Anzahl kontrastmittelinduzierter Fälle von akuter Niereninsuffizienz erhöht.

Verantwortlich sind hierfür höhere Einzeldosen an applizierten Kon- trastmitteln; multiple diagnostische Verfahren wie Digitale Subtrak- tionsangiographie, Computertomo- graphie und konventionelle Rönt- gentechniken erfolgen in kurzen Zeitabständen (weniger als fünf Ta- ge), weiter läßt sich eine zunehmen- de Multimorbidität des untersuch- ten Patientengutes feststellen. Fort- schritte in der Gefäßchirurgie erfor- dern vermehrte Kontrastmittelunter- suchungen mit zum Teil hohen Ein- zeldosen bei Patienten mit meist ge- neralisierten Gefäßleiden. Vermehr- te semiinvasive Manipulationen an Gefäßen (PTA: perkutane, translu- minale Angioplastie) bei Patienten mit erhöhtem Operationsrisiko ver- stärken ebenso die Inzidenz an rena- len Komplikationen nach Kontrast- mittelgabe (Tabelle 1).

Literaturangaben über die Inzi- denz von renalen Komplikationen nach Gabe von jodhaltigen Kontrast- mitteln in der Angiographie reichen von 0 bis 17 Prozent (Tabelle 2). Die- ser Variationsbreite liegt im wesent- lichen ein extrem unterschiedliches Studiendesign der Autoren zugrun- de. Abweichende Untersuchungs- techniken (Kontrastmitteldosis und Applikation s art), unterschiedliches Patientengut und die uneinheitliche Definition einer renalen Schädigung nach Kontrastmittelgabe lassen die angegeben Inzidenzen der einzelnen Autoren nicht unmittelbar verglei- chen.

Niereninsuffizienz und Diabetes mellitus sind dominierende prädis- ponierende Faktoren für die Ent- wicklung renaler Komplikationen nach Kontrastmittelgabe. Untersucht wurde dies in prospektiven Studien anhand eines Patientengutes von 258 und 400 Patienten (20, 23). Dabei wurde die Inzidenz akuter Nierenin- suffizienz nach Kontrastmittelgabe A,-1336 (60) Dt. Ärztebl. 89, Heft 15, 10. April 1992

(4)

Tabelle 3: Risikofaktoren für kontrastmittelinduzierte Nephrotoxizität vorbestehende Niereninsuffizienz

Diabetes mellitus

Salz- und Volumenmangelzustände Störungen der renalen Autoregulation:

—kardial: Low-output-Syndrom

—hepatisch: Leberzirrhose

—medikamentös: NSAID*

Malnutrition Alter des Patienten I. Vorerkrankungen:

II. methoden- assoziierte Faktoren (in Verbindung mit I):

Herzkatheteruntersuchungen Aortographie

große Kontrastmittelmengen wiederholte Untersuchungen in kurzem Abstand

* = non steroidal antiinflar atory drugs

bei Patienten mit normaler Nieren- funktion, eingeschränkter Nieren- funktion und Diabetes mellitus erho- ben.

Die Darstellung] veranschaulicht die Ergebnisse von Martin-Paredero, der bei 11,3 Prozent von 400 Patien- ten akute renale Störungen (ent- spricht einer Serum-Kreatinin-Erhö- hung von über 60 Prozent innerhalb von 48 Stunden nach Kontrastmittel- applikation) beobachtete (20). Unter den Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (n = 36) waren das 41,7 Prozent im Vergleich zu den Pa- tienten mit normaler Nierenfunktion (n = 364), die nur in 8,2 Prozent der Fälle akute renale Störungen nach Kontrastmittelgabe zeigten. Insge- samt blieben 1,5 Prozent der Patien- ten dialysepflichtig. Bei 27 Patienten mit normaler Nierenfunktion und zwölf Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion waren die Funktions- störungen der Niere nach Kontrast- mittelgabe reversibel.

Bei Parfrey (23) lag die Inzidenz von renalen Störungen (entspricht ei- ner Serum-Kreatinin-Erhöhung von über 50 Prozent innerhalb 48 Stun- den nach Kontrastmittelapplikation) bei Patienten mit Diabetes mellitus und eingeschränkter Nierenfunktion (n = 34) um neun Prozent. Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion (n = 101) zeigten in 11,8 Prozent re- nale Störungen (entspricht einer Se- rum-Kreatinin-Erhöhung von über 25 Prozent innerhalb 48 Stunden nach Kontrastmittelapplikation).

2.4 Risikofaktoren

Begünstigende Faktoren für die Entwicklung eines Nierenversagens nach Kontrastmittelgabe sind in er- ster Linie eine vorbestehende Nie- renschädigung oder der Diabetes mellitus.

Risikofaktoren: Tabelle 3 listet in abnehmender Bedeutung Faktoren gesicherter oder vermuteter nephro- toxischer Risikoerhöhung auf. In al- len Analysen ist eine vorbestehende Nierenschädigung der sicherste Risi- kofaktor. Etwa 90 Prozent der Fäl- le kontrastmittelinduzierter Nieren- schädigungen sind mit vorbestehen- der Niereninsuffizienz assoziiert;

insgesamt läßt sich eine 6,6 mal hö- here Inzidenz für eine Kontrastmit- telschädigung bei renaler Vorerkran- kung sichern. Dieses Risiko wächst exponentiell mit dem Grad der Nie- reninsuffizienz (7).

Ein zweiter Risikofaktor ist der Diabetes mellitus: eine prospektive Studie zeigte 1989 für eine vorbeste- hende Niereninsuffizienz (ca. drei mg/dl Serum-Kreatinin) eine Funkti- onsverschlechterung von mehr als 50 Prozent in 3,5 Prozent der Patienten ohne Diabetes, hingegen 8,8 Pro- zent, wenn ein Diabetes mellitus be- stand (23). Übereinstimmung be- steht daher, daß „bei jedem Grad vorbestehender Niereninsuffizienz der diabetische Patient mit stati- stisch eindeutig größerer Wahr- scheinlichkeit eine kontrastmittelin- duzierte Nierenschädigung erleiden wird als der Nichtdiabetiker" (2).

Hingegen hatten in einer prospekti- ven Studie Diabetiker ohne Nieren- insuffizienz keine erhöhte Rate an renaler Funktionsverschlechterung (23). Offenbar rückt der Diabetes erst bei Spätkomplikationen mit Makro-Mikroangiopathie oder bei vorbestehender Niereninsuffizienz als Risikofaktor nach vorn.

Zustände mit peripherer Vaso- konstriktion (zum Beispiel Herzin- suffizienz, Leberzirrhose, Dehydra- tation, Prämedikation mit Prosta- glandin-Synthetase-Hemmern be- sonders bei gleichzeitig bestehendem Natriummangel) führen zu erhöhter

Susceptibilität für weitere vasokon- striktorische Noxen, besonders bei intraarterieller Kontrastmittelappli- kation (zum Beispiel Aortographie, Herzkatheterisierung), wiederholter Untersuchung in kurzen Zeitabstän- den und hohen Kontrastmitteldosen.

Diese Situationen sind pathophysio- logisch plausibel, aber nicht in pro- spektiven Studien geprüft. Sie finden dennoch in Empfehlungen zur Prä- vention Berücksichtigung. Ob „ho- hem Lebensalter" über die alterscha- rakteristische Reduktion des Glome- rulumfiltrats hinaus eine invariante Bedeutung zukommt, ist statistisch nicht gesichert: Eine Studie an über 70jährigen Patienten mit Herzkathe- teruntersuchung ergab ein Risiko- profil, das sich im wesentlichen mit den in Tabelle 3 angeführten Fakto- ren deckt. In Multivarianzanalysen erwies sich als zusätzlicher Risiko- faktor eine Hypalbuminämie, die am ehesten als globaler Index der Mal- nutrition und damit generell schlech- ten Allgemeinzustands aufgefaßt wird. Eindrücklich wird in dieser Studie der drastische Anstieg kon- trastmittelinduzierter Nephrotoxizi- tät bei Häufung von Risikofaktoren belegt (25).

2.5 Prophylaxe und

Behandlung

In der bildgebenden Diagnostik ist die Anwendung von jodhaltigen Dt. Ärztebl. 89, Heft 15, 10. April 1992 (63) A1-1337

(5)

max. Kontrastmittelmenge -

5 ml Kontrastmittel/kg Körpergewicht (max. 300 ml)

Serum-Kreatinin (mg/dl) Kontrastmitteln oftmals erforder-

lich. Sowohl der überweisende Arzt wie auch der durchführende Radio- loge muß sich der Risikofaktoren (Tabelle 3), die zu renalen Komplika- tionen bis hin zu akuter Niereninsuf- fizienz führen, bewußt sein. Prophy- laktische Maßnahmen können dann die Inzidenz der renalen Komplika- tionen nach Kontrastmittelapplikati- on vermindern.

Hierzu zählen in erster Linie ei- ne strenge Indikationsstellung bei Patienten mit deutlich erhöhtem Ri- siko (fortgeschrittene Niereninsuffi- zienz, Diabetes mellitus und Herzin- suffizienz) (Tabelle 4). Bei Risikopa-

tienten sollten alternative diagnosti- sche Verfahren, wie zum Beispiel die Kernspintomographie mit dem para- magnetischen, nierengängigen Kon- trastmittel-Gd-DTPA (Magnevist®)

oder die Sonographie (eventuell mit Farbdoppler) diskutiert werden. Die niederosmolaren und nichtionischen Kontrastmittel sind den ionischen Kontrastmitteln generell vorzuzie- hen. Zur Plazierung der Katheter- Sonde in der Angiographie sollte die Kontrastmittelmenge auf ein Mini- mum reduziert werden.

Läßt sich eine Kontrastmittelun- tersuchung bei Hochrisiko-Patienten nicht umgehen, wird eine optimale Risikominderung besonders wichtig.

Die Begrenzung der Kontrastmittel- menge kann approximativ nach fol- gender Formel vorgenommen wer- den (24):

Darüber hinaus muß bei erkenn- barem Risiko die Kontrolle der Nie- renfunktion auf drei bis vier Tage nach der Kontrastmitteluntersu- chung ausgedehnt werden, bei kli-

nisch relevanter Funktionsver- schlechterung eventuell deutlich über diesen Zeitraum hinaus. In al- ler Regel ist die kontrastmittelindu- zierte Nierenfunktionsstörung rever- sibel, das Ausgangsniveau nach spä- testens acht bis zehn Tagen erreicht.

Bei Hochrisikopatienten kann bei vorbestehender präterminaler Nie- reninsuffizienz Dialysebedürftigkeit entstehen und ausnahmsweise eine irreversible terminale Niereninsuffi- zienz persistieren.

Muß sich ein Patient mehreren Untersuchungen, die jeweils mit jod- haltigem Kontrastmittel durchge- führt werden, unterziehen, so ist ein diagnostischer Zeitplan zu erstellen.

Damit kann ein Fünf-Tage-Intervall bis zur nächsten Kontrastmittelun- tersuchung oder zu einem chirurgi- schen Eingriff, der die renale Funkti- on beeinträchtigen kann, eingehal- ten werden. Korrigierbare Risiken sind Störungen der Salz-Wasserbi- lanz, Kontrastmitteldosis und das Zeitintervall bei Wiederholungsun- tersuchungen. Die Kontrolle der Nierenfunktion bei Risikogruppen muß über mindestens vier Tage, bei Eintreten klinisch bedeutsamer Funktionsverschlechterung entspre- chend länger durchgeführt werden.

In der klinischen Situation lassen sich die einzelnen pathogenetischen Faktoren, die zur akuten Niereninsuf- fizienz nach Kontrastmittelgabe füh- ren, oftmals nicht evaluieren. Somit besteht keine kausale Therapie von kontrastmittelinduzierten renalen Störungen. Die sorgfältige Prophyla- xe - als Aufgabe des Radiologen und Klinikers - kann keine symptomati- sche Therapie ersetzen.

Dt. Ärztebl. 89 (1992) A 1 -1333-1338 [Heft 15]

Die Zahlen in Klammem beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonder- druck, anzufordem über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser

Privatdozent Dr. med.

Dr. med. habil. Thomas Vogl Radiologische Klinik Innenstadt der Universität München Ziemssenstraße 1

W-8000 München 2 Tabelle 4: Maßnahmen zur Prophylaxe von renalen Komplikationen

nach Gabe von jodhaltigen Kontrastmitteln 1. strenge Indikationsstellung

bei Patienten mit - erhöhtem Kreatinin - Diabetes mellitus 2. alternative diagnostische Verfahren

bei Risikopatienten - Kernspintomographie mit Gd-DTPA - Sonographie (mit Farbdoppler) 3. Kontrastmittelwahl - nicht ionisch

- niederosmolar 4. Kontrastmitteldosierung

- Reduzierung auf Minimum zur Placierung der Sonde - Minimaldosis bei niereninsuffizienten Patienten

5. diagnostischer Zeitplan für den Patienten zur Einhaltung eines Fünf-Tage-Intervalls bis

- zur nächsten Kontrastmitteluntersuchung

- zu einem chirurgischen Eingriff, der die renale Funktion beeinträchtigen kann

6. ausreichende Hydratation vor der Untersuchung 7. Aufrechterhalten gesteigerter Diurese während/nach

der Untersuchung

A1 -1338 (64) Dt. Ärztebl. 89, Heft 15, 10. April 1992

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