ZUR FORTBILDUNG
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Die diabetische Nephropathie gehört zu der häufigsten und progno- stisch ungünstigsten Komplikation sowohl des Typ-I- als auch des Typ- II-Diabetes. Im Verlauf lassen sich nach den Stadien der Hyperfunktion und der klinischen Latenz die Stadien der Mikroalbuminurie, der (per- sistierenden) Albuminurie und der Niereninsuffizienz unterscheiden.
Wichtigste präventive Maßnahme ist die optimale Stoffwechseleinstel- lung. In letzter Zeit wurde zunehmend der Wert der sorgfältigen Blut- druckkontrolle in frühen Stadien der Nephropathie erkannt. Eine Be- handlungsindikation wird heute selbst bei Blutdruckanstieg im normo- tensiven Bereich gesehen. Durch Normalisierung einer erhöhten Ei- weißzufuhr oder durch diätetische Eiweißbeschränkung kann die Pro- gression einer Niereninsuffizienz verzögert werden.
Christoph Hasslacher und Eberhard Ritz
ie Entwicklung einer diabetischen Nephro- pathie gehört auch heute noch zu den häu- figsten und progno- stisch ungünstigsten Komplikationen beim Diabetiker. Wie größere epide- miologische Studien gezeigt haben, entwickeln 40 bis 50 Prozent der Typ-I-Diabetiker innerhalb von 30 Jahren nach Diabetesbeginn eine Proteinurie als Zeichen einer mani- festen Nephropathie. Das Nephro- pathierisiko beim Typ-Il-Diabetiker scheint — entgegen allgemeiner An- nahme — nach neueren Befunden ähnlich hoch zu sein wie beim Typ-I- Diabetiker (1, 2) (Abbildung 1). Das Auftreten einer Nephropathie ist entscheidend für die Lebenserwar- tung des Diabetikers, da mit dem Be- ginn einer Nephropathie auch das kardiovaskuläre Risiko sprunghaft ansteigt.
1. Verlauf und Pathogenese
Die Nephropathie stellt eine mi- krovaskuläre Langzeitkomplikation des Diabetikers dar, der feingeweb-
lich die sogenannte Kimmelstiel-Wil- son-Glomerulosklerose (Abbildung 2) zugrunde liegt. Es besteht keine strenge Beziehung zwischen histolo- gischem Befund und renalem Funk- tionsverlauf.
Der natürliche Verlauf der dia- betischen Nephropathie läßt sich in
mehrere aufeinanderfolgende Sta- dien gliedern, die in Tabelle 1 zusam- mengefaßt sind. Zu den wichtigsten pathogenetischen Faktoren, welche die Entwicklung dieser Komplikati- on beeinflussen und die einer thera- peutischen Intervention auch zu- gänglich sind, gehören
a) der gestörte Aufbau des glo- merulären Filters ( = Basalmem-
Neuere Gesichtspunkte zur Diagnostik,
Prävention und Therapie
bran) als Folge langdauernder Hy- perglykämie;
b) die gestörte renale Hämody- namik mit Anstieg des glomerulären Kapillardrucks sowie Vergrößerung des Glomerulum durch Wachstums- prozesse.
Die fehlerhafte Zusammenset- zung des Basalmembranfilters führt paradoxerweise, trotz der Verdik- kung der Basalmembran, zur ver- mehrten Durchlässigkeit für Prote- ine. Im Anfangsstadium ist durch fehlerhafte Synthese von Heparan- sulfat die Zahl der glomerulären Ne- gativladungen vermindert, was den initial elektiven Übertritt von poly- anionischem Albumin in den Urin erklärt. In fortgeschritteneren Sta- dien kommt es unter Verminderung der Filtrationsoberfläche und Erhö- hung der (hypothetischen) Porosität der Membran zur unselektiven Pro- teinurie, bei der auch höhermoleku- lare Serumproteine in den Urin übertreten. Das Fortschreiten der Nephropathie bis zur Niereninsuffi- zienz verläuft eigengesetzlich pro- Sektion Nephrologie (Leiter: Prof. Dr. med.
Eberhard Ritz), Abteilung Innere Medizin I der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Erkrankungen der Niere (7)
Die diabetische Nephropathie
A-2632 (36) Dt. Ärztebl. 88, Heft 31/32, 5. August 1991
Proteinurie-Prävalenz (%)
0 5 10 15 20 25
Zeitintervall Diabetesdiagnose-Proteinuriebeginn
»Typ 2 Typ 1 100
80
60
40
20
0
Abbildung 1: Diabetestyp und Nephropathierisiko. Kumulative Häufigkeit des Auftretens ei- ner persistierenden Proteinurie bei 292 Typ-I- und 464 Typ-Il-Diabetikern als Funktion der Diabetesdauer (nach Ref. 2)
gredient, ist jedoch der Beeinflus- sung durch Therapiemaßnahmen zu- gänglich.
2. Diagnostik 2.1 Albuminurie
Frühestes Zeichen der diabeti- schen Nephropathie ist eine gering- gradig erhöhte Ausscheidung von Albumin im Urin, die heute screen- mäßig mit Schnelltests erfaßt werden kann (z. B. Micral-Test®, Rapitex Albumin®, Mikrobumin-Test®).
Eine Albuminurie derart geringen Ausmaßes wird als „Mikroalbuminu- rie" bezeichnet. Die Bestimmung er- folgt am besten im Nachtharn. We- gen der großen Schwankungsbreite der Urin-Albumin-Ausscheidung sind nur wiederholte (mindestens dreimalige) Messungen aussagekräf- tig. Die Interpretation ist nur zuver- lässig, wenn Störfaktoren wie kör- perliche Anstrengung, Fieber, schlechte Stoffwechseleinstellung etc. ausgeschlossen sind.
Mit zunehmender Störung der Filterfunktion nimmt die Albuminu- rie zu (über 200 µg/min beziehungs- weise 300 mg/24 Stunden). Eine Al- buminurie diesen Ausmaßes ist auch durch die üblichen Teststreifen fest- stellbar. In fortgeschritteneren Sta- dien verliert die Urin-Eiweiß-Aus- scheidung den Charakter der selekti- ven Albuminurie, und es kommt zum Übertritt weiterer Proteine in den
Urin (nichtselektive Proteinurie), was für die Routinediagnostik jedoch ohne weitere Bedeutung ist.
2.2 Hypertonie
Im Stadium der Mikroalbumin- urie wird ein Ansteigen des Blut- drucks beobachtet, der zunächst hy- pertone Werte nicht unbedingt errei- chen muß. Die sorgfältige Protokol- lierung des Blutdruckverlaufs gehört heute obligatorisch zur Betreuung des Diabetikers. Die limitierte Aus- sagekraft der Blutdruckmessung
durch den Arzt wird zunehmend er- kannt. In Zukunft wird daher die Blutdruckselbstmessung durch den Patienten, gegebenenfalls auch die kontinuierliche Blutdruckmessung über 24 Stunden, eine gewichtige Rolle spielen.
2.3 Retinopathie
Mit der diabetischen Nephro- pathie ist häufig, jedoch nicht obliga- torisch, eine Retinopathie vergesell- schaftet, in späteren Stadien vor al- lem die proliferative Form mit Tabelle 1: Stadien der Nephropathie — typische Befundkonstellationen
Stadien Stadium der Hyperfunktion
Stadium der klinischen Latenz
Glomerulum- filtrat gesteigert hochnormal
Albuminurie Blutdruck
fehlend fehlend
Zeitverlauf (Jahre nach Diabetesdiagnose) bei Diabetesbeginn normal
normal Stadium der Mikroalbuminurie
( = beginnende Nephropathie) Stadium der persistierenden Proteinurie (= klinisch manifeste Nephropathie) Stadium der
Niereninsuffizienz
im Norm- bereich abfallend erniedrigt
< 20-200 lag/
min
> 2001g/min massiv
im Normbereich ansteigend erhöht erhöht
5-15
10-15 15-30
Dt. Ärztebl. 88, Heft 31/32,5. August 1991 (37) A-2633
Tabelle 2: Präventive Maßnah- men bei diabetischer Nephro- pathie
Primär- prophylaxe:
Stoffwechsel- einstellung Sekundär-
prophylaxe:
Hochdruck- kontrolle Tertiär-
prophylaxe:
eiweißbe- schränkte Ernährung schlechter Visusprognose. Aus die-
sem Grunde sind bei Patienten mit diabetischer Nephropathie engma- schige Funduskontrollen angezeigt.
2.4 Weitere Probleme
Vor allem beim älteren Typ-II- Diabetiker mit eingeschränkter Nie- renfunktion sind neben der diabeti- schen Nephropathie noch andere differentialdiagnostische Probleme zu erwägen: Nierenarterienstenose, Harnwegsinfekt mit diabetischer Pa- pillennekrose, neurogene Blase.
3. Prävention und Therapie
Die wichtigsten Maßnahmen zur Prävention der diabetischen Nephro- pathie sind in Tabelle 2 zusammenge- faßt. Diese Maßnahmen umfassen:
0
die Optimierung der diabetischen Stoffwechseleinstellung, © die früh- zeitige und konsequente Hyperto- nustherapie und Q die Reduktion der Eiweißzufuhr.3.1 Stoffwechseleinstellung Die herausragende Bedeutung der Güte der Stoffwechseleinstel- lung für die Primärprävention der diabetischen Nephropathie steht heute außer Zweifel. Im folgenden soll daher nur auf ihren Einfluß bei bereits bestehender Nephropathie eingegangen werden.
Das früheste Stadium, in dem heute die diabetische Nephropathie diagnostiziert werden kann, ist das Stadium der Mikroalbuminurie, bei dem feingeweblich bereits fortge- schrittene Läsionen am Glomerulum nachweisbar sind. Es ist bekannt, daß Diabetiker mit Mikroalbumin- urie in rund 80 Prozent nach acht bis zehn Jahren das Stadium der persi- stierenden Proteinurie erreichen, falls nicht therapeutisch interventiert wird. In mehreren Untersuchungen konnte in den letzten Jahren gezeigt werden, daß die Mikroalbuminurie durch Optimierung der Stoffwech- seleinstellung zum Stillstand oder so- gar zur Rückbildung gebracht wer- den kann.
In der größten dazu durchge- führten Studie wurden je 18 Typ-I-
Diabetiker mit Mikroalbuminurie entweder mit konventioneller Insu- lintherapie oder mit der Insulinpum- pe behandelt (3). Gemessen am HbA1c-Wert war die Stoffwechsel- einstellung der mit der Insulinpumpe behandelten Diabetiker besser (7,2 versus 8,4 Prozent). Wie aus Tabelle 3 ersichtlich, waren die Ergebnisse be- züglich Progression der Nephropa- thie oder Rückbildung der Mikroal- buminurie bei den stoffwechselmäßig besser eingestellten Patienten deut- lich günstiger. Die Erfassung der Mi- kroalbuminurie gestattet es daher, ei- ne Risikogruppe diabetischer Patien- ten zu erkennen, bei denen eine norm- nahe Stoffwechseleinstellung beson- ders dringlich indiziert ist.
Mit dem Auftreten einer persi- stierenden Proteinurie scheint ein Wendepunkt in der Nephropathie- entwicklung erreicht zu sein, da ab diesem Stadium die Nierenfunktion kontinuierlich abnimmt. Auch wenn entsprechende größere Studien bis- her fehlen und aus ethischen Grün- den auch nicht mehr durchführbar sind, scheint die Forderung einer möglichst guten Stoffwechseleinstel-
Abbildung 2: Typischer Befund bei diabe- tischer GlomerulosIderose (PAS-Färbung x 100) (Wir danken Herrn Professor Waldherr, Heidelberg, für die Überlassung der Abbil- dung)
lung auch in diesem Stadium ge- rechtfertigt zu sein. So konnten zum Beispiel Nyberg et al. (4) eine positi- ve Beziehung zwischen dem HbA1c- Wert als Parameter der Stoffwech- seleinstellung und der Geschwindig- keit des Nierenfunktionsverlustes nachweisen.
In zwei weiteren Untersuchun- gen wurde bei proteinurischen Dia- betikern unter Insulinpumpenthera- pie ein deutlicher Rückgang der Pro- teinurie festgestellt. Dagegen liegen bisher keine Beobachtungen über ei- nen positiven Einfluß einer normna- hen Stoffwechseleinstellung auf den Nephropathieverlauf im Stadium der Niereninsuffizienz vor (5, 6). Hinzu- weisen ist in diesem Stadium vor al- lem auch auf das größere Hypoglyk- ämierisiko, was in erster Linie auf eine Verlängerung der Insulinhalb- wertszeit zurückzuführen ist.
Tendenziell nimmt somit der Einfluß der Stoffwechseleinstellung auf den Nephropathieverlauf in den fortgeschritteneren Stadien ab, was die Forderung nach normnaher Stoffwechseleinstellung in den Früh- stadien der Nephropathieentwick- lung besonders unterstreicht.
3.2 Blutdruckeinstellung Bei Typ-I-Diabetikern beginnt der Blutdruck nach dem Auftreten einer Mikroalbuminurie langsam zu steigen. Hypertone Blutdruckwerte, das heißt über 160/95 mmHg, wer- den jedoch in der Regel erst nach Auftreten einer persistierenden Pro- teinurie erreicht. Dem Blutdruckan- stieg kommt eine entscheidende Be- deutung für die Progression der Nephropathie zu, vor allem im fort- geschrittenen Stadium (Abbildung 3).
Mogensen (5) hatte bereits 1976 an proteinurischen Diabetikern zeigen können, daß der Nierenfunktions- verlust um so rascher erfolgt, je hö- her der Blutdruck ist. Diese Befunde wurden von uns und von anderen be- stätigt (6, 7). Der überragende Ein- fluß des arteriellen Blutdrucks auf den Funktionsverlauf der durch dia- betische Nephropathie vorgeschä- digten Niere ist verständlich, da nach tierexperimentellen Untersuchungen die präglomeruläre Gefäßstrecke va- sodilatiert und die renale Autoregu- A-2634 (38) Dt. Ärztebl. 88, Heft 31/32, 5. August 1991
2 3 4 Jahre nach Proteinuriebeginn
Abbildung 3: Hypertonie und Risiko des Auftretens einer Niereninsuffizienz bei diabetischer Nephropathie. Kumulative Häufigkeit der Niereninsuffizienz bei 18 normotensiven und 30 hy- pertensiven Typ-I-Diabetikem mit persistierender Proteinurie (nach Ref. 6)
Studienbeginn Studienende
Tabelle 3: Einfluß einer 2jährigen Insulintherapie — konventionell oder intensiviert — auf den Nephropathieverlauf bei 36 Typ-I-Diabetikern mit Mikroalbuminurie (nach 3)
Albuminurie- verlauf
konventionelle Insulintherapie
n = 18
intensivierte Insulintherapie
n = 18 36 Patienten
mit Mikro- albuminurie
progredient unverändert rückläufig
5 6 7
0 4 14 lation aufgehoben ist, so daß ein hö-
herer Anteil des systemischen Blut- drucks in das Glomerulum fortgelei- tet wird. Es kommt somit zur glome- rulären kapillären Hypertonie, deren Intensität von der Höhe des systemi- schen Blutdrucks abhängig ist.
Durch mehrere kontrollierte Untersuchungen konnte klar gezeigt werden, daß die medikamentöse Normalisierung des Blutdrucks den renalen Funktionsverlust (Abnahme der GFR) verzögert. In einigen frü- heren Untersuchungen kamen hier- bei (3-Blocker, Hydralazin und Furo- semid, in einigen neueren Untersu- chungen Konversionsenzymhemmer und Furosemid zum Einsatz. Es sei auch speziell beim Typ-Il-Diabetiker auf den hohen Stellenwert nicht me- dikamentöser Maßnahmen hinge- wiesen, vor allem auf Gewichtsre- duktion und diätetische Kochsalz- restriktion.
Es stellt sich zunächst die Frage, bei welcher Blutdruckhöhe medika- mentös interveniert werden sollte.
Zur Prävention der Nephropathie wird neuerdings die Intervention in immer früheren Stadien, also bei noch normotensiven mikroalbumin- urischen Diabetikern vorgeschlagen.
Da eine Beziehung zwischen Blut- druck und Progredienz selbst im nor- motensiven Bereich besteht, er- scheint unseres Erachtens folgendes Vorgehen sinnvoll:
Der Blutdruckverlauf soll durch regelmäßige Untersuchungen (inklu- sive Selbstmessungen) dokumentiert sein. Die antihypertensive Behand- lung sollte beginnen, wenn der Blut- druck die durch Voruntersuchungen bekannten Ausgangswerte bei wie- derholten Messungen reproduzier- bar überschreitet. Als Therapieziel
bei der Behandlung hypertensiver Patienten wurde in der Vergangen- heit angegeben, daß der Blutdruck auf normotensive Werte, das heißt 140/90 mmHg, gesenkt werden müs- se. Ob noch eine intensivere Blut- drucksenkung, also in den mittleren normotensiven Bereich, zusätzlichen Nutzen für die Progressionsminde- rung bringt, ist bislang noch nicht ge- sichert, scheint jedoch aufgrund des Zusammenhangs zwischen Progre- dienz und Blutdruckwerten im nor- motensiven Bereich plausibel.
Unseres Erachtens sollte daher angestrebt werden, den Blutdruck bei klinischer Verträglichkeit zumin- dest bei jungen Diabetikern unter den Wert von 140/90 mmHg zu sen- ken. Gegen eine derart intensive Be- handlung könnte eingewandt wer- den, daß in mehreren epidemiologi- schen Studien bei Patienten, die un-
ter Behandlung einen Blutdruck von weniger als 90 mmHg diastolisch hat- ten, eine höhere kardiovaskuläre Mortalität beobachtet wurde (J-Kur- ve). Es ist fraglich, ob dieser Zusam- menhang ursächlicher Natur ist.
Zweifelsohne sollte die Blutdruck- senkung speziell bei alten Typ-II- Diabetikern wegen der hohen Präva- lenz makroangiopathischer Kompli- kationen (KHK, Karotisstenose) vor- sichtig, etappenweise und unter Ach- tung auf mögliche Ischämiefolgen (koronar, zerebrovaskulär) erfolgen.
Tierexperimentelle Befunde wiesen dem Renin-Angiotensin-Sy- stem eine wichtige Rolle für die Pro- gredienz der diabetischen Nephro- pathie zu. Konversionsenzymhem- mer senken die Albuminurie mehr als andere Antihypertensiva; ob dies langfristig für die Progression der Nephropathie von Bedeutung ist, kann gegenwärtig nicht beantwortet werden. Derzeit fehlen kontrollierte Untersuchungen über den Effekt von Konversionsenzymhemmern im Ver- gleich zu anderen Antihypertensiva auf die Progression der diabetischen Nephropathie. Unter Captopril fand Parving eine Progressionsverzöge- rung, die quantitativ vergleichbar war mit der in einer historischen Kontrolle, die mit kardioselektiven (3-Blockern behandelt worden war (8). Konversionsenzymhemmer ha- ben jedoch ein deutlich besseres Ne- A-2636 (40) Dt. Ärztebl. 88, Heft 31/32, 5. August 1991
benwirkungsprofil und werden daher bei diabetischer Nephropathie zu- nehmend eingesetzt. Bei korrekter Handhabung, das heißt Kontrolle des Verhaltens von S-Creatinin und S-Kalium sowie Dosisanpassung bei eingeschränkter Nierenfunktion, ist der Einsatz der Konversionsenzym- hemmer sicher.
3.3 Eiweißreduzierte Diät Durch diätetische Eiweißrestrik- tion auf 0,6 g/kg/Tag läßt sich bei ei- nigen nicht diabetischen Nierener- krankungen die Progression der Nie- reninsuffizienz verzögern. Der Ein- fluß dieser Therapieform wurde in- zwischen auch bei Diabetikern im Stadium der Albuminurie und im Stadium der Niereninsuffizienz un- tersucht. In zwei Studien konnte auch eine verzögerte Progression der Niereninsuffizienz bei diabetischer Nephropathie belegt werden, wenn- gleich nach unserer Erfahrung (und der anderer Autoren) der Erfolg dann zweifelhaft ist, wenn das S-Cre- atinin einen Wert von etwa 5 mg/dl überschritten hat. Wegen des ein- schneidenden Charakters der Diät sollte die strenge eiweißreduzierte Kost beschränkt werden auf Fälle mit S-Creatinin-Erhöhung. Die Empfehlung, die derzeit in der Bun- desrepublik allgemein zu hohe Zu- fuhr tierischen Eiweißes zu reduzie- ren, kann jedoch generell auch für Diabetiker (unabhängig vom Neph- ropathiestadium) gegeben werden, nachdem zahlreiche Ernährungsge- sellschaften eine entsprechende Empfehlung für die Allgemeinbevöl- kerung abgegeben haben.
Literatur
1. Kunzelman, C. L.; Knowler, W. C.; Petitt, D. J.; Benett, P. H.: Incidence of proteinuria in type 2 diabetes mellitus in the Pima In- dians. Kidney Int. 35 (1989) 681-687 2. Hasslacher, C.; Ritz, E.; Wahl, P.; Michael,
C.: Similar risk of nephropathy in patients with type I or type II diabetes mellitus. Ne- phrol. Dial. Transplant. 4 (1989) 859-863 3. Feldt-Rasmussen, B.; Mathiesen, E. R.; Dek-
kert, T.: Effect of two years of strict metabo- lic control on progression of incipient ne- phropathy in insulin-dependent diabetes.
Lancet II (1986) 1300-1304
4. Nyberg, G.; Blohme, G.; Norden, G.: Impact of metabolic control on progression of clinical diabetic nephropathy. Diabetologia 30 (1987) 82-86
5. Mogensen, C. E.: Progression of nephropathy
in longterm diabetics with proteinuria and ef- fect of initial antihypertensive treatment.
Sand. J. Clin. Invest. 36 (1976) 383-388 6. Hasslacher, C. H.; Stech, W.; Wahl, P.; Ritz,
E.: Blood pressure and metabolic control as risk factors for nephropathy in type I (insulin- dependent) diabetes. Diabetologia 28 (1985) 6-11
7. Mogensen, C. E.: Long-term antihyperten- sive treatment inhibiting progression of diabetic nephropathy. Br. Med. J. 285 (1982) 685-688
8. Parving, H. H.; Andersen, A. R., Smidt, U. M.; Hommel, E.; Mathiesen, E. R.; Svend- sen, P. A.: Effect of antihypertensive treat- ment on kidney function in diabetic nephro- pathy. Brit. Med. J. 294 (1987) 1443-1447
Ösophagusvarizen- blutungen
Bei den medikamentösen Mö- glichkeiten, eine Ösophagusvarizen- blutung zum Stillstand zu bringen, wird wahrscheinlich die Gabe von Vasopressinanaloga vom Somatosta- tin abgelöst werden. In einer rando- misierten, doppelblinden Placebo- konstrollierten Studie wurde bei 120 Patienten mit einer Ösophagusvari- zenblutung eine fünftägige Dauer- therapie mit 250 tg Somatostatin pro Stunde nach initialer Bolusgabe eva- luiert. Unter Placebo gelang es bei 59 Prozent der Patienten nicht, die Blu- tung zum Stillstand zu bringen, die Versagerrate unter Somatostatin lag bei 36 Prozent. In der Somatostatin- gruppe waren auch signifikant we- niger Blut- und Plasmatransfusionen erforderlich. Nur bei der Hälfte der mit Somatostatin behandelten Pa- tienten mußte eine Ballontampo- nade eingesetzt werden. Was Kom- plikationen und 30-Tage-Letalität anlangt, fanden sich keine Unter- schiede zwischen beiden Behand- lungsgruppen. Somatostatin wird als sicher und deutlich effektiver als Pla- cebo eingestuft, müßte allerdings noch mit der endoskopischen Vari- zenverödung korreliert werden. W
Burroughs, A. K. et al.: Randomized, Dou- ble-Blind, Placebo-Controlled Trial of So- matostatin for Variceal Bleeding, Emerg- ency Control and Prevention of Early Vari- ceal Rebleeding. Gastroenterology 1990, 99: 1388-1395, 1990
Hepato-biliary and liver Transplantation Unit and Department of Clinical Epide- miology and General Practice, Royal Free Hospital, London, UK.
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Eberhard Ritz Leiter der
Sektion Nephrologie Klinikum der Universität Bergheimer Straße 56 a W-6900 Heidelberg 1 Prof. Dr. med.
Christoph Hasslacher Medizinische
Universitätsklinik Bergheimer Straße 58 W-6900 Heidelberg 1
Adenokarzinom nach Gastrektomie
Das Risiko, daß sich in einer Zy- linderzellmetaplasie der Speiseröhre (Barrett-Ösophagus) ein Adenokar- zinom entwickelt, wird in der Litera- tur mit bis zu 10 Prozent angegeben.
Meist lag bei diesen Patienten eine jahrelange schwere Refluxösophagi-
tis vor. Die Autoren berichten über einen 64jährigen japanischen Patien- ten, bei dem im Alter von 25 Jahren eine totale Gastrektomie durchge- führt wurde. Mit 47 wurde die Dia- gnose eines Barrett-Ösophagus ge- stellt, 17 Jahre später entwickelte sich im distalen Osophagus ein hoch- differenziertes Adenokarzinom.
Dies stellt keine Seltenheit dar. Da- bei kann in dem Zylinderepithel der Speiseröhre durchaus auch wieder Säure produziert werden, so daß trotz vorausgegangener Gastrekto- mie eine Behandlung mit H2-Blok- kern oder Protonenpumpenhem- mern sinnvoll erscheint. Bei entspre- chend langer Persistenz eines Bar- rett-Osophagus mit dünndarmepi- thel-ähnlicher Schleimhautausklei- dung muß mit der Entwicklung eines Adenokarzinoms auf dem Boden des Zylinderzellersatzes gerechnet wer- den.
Tada, T., T. Suzuki, M. Iwafuchi et al.: Ad- enocarcinoma Arising in Barrett's Es- ophagus after Total Gastrectomy. A. J.
Gastroenterol. 85: 1503-1506, 1990 Niigata University School of Medicine, 1-757 Asahimachi-dori, Niigata 951, Japan
Dt. Ärztebl. 88, Heft 31/32, 5. August 1991 (41) A-2637