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deutsamen Bestandteil einer exter- nen Qualitätssicherung in der psy- chotherapeutischen Praxis, aber auch als Instrument der Selbstreflexion in- nerhalb des therapeutischen Prozes- ses erinnert. Art und Umfang dieser mehrseitigen Dokumentation erfor- dern vom Psychotherapeuten häufig eine mehrstündige Arbeit, deren Grundlage in der Anamnese und den probatorischen Sitzungen erarbeitet wird. Unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge ist es aber für mich als niedergelassener Psychotherapeut unverständlich, wieso gerade diese wichtigen Leistungen des Facharzt- kapitels mit einem betriebswirt- schaftlich nicht mehr zu leistenden Punktwert honoriert werden. So habe ich beispielsweise im ersten Quartal 2006 für die biografische Anamnese bei einem Ersatzkassenpatienten 6,94 Euro, für eine probatorische Sit- zung 7,92 Euro und für den Bericht an den Gutachter zur Feststellung der Leistungspflicht 7,53 Euro erhalten.
Selbst bei laufenden, von der Kran- kenkasse genehmigten Psychothera- pien sind beispielsweise Verlänge- rungs- oder Umwandlungsanträge für Kassenpatienten zu diesem Punktwert zu erstellen, die keines- falls den benötigten Arbeitsaufwand mehr honorieren . . . Hierdurch hat sich der Facharzt für Psychosomatik und Psychotherapie zu einem Titel ohne Mittel entwickelt.
Martin Boncek,Kaiserstraße 15, 58840 Plettenberg
KBV
Warum Ärzte ihre Kittel spenden sollen und wie die KBV ge- gen die Gesund- heitsreform spekta- kulär in die Öffent- lichkeit geht (DÄ 46/
2006: „Spektakuläre Protestaktionen ge- gen die Gesundheitsreform“ von Josef Maus).
Ziviler Ungehorsam
. . . Wenn die Gesundheitsreform un- verändert umgesetzt werden sollte, schrumpft der Einfluss der KBV auf Erbsengröße. Auch das zu verteilen- de Honorarvolumen minimiert sich erheblich, sodass die wirtschaftli-
chen Risiken bei einem flächenhaf- ten Ausstieg aus der kassenärztlichen Versorgung überschaubar werden.
Eine wie auch immer geartete ärztli- che Neuorganisation in einer der vie- len schon jetzt bestehenden Parallel- organisationen wird sich marktwirt- schaftlich orientieren. Ärztliche Al- mosen in Form von 30 Prozent un- vergüteter Leistungen für GKV-Pati- enten wird es nicht mehr geben. Dies wird diejenigen am härtesten treffen, die schon heute aufgrund ihrer sozia- len Stellung eine deutlich kürzere Lebenserwartung haben. Dies sollte die KBV der Öffentlichkeit mitteilen und sich ansonsten in zivilen Unge- horsam üben.
Dr. med. Pompilio Torremante,Marktplatz 29, 88416 Ochsenhausen
Überaus peinlich
Na toll! Jetzt sammeln die KBV und die Kassenärztlichen Vereinigungen in einer „Spektakulären Protestakti- on“ getragene Kittel und gebrauchte Stethoskope ein, die dann auch noch als Spende in Entwicklungsländer gegeben werden. Spektakulär ist es deswegen, weil überaus peinlich, er- innert mich das doch an den dum- men Spruch „schickt Eure Brotreste in die Entwicklungsländer“. Spekta- kulär wäre, setzten sich unsere Obe- ren dafür ein, mal für ein Quartal Monat für Monat von uns Ärzten Rechnungen bei den Kassen einzu- treiben, die wir unseren Patienten mitgegeben. Alles in Euro und nach dem derzeit gültigen Tarif (oder weiß man gar nicht, wie hoch der ist?). Der Patient soll doch sehen, wie viel (wenig) wir für was bekom- men. Dann haben wir jeden Monat unser Gehalt, denn wir müssen ja auch jede unserer Rechnungen „in- nerhalb der nächsten 30 Tage beglei- chen“. Bei jeder Rechnung meines Praxissoftware-Betreuers denke ich
an die vielen Patienten, die ich dafür ein ganzes Quartal lang erst mal be- treuen muss . . .
Wilhelm Schütte,An der Paulikirche 3, 38102 Braunschweig
Alibi-Aktion
. . . Die lächerliche Alibi-Aktion
„Ärzte hängen den Kittel an den Na- gel“, deren Wirkung auf die Politik absehbar null sein wird, ist dazu an- getan, den berufspolitischen Einblick der Basis-Ärzte zu erweitern und Letzteren eindrucksvoll zu illustrie- ren, wie ihre Interessen von der KV- Nomenklatura allenfalls pseudohaft (in Wahrheit aber gar nicht) vertreten werden. Insofern muss man der KBV für diese Aktion wirklich dankbar sein.
Wolfgang Küster,Darmstädter Straße 1, 64354 Reinheim/Odenwald
JUSTIZ
Der Mannesmann- Prozess endete ohne Urteil (DÄ 49/2006:
„Causa perversa“
von Börsebius).
Peanuts
Börsebius trifft, wie oft, ins Schwarze. Nur die Justiz war im Falle der „ehrenwerten Herren Ackermann, Esser und Co.“ wohl nicht nur „hilflos“ und „spitzfindig“, sie war – und hier lohnt sich ein Blick auf den mitunter gar nicht so verstaubten Karl Marx – eben ganz einfach Klassenjustiz . . . Gottlob, Recht soll aber Recht bleiben, und so lese ich in einer renommierten, überregionalen, zu Zeiten der DDR dort stets als großbürgerlich ge- scholtenen deutschen Tageszeitung,
Briefe, die die Redaktion per E-Mail erreichen, werden aufmerksam gelesen. Sie kön- nen jedoch nur veröffentlicht werden, wenn sie ausdrücklich als „Leserbrief“ bezeich- net sind. Voraussetzung ist ferner die vollständige Anschrift des Verfassers (nicht nur die E-Mail-Adresse). Die Redaktion behält sich ohne weitere Mitteilung vor, E-Mail- Nachrichten, die als Leserbrief erscheinen sollen, zu kürzen. DÄ
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dass es erneut gelungen sei, einen groß angelegten „Ärztebetrug“ auf- zudecken, und die Staatsanwalt- schaft wegen des Verdachts ermit- teln müsse, praktizierende Medizi- ner hätten für die Auswertung von EKGs statt der gebührenrechtlich vorgesehenen drei Minuten eine den Erkenntnissen zufolge real geringere Zeitspanne eingesetzt und so die Krankenkassen – man darf wohl an- nehmen – pro EKG um eine halbe oder ganze Minute geprellt. Auch das eine Causa perversa. Man darf deshalb hoffen, die Staatsanwalt- schaft werde auch hier alsbald gegen einen dem vermittelten Bild der öf-
fentlichen Medien nach in ganz be- sonderer Weise kriminalitätsanfälli- gen Berufsstand mit aller gebotenen Härte und Schärfe des Gesetzes vor- gehen, bevor sich die Ärzteschaft durch weitere Flucht nach Großbri- tannien oder Skandinavien ihrer Ver- antwortlichkeit und damit auch dem berufsfeindlichen Klima in Deutsch- land entziehen kann. Denn auch Pea- nuts sollte die Justiz nicht überse- hen, wenngleich Deutschbanker – wir erinnern uns eines früheren Vor- standssprechers – da in ganz anderen Dimensionen denken . . .
Dr. med. Jürgen Bock,Brodowinerstraße 6 a, 16248 Oderberg
ONKOLOGIE
Vor Zahnbehandlun- gen sollten Bisphos- phonate abgesetzt werden (DÄ 46/
2006: „Kiefernekro- sen nach hoch dosierter Bisphos- phonattherapie“ von Prof. Dr. med. Dieter Felsenberg et al.).
Bericht aus der Praxis
Die Behauptung der Autoren, der hohe Prozentsatz an Kiefernekrosen bei Zoledronat und Pamidronat sei
nicht Ausdruck der besonderen Ge- fährdung durch diese Bisphospho- nate, sondern Ausdruck dessen, dass fast ausschließlich diese bei- den Substanzen in den betroffenen Indikationen eingesetzt werden, ist aus Sicht der onkologischen Praxis nicht nachvollziehbar. Ibandronat hat zwar nur die offizielle Zulas- sung für Mammakarzinome, wird jedoch in der onkologischen Routi- ne häufig bei Skelettmetastasen an- derer Tumoren, insbesondere bei renaler Komorbidität, eingesetzt. In unserer onkologischen Schwer- punktpraxis sind in den letzten zehn Jahren bei nahezu gleicher Einsatz-
frequenz von Ibandronat und Zole- dronat elf Kiefernekrosen aus- schließlich bei Zoledronat aufgetre- ten. Aus unserer Sicht besteht die Ursache in der schnellen und hohen Knochenaffinität des Zoledronats, die insbesondere bei kurzer Infusi- onsdauer zu hohen lokalen Gewe- bekonzentrationen führt. Hierdurch werden nicht nur die Osteoklasten, sondern auch Osteoblasten und Ma- krophagen in Apoptose getrieben, sodass ein sogenannter toter Kno- chen („frozen bone“) resultiert. Of- fensichtlich ist dann ein Reparati- onsstoffwechsel bei – im Kieferbe- reich häufig auftretenden – Mi-
kroläsionen nicht mehr möglich.
Allerdings hat diese hohe Potenz in der onkologischen Anwendung auch durchaus nutzbare Vorteile.
Aus unserer Sicht sollte auf eine ausreichend lange Infusionsdauer bei Zoledronat geachtet werden (mindestens 30 Minuten). Wie auch für die Osteoporose vorgeschlagen, sollte auch bei der onkologischen Anwendung der Bisphosphonate nach einer initialen Sättigungspha- se die Möglichkeit einer Intervall- verlängerung in Studien geprüft werden.
Dr. med. Wolfgang Abenhardt,Prielmayerstraße 1, 80335 München