Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 6⏐⏐9. Februar 2007 A333
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weigern kann, erscheint das ganze Konzept fragwürdig. Neben dem erheblichen Zeitaufwand für das Freigeben des e-Rezepts müssen auch die möglichen forensischen und haftungsrechtlichen Konse- quenzen bedacht werden. Was pas- siert, wenn es zu relevanten Medi- kamentenwechselwirkungen ge- kommen ist, die bei sorgfältiger Analyse der umfangreichen Vorme- dikation eines einzelnen Patienten hätten vermieden werden können?
Was passiert, wenn kostspielige Medikamente in kurzem zeitlichem Zusammenhang von verschiedenen Praxen verordnet wurden, was von der zweitverschreibenden Praxis übersehen wurde, jedoch bei gewis- senhaftem Studium der Vormedika- tion hätte erkannt werden müssen ? – Wenn eine elektronische Erfas- sung der Medikation eines Patien- ten von den Kassen eingefordert wird, so erscheint am ehesten eine Eingabe und gegebenenfalls Über-
prüfung über die abgebende Apo- theke als gangbarer Weg . . .
Dr. med. Carl-Joachim Mellinghoff, Ludwig-Kick-Straße 3, 88131 Lindau
Gratulation zum Ausstieg
Man kann der Kassenärztlichen Ver- einigung Bremen zum Ausstieg aus dem Modellprojekt zur Einführung der sogenannten elektronischen Ge- sundheitskarte nur gratulieren. Den Betreibern der Gesundheitstelematik ist es offensichtlich egal, ob die Ärz- te tatsächlich irgendeinen Nutzen von dem geplanten Projekt haben oder ob sie lediglich zu willigen Kos- tenträgern einer politischen Utopie werden. Wie sagte doch Herr Drees, Geschäftsführer der gematik, zu der Vorhaltung, dass in einer Studie die Ärzte als die „Verlierer“ im System ausgewiesen wurden: „Verhandlun- gen und eine entsprechende Qua- litätssicherung werden sicherlich zu den richtigen Ergebnissen führen“
(sic!). Ein solches Wortgeklingel ha- be ich bisher noch kaum zu einem gesundheitspolitischen Thema hören können.
Dr. med. Dr. phil. Reinhard Platzek,
Vorsitzender des Hartmannbundes für Unterfranken, Keplerstraße 23, 63741 Aschaffenburg
VERHALTENSTHERAPIE
Bekanntmachung der Kassenärztli- chen Bundesvereini- gung (DÄ 43/2006:
„Überlegungen der Gutachter zur Abfas- sung des Berichts an den Gutachter bei Anträgen auf Verhal- tenstherapie“).
Titel ohne Mittel
Im Rahmen der obigen Bekanntma- chung wird noch einmal seitens der Herausgeber an die Wichtigkeit des Antrags auf Psychotherapie als be-
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deutsamen Bestandteil einer exter- nen Qualitätssicherung in der psy- chotherapeutischen Praxis, aber auch als Instrument der Selbstreflexion in- nerhalb des therapeutischen Prozes- ses erinnert. Art und Umfang dieser mehrseitigen Dokumentation erfor- dern vom Psychotherapeuten häufig eine mehrstündige Arbeit, deren Grundlage in der Anamnese und den probatorischen Sitzungen erarbeitet wird. Unter Berücksichtigung dieser Zusammenhänge ist es aber für mich als niedergelassener Psychotherapeut unverständlich, wieso gerade diese wichtigen Leistungen des Facharzt- kapitels mit einem betriebswirt- schaftlich nicht mehr zu leistenden Punktwert honoriert werden. So habe ich beispielsweise im ersten Quartal 2006 für die biografische Anamnese bei einem Ersatzkassenpatienten 6,94 Euro, für eine probatorische Sit- zung 7,92 Euro und für den Bericht an den Gutachter zur Feststellung der Leistungspflicht 7,53 Euro erhalten.
Selbst bei laufenden, von der Kran- kenkasse genehmigten Psychothera- pien sind beispielsweise Verlänge- rungs- oder Umwandlungsanträge für Kassenpatienten zu diesem Punktwert zu erstellen, die keines- falls den benötigten Arbeitsaufwand mehr honorieren . . . Hierdurch hat sich der Facharzt für Psychosomatik und Psychotherapie zu einem Titel ohne Mittel entwickelt.
Martin Boncek,Kaiserstraße 15, 58840 Plettenberg
KBV
Warum Ärzte ihre Kittel spenden sollen und wie die KBV ge- gen die Gesund- heitsreform spekta- kulär in die Öffent- lichkeit geht (DÄ 46/
2006: „Spektakuläre Protestaktionen ge- gen die Gesundheitsreform“ von Josef Maus).
Ziviler Ungehorsam
. . . Wenn die Gesundheitsreform un- verändert umgesetzt werden sollte, schrumpft der Einfluss der KBV auf Erbsengröße. Auch das zu verteilen- de Honorarvolumen minimiert sich erheblich, sodass die wirtschaftli-
chen Risiken bei einem flächenhaf- ten Ausstieg aus der kassenärztlichen Versorgung überschaubar werden.
Eine wie auch immer geartete ärztli- che Neuorganisation in einer der vie- len schon jetzt bestehenden Parallel- organisationen wird sich marktwirt- schaftlich orientieren. Ärztliche Al- mosen in Form von 30 Prozent un- vergüteter Leistungen für GKV-Pati- enten wird es nicht mehr geben. Dies wird diejenigen am härtesten treffen, die schon heute aufgrund ihrer sozia- len Stellung eine deutlich kürzere Lebenserwartung haben. Dies sollte die KBV der Öffentlichkeit mitteilen und sich ansonsten in zivilen Unge- horsam üben.
Dr. med. Pompilio Torremante,Marktplatz 29, 88416 Ochsenhausen
Überaus peinlich
Na toll! Jetzt sammeln die KBV und die Kassenärztlichen Vereinigungen in einer „Spektakulären Protestakti- on“ getragene Kittel und gebrauchte Stethoskope ein, die dann auch noch als Spende in Entwicklungsländer gegeben werden. Spektakulär ist es deswegen, weil überaus peinlich, er- innert mich das doch an den dum- men Spruch „schickt Eure Brotreste in die Entwicklungsländer“. Spekta- kulär wäre, setzten sich unsere Obe- ren dafür ein, mal für ein Quartal Monat für Monat von uns Ärzten Rechnungen bei den Kassen einzu- treiben, die wir unseren Patienten mitgegeben. Alles in Euro und nach dem derzeit gültigen Tarif (oder weiß man gar nicht, wie hoch der ist?). Der Patient soll doch sehen, wie viel (wenig) wir für was bekom- men. Dann haben wir jeden Monat unser Gehalt, denn wir müssen ja auch jede unserer Rechnungen „in- nerhalb der nächsten 30 Tage beglei- chen“. Bei jeder Rechnung meines Praxissoftware-Betreuers denke ich
an die vielen Patienten, die ich dafür ein ganzes Quartal lang erst mal be- treuen muss . . .
Wilhelm Schütte,An der Paulikirche 3, 38102 Braunschweig
Alibi-Aktion
. . . Die lächerliche Alibi-Aktion
„Ärzte hängen den Kittel an den Na- gel“, deren Wirkung auf die Politik absehbar null sein wird, ist dazu an- getan, den berufspolitischen Einblick der Basis-Ärzte zu erweitern und Letzteren eindrucksvoll zu illustrie- ren, wie ihre Interessen von der KV- Nomenklatura allenfalls pseudohaft (in Wahrheit aber gar nicht) vertreten werden. Insofern muss man der KBV für diese Aktion wirklich dankbar sein.
Wolfgang Küster,Darmstädter Straße 1, 64354 Reinheim/Odenwald
JUSTIZ
Der Mannesmann- Prozess endete ohne Urteil (DÄ 49/2006:
„Causa perversa“
von Börsebius).
Peanuts
Börsebius trifft, wie oft, ins Schwarze. Nur die Justiz war im Falle der „ehrenwerten Herren Ackermann, Esser und Co.“ wohl nicht nur „hilflos“ und „spitzfindig“, sie war – und hier lohnt sich ein Blick auf den mitunter gar nicht so verstaubten Karl Marx – eben ganz einfach Klassenjustiz . . . Gottlob, Recht soll aber Recht bleiben, und so lese ich in einer renommierten, überregionalen, zu Zeiten der DDR dort stets als großbürgerlich ge- scholtenen deutschen Tageszeitung,
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