Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 51. Februar 2008 A191
P O L I T I K
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rof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig ist engagiert bei der Sache. Mit rotem Kopf steht der Vorsitzende der Arzneimittelkom- mission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) vor Journalisten in Berlin, bemüht, ihnen den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Es geht um die Arzneimittelsicherheit in Deutsch- land, und es geht darum, dass das„Bewusstsein für Pharmakovigi- lanz bei Ärzten bislang nur rudi- mentär angelegt ist“, wie es der Ak- dÄ-Chef ausdrückt. Das heißt im Klartext: Deutschland liegt im eu- ropäischen Vergleich bei der An- zahl gemeldeter unerwünschter Arzneimittelwirkungen (UAW) zwar an zweiter Stelle, doch nur ein Bruchteil dieser Meldungen stammt von Ärzten. „Das ist ein großes De- fizit“, betont Ludwig.
In Zahlen stellt sich die Situation folgendermaßen dar: Etwa 35 000 Verdachtsmeldungen gingen 2006 beim Bundesinstitut für Arzneimit- tel und Medizinprodukte (BfArM) – der Bundesoberbehörde – auf elektronischem Weg ein. 80 Prozent davon kamen von pharmazeuti- schen Unternehmen, 20 Prozent von Ärzten, Zahnärzten, Apothe- kern, Heilpraktikern und anderen.
Von diesen 20 Prozent stammten le- diglich rund zehn Prozent aus der Ärzteschaft. „Das waren 2006 gera- de einmal etwa 2 200 Meldungen“, sagt Ludwig. Dabei, so schreibt es die (Muster-)Berufsordnung für Ärzte in § 6 vor, sind Ärzte ver-
pflichtet, der Arzneimittelkommis- sion UAW mitzuteilen.
Stellt ein Patient bei einem be- reits zugelassenen Medikament Ne- benwirkungen an sich fest und teilt diese dem Arzt mit, gibt es verschie- dene Möglichkeiten: Auf den Inter- netseiten der AkdÄ und des BfArM befinden sich Berichtsbögen über
„unerwünschte Arzneimittelwirkun- gen (auch Verdachtsfälle)“. Diesen – lediglich einseitigen – Bogen füllt der Arzt aus und schickt ihn an die darauf angegebene Adresse.
Die Aufgabe der Arzneimittel- kommission ist es dann, den Schwe-
regrad der Nebenwirkung zu be- stimmen, weitere Schritte zu überle- gen und gegebenenfalls das BfArM oder das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) einzuschalten. Das PEI ist zustän- dig, wenn es um Sera, Impfstoffe, Testallergene, Testsera, Testantige-
ne und Blutprodukte geht. Wenn die Bewertung von Arzneimittelrisiken ergibt, dass der Zulassungsstatus dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis angepasst werden muss, koordiniert die AkdÄ notwendige Maßnahmen zur Gefahrenabwehr.
Ärzte werden hierüber informiert – beispielsweise durch Bekanntgaben im Deutschen Ärzteblatt.
Es gibt noch einen anderen Weg:
den über das pharmazeutische Unter- nehmen. Denn in jedem Unterneh- men muss es einen zentralen An- sprechpartner für Arzneimittelrisi- ken geben, so steht es in § 63 a des Arzneimittelgesetzes. Diese Person wird als „Stufenplanbeauftragte(r)“
bezeichnet. Im Stufenplan ist gere- gelt, wie mit anderen beteiligten Behörden und Stellen, die Arznei- mittelrisiken erfassen, vorzugehen ist. Je nach Gefahrenstufe ergreift der Beauftragte bestimmte Maßnahmen.
Das Pharmaunternehmen kann sich in der Folge beispielsweise für die Versendung eines „Rote-Hand- Briefs“ entscheiden. Pro Jahr gehen etwa zehn bis 20 solcher Briefe her- aus, heißt es vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie. Ver- schickt werden sie (noch) per Post.
Nach Rücksprache mit dem BfArM kommt es jedoch auch bisweilen vor, dass Arzneimittel zurückgerufen oder die Zulassung zurückgenom- men wird.
„Ärzte erfahren im Studium oft- mals nicht, an wen sie sich wenden sollen, wenn Patienten UAW mel- den“, schildert Ludwig. Das müsse sich dringend ändern – zur Sicher-
heit aller. I
Martina Merten
ARZNEIMITTELSICHERHEIT
Ärzte sollen Nebenwirkungen häufiger melden
Unerwünschte Wirkungen bei Fertigarzneimitteln sind häufig. Ärzte melden sie jedoch zu selten. Dabei gibt es mehrere Stellen, die Meldungen sammeln und notwendige Maßnahmen einleiten können.
Meldebögen über unerwünschte Arzneimittelwirkun- gen findet man auf den Internetseiten der Arzneimittel- kommission und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, sowie regelmäßig im Deutschen Ärzte- blatt.
Weitere Literatur im Internet:
www.akdae.de, www.bfarm.de
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Von 35 000 gemeldeten unerwünschten Arzneimittel- wirkungen 2006 stammt nur ein Bruchteil von Ärzten .
Wolf-Dieter Ludwig, Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft
Foto:Eberhard Hahne