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Archiv "Arzneimittelsicherheit -- Beitrag der Ärzte im Jahr 1984" (30.10.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

ÜBERSICHTSAUFSATZ

■ ■

A

rzte und Apotheker erfas- sen, wohl als einziger Be- rufsstand, seit langer Zeit systematisch Risiken aus ihrem Tätigkeitsbereich und machen ih- re Kollegen darauf aufmerksam.

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft tut das für Arzneimittel bereits seit 1962. An- zahl und Qualität der Berichte nahmen in den letzten Jahren zu;

1984 gingen erstmals mehr als 5000 Berichte ein. Sie werden nicht nur archiviert und in eine Datenbank eingegeben, sondern bereits am Eingangstage von den Ärzten und dem Pharmazeuten der Geschäftsstelle eingehend besprochen. Zu schweren Fällen und neuen unerwünschten Wir- kungen wird der Rat der zuständi- gen Fachmitglieder eingeholt. Bei Problemen der allgemeinen Arz- neimittelsicherheit wird der Leiter der Abteilung für Arzneimittelver- kehr des Bundesgesundheitsam- tes unverzüglich informiert und Kontakt mit dem Sicherheitsbe- auftragten des betroffenen Unter- nehmens aufgenommen.

Auf den Sitzungen des Arbeits- ausschusses „Unerwünschte Arz- neimittelwirkungen", der in regel- mäßigen Abständen zusammen- tritt, werden die wissenschaft- lichen Grundlagen zur Beurtei- lung des Nebenwirkungsmecha- nismus und, soweit möglich, der Kausalitätsbeurteilung im Einzel- fall erarbeitet. Dem Ausschuß

„Unerwünschte Arzneimittelwir- kungen" gehören Fachmitglieder der besonders betroffenen Diszi-

plinen wie Dermatologie, Hämato- logie, Kardiologie, Immunologie, Hepatologie und Psychiatrie, aber auch niedergelassene Internisten und Ärzte für Allgemeinmedizin an. Die theoretischen Disziplinen werden durch Pharmakologen und Toxikologen vertreten. Außer- dem werden Kollegen, die beson- ders interessante Fälle beobach- tet haben, eingeladen, darüber persönlich zu berichten. Die Sit- zungen finden an verschiedenen größeren Kliniken der Bundesre- publik statt, die sich um eine sy- stematische Erfassung uner- wünschter Arzneimittelwirkungen in ihrem Hause besonders be- müht haben.

Auf den Ausschußsitzungen wird das weitere Vorgehen zur Risiko- minderung festgelegt, insbeson- dere Empfehlungen für die Bun- desoberbehörde und die Herstel- ler formuliert. Außerdem wird die Veröffentlichung von Informatio- nen und Bekanntgaben zu Arznei- mittelsicherheitsproblemen im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT be- schlossen. 1984 wurden insge- samt 27 solcher Bekanntgaben und Informationen veröffentlicht.

Ein Spontanerfassungssystem für unerwünschte Arzneimittelwir- kungen läßt keine Aussagen über die absolute Häufigkeit zu; seine Signalfunktion ist aber durch kein anderes System zu ersetzen. Für die 1984 eingegangenen Berichte wurde wieder ein Profil nach Symptomgruppen erstellt. Um Veränderungen gegenüber 1983

Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft möchte alle Kollegen erneut aufrufen, durch ihre Berichte insbesondere neuer unerwarteter und schwerer unerwünschter Arzneimittelwir- kungen das Wissen aller Kollegen um die Risiken der von Ihnen ver- ordneten Arzneimittel zu vertiefen und damit auch das zunehmen- de Mißtrauen der Patienten in die Arzneibehandlung abzubauen.

aufzuzeigen, wurden die beiden Profile einander gegenüberge- stellt (Abbildungen).

Wie im Vorjahre blieb 1984 der Anteil von Berichten über schwe- re Überempfindlichkeitsreaktio- nen, insbesondere anaphylakti- sche(-oide) Schockreaktionen, besorgniserregend hoch. Das un- terstreicht erneut unsere Forde- rung, mehr in die Forschung zur Identifizierung der Risikopopula- tionen zu investieren. Zu den in diesem Zusammenhang dringli- chen Maßnahmen gehört die De- klaration potentiell allergener Hilfsstoffe in Fertigarzneimitteln und die Schaffung eines bundes- einheitlichen Allergiepasses.

Hautreaktionen bis hin zum Syn- drom der verbrühten Haut (Lyell) wurden im vergangenen Jahr et- was weniger häufig berichtet als 1983. Während sich bei Reaktio- nen des peripheren und zentralen Nervensystems ebenfalls wenig geändert hat, ist gegenüber dem Vorjahre ein Rückgang der Be-

richte über Medikamentenmiß- brauch und -abhängigkeit zu ver- zeichnen. Als mögliche Ursache

ist die deutliche Zurückhaltung der Ärzte bei der Verordnung miß- brauchsgefährdeter Arzneistoffe, insbesondere von Benzodiazepi- nen zu diskutieren. Auch könnten die aufgrund der Empfehlungen der internationalen Suchtstoff- kommission ergriffenen Maßnah- men wie auch eigenverantwort- liche Initiativen der Hersteller mit- geholfen haben.

Arzneimittelsicherheit --

Beitrag der Ärzte im Jahr 1984

Beate Mathias

Aus der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft — Fachausschuß der Bundesärztekammer (Vorsitzender: Professor Dr. med. Fritz Scheler)

3276 (70) Heft 44 vom 30. Oktober 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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10% 20%

(der 4588 Berichte*

0i

Schwere Überempfindlichkeits- reaktionen 22,4%

(Schockreaktionen 7%)

Hautreaktionen 20,5%

(Schwere HautreaktionerItyell 4,5%)

ZNS Peripheres NS 13,1%

Psychiatrische Reaktionen 7,7%

Medikamenten-Mißbrauch Abhängigkeit 11.7%

Reaktion am Magen-Darm-Trakt 16,1%

(MD-Ulzera, -Blutungen, Kolitis 8,2%)

Hämatologische Nebenwirkungen 5,2%

Herz-Kreislauf-Reaktionen 6,8%

Leberfunktionsstörungen.

Leberzellschaden 4,9%

Nebenwirkungen an Niere Harnwegen 2.6%

Endokrine hormonelle Nebenwirkungen Stoffwechselstörungen 3,3%

Nebenwirkungen am Auge 2.3%

Nebenwirkungsprofil: Auswertung der 4588 Berichte aus 1983

* Pro Bericht werden durchschnittlich 1,4 Symptome angegeben. durch Aufnahme in mehr als eine Gruppe liegt die Prozentsumme über 100

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Arzneimittelsicherheit

Der Anteil unerwünschter Wirkun- gen am Magen-Darm-Trakt in den Berichten ging insbesondere bei den schweren Reaktionen wie Ul- zera und ihren Folgen zurück. Wir vermuten, daß dies auf die kriti- schere Verordnung besonders be- troffener nichtsteroidaler Anti- phlogistika zurückzuführen ist.

Berichte über Reaktionen von sei- ten des Herzens und Kreislaufs nahmen dagegen zu. In der Hauptsache handelte es sich um Thromboembolien, Hypotonie be- ziehungsweise Hypertonie und Herzrhythmusstörungen.

Der Anteil von Berichten über hä- matologische Nebenwirkungen nahm von 5,2 Prozent (1983) auf 7,3 Prozent (1984) zu. So wurden 1984 unter anderem 81 Fälle von vermutlich arzneimittelinduzierter Agranulozytose und 26 Panzyto- penien berichtet. Zu den Hauptur- sachen zählen nach wie vor Anal- getika aus der Pyrazolonreihe und verschiedene andere neuere Arz- neistoffe. Die Zunahme des An- teils von Leberfunktionsstörun- gen bis zum Leberzellschaden von 4,9 Prozent auf 6,9 Prozent war im wesentlichen durch das Al- koholentwöhnungsmittel (Nitrefa- zol = Altimol®) bedingt. Dann folgt das Antiarrhythmikum Praj- malin (Neo-Gilurytmal®), für das eine genetisch bedingte Metaboli- sierungsstörung vorliegen kann, und das Antidepressivum Nomi- fensin (Alival®), sowohl als Mono- präparat als auch in seiner Kombi- nation mit Clobazam (Psyton®) (vergleiche Bekanntgabe der Arz- neimittelkommission vom 27.

März 1985, Deutsch. Ärztebl. 82, Heft 13/1985, Seite 879). Häufige- re Leberreaktionen bei dem Anti- mykotikum Ketoconazol (Nizo- ral®) und dem Malaria-Mittel Pyri- metamin/Sulfadoxin (Fansidar®) führten weltweit, auch aufgrund von Berichten aus der Bundesre- publik, zu einschneidenden Indi- kationsbeschränkungen.

Der Ausschuß „Unerwünschte Arzneimittelwirkungen" beschäf- tigte sich unter anderem mit fol- genden gravierenden Arzneimit- telrisiken:

Seit den Anhörungen für das der- zeitige Arzneimittelgesetz vor et- wa zehn Jahren fordert die Arznei- mittelkommission die Deklaration pharmazeutischer Hilfsstoffe, die zu unerwünschten Reaktionen führen können. Während in den Vereinigten Staaten die Hersteller eigenverantwortlich die Deklara- tion solcher Stoffe angeboten ha- ben und auch in Großbritannien ähnliche Bestrebungen im Gange sind, fehlt im Regierungsentwurf zur Novellierung des Arzneimittel- gesetzes erneut eine solche Re- gelung. Die Arzneimittelkommis- sion hat sich deshalb mit einer Vorschlagsliste solcher Stoffe an das zuständige Bundesministeri- um gewandt. Die Liste wurde von allen zuständigen Fachmitglie- dern der Arzneimittelkommission

und weiteren Experten bearbeitet (vergleiche Information der Arz- neimittelkommission vom 18.

September 1985 Deutsch. Ärztebl.

82, Heft 38/1985, Seite 2721).

Der Arzneimittelkommission gin- gen auch 1984 eine Reihe von Be- richten über schwere Überemp- findlichkeitsreaktionen zu, die nicht durch den Arzneistoff selbst ausgelöst sein dürften. Wir den- ken hier zum Beispiel an Sulfite, die insbesondere Injektionslösun- gen zur Farbstabilisierung zuge- setzt werden. Dieser Stoff muß in den Vereinigten Staaten, selbst in Lebensmitteln, deklariert werden.

Nach wie vor sind schwere Schockreaktionen durch Analgeti- ka der Pyrazolon-Reihe, die un- 3278 (72) Heft 44 vom 30. Oktober 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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10% 20%

von 5000 Berichten') 0%

Schwere Überempfindlichkeits- reaktionen 25,4%

(Schockreaktionen 7,6%)

Hautreaktionen 16,2%

(Schwere Hautreakt./Lyell 3%)

Reakt. am ZNS/Periph. NS 11,7%

Psychiatr. Reakt. 7,9%

Medikam.-Mißbrauch/Abhäng. 5,1%

Reakt. am Magen-Darm-Trakt 13,4%

(MD-Ulzera, -Blutung, Kolitis 5,4%)

Herz-Kreislauf-Reaktionen 10,9%

Hämatolog. Nebenwirkungen 7,3%

Leberfunktionsstörung/

Leberzellschaden 6,9%

Endokrindhormon. Nebenwirkungen/

Stoffwechselstörungen 4,8%

Nebenwirkungen an den Sinnes- organen 3,6% (am Auge 2,1%)

Nebenwirkungen an Nieren/Harn- wegen 3%

Nebenwirkungsprofil: Auswertung von 5000 Berichten aus 1984

*) Pro Bericht werden durchschnittlich 1,4 Symptome angegeben, durch Aufnahme in mehr als eine Gruppe hegt die %-Summe über 100

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Arzneimittelsicherheit

verständlicherweise noch rezept- frei erhältlich sind, ein Problem.

Ähnliche Reaktionen nach Gabe von Röntgenkontrastmitteln soll- ten, nachdem diagnostische Alter- nativen zur Verfügung stehen, zu besonders strenger Indikations- stellung mahnen. Auch von nicht- steroidalen Antiphlogistika wur- den Schockreaktionen mitgeteilt.

Berichte über Nierenversagen un- ter gleichzeitiger Gabe nichtstero- idaler Antiphlogistika und Diureti- ka vom Thiazidtyp führten zu ei- nem Beitrag in „Arzneiverord- nung in der Praxis" 2/84.

Zu den wirkstoffbezogenen Pro- blemen gehörte im Berichts- jahr der Angiotensin-Konvertase- (ACE)Hemmer Captopril. Durch

die Zulassungserweiterung au den unkomplizierten Bluthoch druck wurde dieser Arzneistoff 1984 nahezu eine halbe million- mal verordnet. Dadurch werden auch seltenere unerwünschte Arz- neimittelwirkungen evident. Be- richtet wurde unter anderem über Störungen des weißen Blutbildes und Überempfindlichkeitsreaktio- nen wie Angiödem. Über den nun auch im Handel befindlichen ACE- Hemmer Enalapril lagen 1984 noch keine ausreichenden Erfah- rungen vor, doch dürfte auch hier mit einem entsprechenden Ne- benwirkungsspektrum zu rech- nen sein.

Die ophthalmologischen Fachmit- glieder befaßten sich im Berichts- jahr auf Anregung der Arzneimit-

telkommission mit den zuerst in Canada beobachteten Netzhaut- ablagerungen nach Einnahme Canthaxantin-haltiger Bräunungs- mittel. Die Augenveränderungen konnten bei einer Reihe von Be- nutzern bestätigt werden; ein ent- sprechender Bericht erschien im Januar 1985 (Deutsches Ärzteblatt 82, Heft 4/1985, Seite 181); das Bundesgesundheitsamt verein- barte im Juni diesen Jahres mit den Herstellern den Zulassungs- widerruf.

Neben verschiedenen Problemen, die uns im Zusammenhang mit den H2-Rezeptorenblockem Ci- metidin (Tagamet®) und Ranitidin (Sostril®, Zantic®) mitgeteilt wur- den, wie zum Beispiel Gynäkoma- stie und Blutzellbildungsstörun- gen, wurden im Ausschuß Berich- te über zentralnervöse bezie- hungsweise psychotische Reak- tionen besprochen. Die uner- wünschten Wirkungen können so- wohl die Hirnrinde als auch den Hirnstamm betreffen. Die Sympto- matik der ersten Gruppe: Benom- menheit, Unruhe, Verwirrtheit, Desorientiertheit bis hin zu psy- chotischen Reaktionen wie Hallu- zinationen und deliranten Zustän- den treten meist 24 bis 48 Stun- den nach der ersten Gabe, gele- gentlich aber auch später auf. So wurden Wochen nach Behand- lungsbeginn Depressionen beob- achtet.

Die dem Hirnstamm zuzuordnen- den Störungen, zum Beispiel ver- waschene Sprache, Artikulations- störungen, Doppelsehen und py- ramidale Symptomatik treten manchmal frühzeitig, meist aber erst nach längerer Behandlung auf. Alle diese unerwünschten Wirkungen werden überwiegend bei älteren Patienten und solchen mit eingeschränkter Nieren- und Leberfunktion beobachtet, kön- nen jedoch auch bei Kindern auf- treten. Mit dem länger eingeführ- ten Cimetidin liegen bereits grö- ßere diesbezügliche Erfahrungen vor, jedoch sind auch entspre- chende Fälle mit Ranitidin be- kannt geworden.

Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 44 vom 30. Oktober 1985 (73) 3279

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Arzneimittelsicherheit

In einer Bekanntgabe (Deutsches Ärzteblatt 81, Heft 45/1984, Seite 3337) wurde auf schwerwiegende Dosierungsprobleme beim Antiar- rhythmikum Flecainid (Tambo- cor®) hingewiesen, nachdem die kardiologischen Fachmitglieder der Arzneimittelkommission aus- führlich zu der Problematik Stel- lung genommen hatten.

Auch 1984 wurden uns mehrere Fälle von peripherer Ischämie und Gangrän nach Injektion von Hepa- rin-Dihydergot® berichtet. Bereits 1982 hatte ein Fachmitglied der Arzneimittelkommission zu den pharmakologischen Grundlagen der Risiken bei gleichzeitiger Ga- be von Heparin und Mutterkornal- kaloiden im DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATT Stellung genommen.

Wenn auch trizyklische Antide- pressiva und ihnen wirkungsver- wandte Arzneistoffe gelegentlich zu Störungen der Leukopoese führen können, scheint dies bei einzelnen Arzneistoffen ausge- prägter zu sein. So wurde in Neu- seeland das Auftreten von Agra- nulozytosen unter Gabe des Anti- depressivums Mianserin (Tolvin®) in einer Häufigkeit von etwa 1:2000 Fällen beobachtet. Auch unseren Kollegen in Großbritan- nien liegen Berichte über 113 Blutzellbildungsstörungen vor.

Aus der Bundesrepublik wurden uns nur vereinzelt Fälle von Leu- kopenie und Agranulozytose be- richtet. Dessen ungeachtet sollten die Patienten auf Frühsymptome einer Agranulozytose hingewie- sen und regelmäßig Blutbildkon- trollen gemacht werden.

Ein besonders tragisches Pro- blem stellten mehrere Todesfälle nach Behandlung mit dem Alko- holentwöhnungsmittel Nitrefazol (Altimol®) dar. Die Geschäftsstelle der Arzneimittelkommission infor- mierte nach Vorliegen des ersten tödlich verlaufenen Verdachtsfal- les das Bundesgesundheitsamt und den Hersteller. Die nachfol- genden Ermittlungen über den Kausalzusammenhang der beob- achteten schweren Leberschädi-

gungen, Kreislaufreaktionen und Blutzellbildungsstörungen, zum Teil mit tödlichem Ausgang, führ- ten zum Vertriebsstop.

Die schon früher beobachteten Fieberreaktionen bei Gabe von Nomifensin (Alival®) ließen auf ein von den übrigen Antidepressiva abweichendes immunogenes Po- tential dieses Arzneistoffes schlie- ßen. Dies wurde durch Berichte über hämolytische Anämien auch aus dem Ausland bestätigt. Mit zu- nehmender Anwendungshäufig- keit kamen noch Beobachtungen über Leberfunktionsstörungen und Lungeninfiltrate hinzu. Unse- re britischen Kollegen berichteten auch über ein Influenza-ähnliches Syndrom mit Abgeschlagenheit, Fieber, Muskel- und Gelenk- schmerzen, bei dem wegen der unspezifischen Symptomatik die Möglichkeit eines Zusammen- hangs mit der Medikamentation nicht immer gesehen wird. Anfang diesen Jahres wies die Arzneimit- telkommission auf mehrere Be- richte über allergische Alveolitis unter dem Bild einer interstitiellen Pneumonie unter Nomifensin-Ga- be hin. Zusätzlich wurde auf Ko- ma-ähnliche Somnolenzzustände unter Einnahme von Psyton® auf- merksam gemacht, deren patho- genetischer Zusammenhang al- lerdings noch ungeklärt ist. Zu diesem breiten Spektrum uner- wünschter Wirkungen kam kürz- lich eine weitere Beobachtung über eine nekrotisierende Vasku- litis aus der Bundesrepublik hin- zu, die allerdings in einer engli- schen Fachzeitschrift erschien (Lancet, 27. 7. 1985, 221).

Es war zu erwarten, daß die Wei- terentwicklung von Chemothera- peutika der Chinolon-Reihe ähn- liche Probleme wie die der Aus- gangssubstanzen Nalidixin- und Pipemidsäure bringen würde. Bis- lang liegen erst über Norfloxacin (Barazan®) einige Erfahrungen vor. Das Nebenwirkungsprofil die- ses Chinolonderivats zeigt, daß von den berichteten unerwünsch- ten Arzneimittelwirkungen 38 Pro- zent gastrointestinale Störungen

sind. Wie erwartet, folgen Reak- tionen des zentralen und periphe- ren Nervensystems und psychia- trische Reaktionen; solche von seiten des Herzens und des Kreis-

laufes, Hautreaktionen und Seh-, Hör- und Geschmacksstörungen wurden seltener berichtet. Den-

noch sollten alle Patienten, die mit Vertretern dieser neuen Stoff- gruppe behandelt werden, bis auf weiteres neurologisch untersucht und Blutbild- sowie Leber- be- ziehungsweise Nierenparameter

überwacht werden.

Begrüßenswerterweise hat das Bundesgesundheitsamt mit sei- nen Maßnahmen zu Phenylbuta- zon und seinen Derivaten deren breiten Anwendung dieser schon seit vielen Jahren als bedenklich angesehenen (Kuschinsky, 1967) Antiphlogistika einen Riegel vor- geschoben. Bei dieser Aktion wur- de auch der seit vielen Jahren vor- getragenen Forderung der Arznei- mittelkommission Genüge getan, die riskanten Kombinationen von Phenylbutazon und Kortikostero- iden vom Markt zu nehmen.

Trotz der von der Arzneimittel- kommission angeregten Unter- stellung des virustatischen Exter- nums Tromantadin (Viru Merz Se- rol®) unter die Verschreibungs- pflicht gingen der Arzneimittel- kommission auch 1984 weiterhin zahlreiche Fälle von Kontaktder- matitiden mit zum Teil schwerem Verlauf zu. Durch die Kooperation des Herstellers konnte bei einem großen Teil der Fälle der Zusam- menhang mit dem Präparat durch Hauttest bestätigt werden.

Da das Spontanerfassungssystem der Ärzteschaft ein Frühwarnsy- stem darstellt und sich als solches auch bewährt hat, kommt es be- sonders auf sofortige Mitteilung, auch von Verdachtsfällen an.

Anschrift der Verfasserin:

Dr. med. Beate Mathias Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Haedenkampstraße 5 5000 Köln 41

3282 (76) Heft 44 vom 30. Oktober 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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