• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Akutes Koronarsyndrom: Marginale Effekte der Statine" (25.02.2005)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Akutes Koronarsyndrom: Marginale Effekte der Statine" (25.02.2005)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

M E D I Z I N

Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 8⏐⏐25. Februar 2005 AA519

Interventionsmöglichkeiten beim Cholesterinstoffwechsel

Zur Intervention bei Patienten mit Ar- teriosklerose gibt es derzeit (noch) kei- ne Strategie, deren Ziele die Proteine ABCA1, SR-BI, ABCG5 und ABCG8 sind. Künftige Studien am Menschen müssen zeigen, ob eine Prävention und/oder eine Regression der Arterio- sklerose durch entsprechende Manipu- lationen erreicht werden kann. Es ist denkbar, dass ABCA1, SR-BI, ABCG5 und ABCG8 künftig Ziele für antiathe- rosklerotisch wirksame Pharmaka sind.

Bedeutsam für die Cholesterin- homöostase ist die intestinale Resorp- tion dieses Sterols. NPC1L1 ist nach derzeitigem Wissen ein Schlüsselpro- tein für die Cholesterinresorption. Die Funktion dieses Proteins kann vermut- lich durch Ezetimib gehemmt werden.

Dieser Wirkstoff senkt ebenfalls die Resorption von Phytosterolen, wie bei- spielsweise Sitosterol, aus dem Darm- lumen und kann zur Behandlung der Sitosterolämie verwendet werden. Die- se Entdeckung ist ein wichtiger Beitrag zum besseren Verständnis der Chole- sterinhomöostase und zur Prävention und Therapie der Arteriosklerose. Es ist zu erwarten, dass weitere Hemm- stoffe der intestinalen Cholesterinre- sorption entwickelt werden.

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskript eingereicht: 4. 12. 2003, revidierte Fassung angenommen: 20. 9. 2004

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 516–519 [Heft 8]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Litera- turverzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit0805 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Franz Rinninger Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Zentrum für Innere Medizin

Martinistraße 52 20246 Hamburg

E-Mail: Rinninger@uke.uni-hamburg.de

Marginale Effekte der Statine

Nordt und Borchard befürworten den frühzeitigen Einsatz von Statinen beim akuten Koronarsyndrom vorsichtig opti- mistisch.Vorsichtig – weil die Ergebnisse zurzeit laufender Studien abgewartet werden müssen, optimistisch – weil Be- obachtungsstudien von ihnen positiv be- wertet werden und weil – wenigstens in MIRACL (Myocardial Ischemia Reduc- tion with Aggressive Cholesterol Lowe- ring) – der Einsatz sich „zumindest als nicht nachteilig“ erwiesen hat.

Zunächst zur MIRACL-Studie (2):

3 086 Patienten (65 ± 12 Jahre, 35 Prozent Frauen, 85 Prozent Weiße) mit instabi- ler Angina pectoris (45 Prozent) oder

„Nicht-Q-Wellen“-Infarkt (55 Prozent) wurden 24 bis 96 Stunden (im Mittel 63 Stunden) nach der Klinikaufnahme ran- domisiert und 16 Wochen lang entweder mit Atorvastatin (80 mg/d) oder einem Placebo behandelt. Der primäre zusam- mengesetzte Endpunkt (Mortalität, nicht tödlicher Herzinfarkt, Wiederbelebung nach Herzstillstand oder wiederholte Symptomatik mit Notaufnahme) trat un- ter Placebo bei 17,4 Prozent und unter Atorvastatin bei 14,8 Prozent der Patien- ten auf. Das entspricht einer Ereignisre- duktion von 2,6 Prozent. Daraus errech- net sich eine NNT („number needed to treat“) von 38. Mit anderen Worten: Bei 38 mit Atorvastatin behandelten Pa- tienten kann nur bei einem Patienten irgendeines der angeführten Ereignisse verhindert werden. Der therapeutische Effekt geht also praktisch gegen Null, auch wenn die Studienautoren eine rela-

tive Risikoreduktion von 16 Prozent an- geben.Man muss Nordt und Borchard al- lerdings zustimmen, dass die Gabe von Atorvastatin den betreffenden Patien- ten wenigstens keinen Nachteil gebracht hat. Daraus aber zu schließen, „eine ef- fektive Langzeittherapie früher“ zu be- ginnen, erscheint mehr als fragwürdig.

Völlig verfehlt ist es, wenn aus Beob- achtungsstudien geschlossen wird: „Der frühe Einsatz von Statinen in der Be- handlung des akuten Koronarsyndroms ist von klinischem Vorteil.“ Aus den Er- gebnissen derartiger Studien lassen sich allenfalls Hypothesen generieren, nach denen dann prospektive, kontrollierte, randomisierte, verblindete Studien initi- iert werden. Allein die Gruppengrößen der zitierten Studien (siehe Tabelle 1 bei Nordt und Borchard) sind so unter- schiedlich, dass sich – neben allen ande- ren Schwächen solcher Studien – thera- pierelevante Aussagen verbieten.

In der Zwischenzeit wurde die von Nordt und Borchard in Tabelle 3 erwähn- te PROVE-IT-Studie publiziert, die nun wohl Klarheit schaffen sollte.

In PROVE IT – TIMI 22 (Pravastatin or Atorvastatin Evaluation and Infection Therapy – Thrombolysis in Myocardial Infarction 22) (1) wurden 4 162 Patienten (58 ± 11 Jahre, 78 Prozent Männer) ein- bezogen, die innerhalb der letzten zehn Tage wegen eines akuten koronaren Syn- droms (Herzinfarkt mit oder ohne ST- Anhebung oder instabile Angina pecto- ris) stationär aufgenommen wurden. Die Patienten wurden randomisiert zugeord- net: Pravastatin 40 mg (Standardthera- pie) versus Atorvastatin 80 mg (Intensiv- therapie). Die Behandlungsdauer betrug 18 bis 36 Monate (im Mittel 24 Monate).

Der primäre kombinierte Endpunkt wurde definiert als Tod, Herzinfarkt, in- stabile Angina pectoris, Revaskularisa- tion oder Schlaganfall. Die Studie war ursprünglich angelegt, um die „Nicht- unterlegenheit“ von Pravastatin (Stan- dardtherapie) zu demonstrieren. Dieses Ziel wurde allerdings nicht erreicht, da der primäre Endpunkt unter Pravastatin bei 26,3 Prozent und unter Atorvastatin bei 22,4 Prozent der Patienten auftrat.

Das entspricht einer Ereignisreduktion durch Atorvastatin von 3,9 Prozent und einem NNT-Wert von 26. Die Autoren bevorzugen allerdings den Wert der rela- tiven Risikoreduktion von 16 Prozent.

zu dem Beitrag

Akutes Koronarsyndrom

von

Priv.-Doz. Dr. med.

Thomas K. Nordt

Prof. Dr. med. Dr. rer. nat.

Ulrich Borchard in Heft 24/2004

DISKUSSION

(2)

Wenn man den kombinierten Endpunkt in seine Einzelkomponenten zerlegt, dann kann von einem Vorteil von Ator- vastatin nicht mehr gesprochen werden:

Tod (NNT = 100), Herzinfarkt (NNT = 125), instabile Angina pectoris (NNT = 77), Revaskularisation (NNT = 40), Schlaganfall (NNT = ∞).

Darüber hinaus war die Studie a priori ungeeignet, den Wert einer Stan- dardtherapie gegenüber einer Intensiv- therapie zu beurteilen, da die Autoren (1) zwei Aspekte vermengt haben. So wurden verschiedene Substanzen getes- tet (Pravastatin versus Atorvastatin) und unterschiedliche Dosen (40 mg versus 80 mg) eingesetzt.

Deshalb trägt also auch PROVE IT nicht zur Klärung der von Nordt und Borchard angeschnittenen Thematik bei.

Man muss weiter abwarten. Aus der ge- genwärtigen Datenlage lässt sich eine frühzeitige Therapie mit Statinen beim akuten Koronarsyndrom jedenfalls nicht ableiten. Noch ein letzter Aspekt: Lei- der bevorzugen Nordt und Borchard in ihrem gesamten Text zur Bewertung der Effizienz einer Therapie die Angabe der relativen Risikoreduktion (RRR), eine Zahl, die ohne Kontextinformationen völlig wertlos ist – in den meisten Fällen aber umsatzsteigernd hoch – und deshalb bei den Vertretern der Industrie so be- liebt. Sie schreiben beispielsweise: „In den großen Interventionsstudien mit Sta- tinen in den 90er-Jahren konnte eine Ver- ringerung der Gesamtmortalität unter li- pidsenkender Therapie um bis zu 30 Pro- zent nachgewiesen werden.“ Dieser Satz ist in mehrfacher Hinsicht kritikwürdig.

Zunächst wird verschwiegen, dass es sich bei den 30 Prozent um einen RRR-Wert handelt. Die Ereignisreduktion betrug in der 4S-Studie 3,3 Prozent (NNT = 30 über 5,5 Jahre), in der CARE-Studie 0,8 Prozent (NNT = 125 über 5 Jahre) und in der LIPID-Studie 3,1 Prozent (NNT = 32 über 6,1 Jahre) und so weiter. Schließlich haben diese minimalen Effekte (3,3, 0,8 beziehungsweise 3,1 Prozent Senkung der Mortalität innerhalb von 5 bis 6 Jah- ren) mit der lipidsenkenden Wirkung praktisch nichts zu tun. Spätestens seit der HPS (Heart Protection Study) sollte das zum pharmakologischen und klini- schen Basiswissen gehören. Man weiß, dass Statine noch andere („pleiotrope“) Effekte haben.

Literatur

1. Cannon CP, Braunwald E, McCabe CH et al.: Intensive versus moderate lipid lowering with statins after acute coronary syndroms. N Engl J Med 2004; 350: 1495–1504.

2. Schwartz GG; Olsson AG, Ezekowitz MD et al.: Effects of atorvastatin on early recurrent ischemic events in acute coronary syndromes. The MIRACL study: a randomized controlled trial. JAMA 2001; 285: 1711–1718.

MR Prof. em. Dr. med. Frank P. Meyer Magdeburger Straße 29, 39167 Groß Rodensleben

Irreführender Vergleich

Nordt und Borchard schreiben insbeson- dere über die frühzeitige Therapie mit Statinen. Es ergibt keinen Sinn, warum mitten im Artikel die SYMPHONY-Stu- die zitiert wird. Sie untersuchte die Gabe von Sibrafiban (in Deutschland nicht zu- gelassen) versus Acetylsalicylsäure bei akutem Koronarsyndrom. Sibrafiban ist ein oraler GPIIb/IIIa-Antagonist und hat nichts mit einer Statintherapie zu tun.

Ich denke die Autoren haben die Studie sicher mit einer anderen verwechselt.

Dass dies im Review nicht bemerkt wur- de, wundert mich jedoch sehr.

Dr. med. Holger Auerbach GPR-Klinikum Rüsselsheim

August-Bebel-Straße 59, 56428 Rüsselsheim

Schlusswort

Aus den Ergebnissen der MIRACL-Stu- die hat Prof.Meyer eine „number needed to treat“ (NNT) von 38 berechnet und daraus geschlossen, dass der therapeuti- sche Effekt der Statinbehandlung „prak- tisch gegen Null“ geht. Zur Erwiderung verweisen wir auf die unbestritten be- deutsame 4S-Studie mit einem NNT- Wert von 25. In dieser Studie mussten 25 Patienten 65 Monate lang mit einem Sta- tin behandelt werden, um einen Todesfall zu vermeiden. Nach einer aktuellen Me- taanalyse müssen beim akuten Myo- kardinfarkt 26 Patienten einen Monat lang mit ASS behandelt werden, um ein vaskuläres Ereignis zu verhindern. In der MIRACL-Studie mussten 38 Patienten vier Monate lang mit einem Statin be- handelt werden, um ein kardiales Ereig- nis abzuwenden. Im Allgemeinen wer- den heute NNT-Werte von < 100 als ak- zeptabel eingestuft. Somit ist die Unter- stellung des fehlenden therapeutischen Effekts aufgrund des NNT-Werts in der

MIRACL-Studie nicht nachvollziehbar.

Aus den Ergebnissen der PROVE-IT- Studie kann sehr wohl abgeleitet werden, dass eine intensive Senkung des LDL- Cholesterins mit einem Statin mehr kar- diovaskuläre Ereignisse vermeidet als ei- ne Senkung, die sich an den derzeit noch gültigen Zielwerten orientiert. Das Be- sondere der PROVE-IT-Studie ist, dass ausschließlich Patienten in der Subakut- phase eines akuten koronaren Syndroms eingeschlossen wurden. Dadurch unter- mauert die Studie erheblich die Bedeu- tung von Statinen beim akuten korona- ren Syndrom. Im Übrigen ist die von Prof. Meyer vorgenommene Zerlegung des primären Endpunkts in seine Einzel- komponenten aus statistischer Sicht nicht geeignet, um daraus die Wirkungs- losigkeit einer intensiveren Senkung des LDL-Cholesterins im Vergleich zu einer mäßigen Senkung zu belegen.Warum die Ereignisreduktion der 4S-Studie von Prof. Meyer als „minimal“ bezeichnet wurde und „mit der lipidsenkenden Wir- kung praktisch nichts zu tun“ haben soll, bleibt uns unverständlich. Es ist stattdes- sen festzuhalten, dass die 4S-Studie ne- ben anderen Studien entschieden zu den derzeit gültigen Leitlinien zur Behand- lung der Hypercholesterinämie in der Se- kundärprophylaxe kardiovaskulärer Er- krankungen beigetragen hat. Dr. Auer- bach bemängelt die Berücksichtigung der SYMPHONY-Studie. In dieser Stu- die wurde tatsächlich die Effektivität ei- nes oralen GpIIb/IIIa-Antagonisten ge- testet. Wie beschrieben, wurde dabei aber im Rahmen der Studie auch die Ein- nahme von Statinen und das Auftreten kardiovaskulärer Endpunkte analysiert.

So hat auch diese Studie wichtige In- formationen zum Thema Statinbehand- lung bei akuten koronaren Syndromen beigetragen. Schließlich ist das Resümee

„Der frühe Einsatz von Statinen in der Behandlung des akuten Koronarsyn- droms ist von klinischem Vorteil“ nicht, wie von Prof. Meyer unterstellt, die Schlussfolgerung aus Beobachtungsstu- dien, sondern das Fazit aus der Gesamt- heit der bisher vorliegenden Beobach- tungs- und vor allem randomisierten Stu- dien.

Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Nordt Klinik für Herz- und Gefäßkrankheiten Klinikum Stuttgart – Katharinenhospital Kriegsbergstraße 60, 70174 Stuttgart M E D I Z I N

A

A520 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 8⏐⏐25. Februar 2005

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Gegenüber diesen Bereichen, für die auch noch freiwillige Helfer im Alter zwischen 40 und 60 Jahren gesucht werden, erwartet er für den Rettungsdienst in den nächsten Jahren

Die Häufigkeit postoperativer thromboembolischer Kompli- kationen kann, so Encke, durch das niedermolekulare Heparin Fraxiparin® gegen- über unfraktioniertem Hepa- rin noch weiter

Aus den Ergebnissen der PROVE-IT- Studie kann sehr wohl abgeleitet werden, dass eine intensive Senkung des LDL- Cholesterins mit einem Statin mehr kar- diovaskuläre Ereignisse

August 2002 für das Lehrpersonal im Gastgewerbe eine vom Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) erteilte Globalbewilligung für Sonntagsarbeit.. Vor dieser Regelung war das

September 2009) freiwillige Fortbildungszerti- fikate von der BLÄK für alle in Bayern tätigen Ärztinnen und Ärzte ausgestellt.. Viele Ärz- tinnen und Ärzte hatten hierbei

Weiterhin gilt, dass außer dem Beta- blocker, der in allen durchgeführten Studien einen sehr guten Schutz vor dem rhythmogenen Herztod erbracht hat, eine medikamentöse

Extrapyramidale Störungen (insbeson- dere bei älteren Patienten, bei hoh. Dos.) (in Ausnahmefäl- len). Wechselw: Vasodilatanzien: Wirkung der Vasodilatanzien ver-

Nach einer Interpretation von Antonius Weber, Haupt- geschäftsführer des Deut- schen Bäderverbandes, ist mitentscheidend für diese Entwicklung eine strukturelle Veränderung