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Archiv "Humaninsulin oder Rinderinsulin?" (28.01.1987)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

S

eit 1981 steht für die Be- handlung von Diabetikern Humaninsulin zur Verfü- gung, das auf zwei ver- schiedenen Wegen ge- wonnen wird. Biosynthetisches Hu- maninsulin wird gentechnologisch durch Escherichia coli produziert, semisynthetisches Humaninsulin wird durch Austausch einer Amino- säure aus Schweineinsulin herge- stellt.

Ausgedehnte klinisch-experi- mentelle Untersuchungen haben ge- zeigt, daß Humaninsulin gegenüber hochgereinigtem Schweineinsulin nur geringe immunologische Vortei- le aufweist, daß eine bessere Ein- stellbarkeit mit Humaninsulin aber nicht gegeben ist. Die Deutsche Dia- betes-Gesellschaft hat deshalb 1983 eine Stellungnahme zur Verwen- dung von Humaninsulin abgegeben (Diabetologie-Informationen 1983, Heft 3), in der gesagt wird, daß eine Umstellung auf Humaninsulin dann gerechtfertigt ist, wenn immunolo- gisch bedingte Nebenwirkungen bei Behandlung mit tierischen Insulinen bestehen, daß aber bei Diabetikern, die mit tierischen Insulinen gut ein- gestellt sind, keine Indikation zur Umstellung auf Humaninsulin vor- liegt.

Auf der anderen Seite ist es na- türlich, dem Diabetiker, dem menschliches Insulin fehlt, dieses mit Humaninsulin zu ersetzen. Des- wegen hat Humaninsulin bei Erst- einstellungen Priorität.

Nachdem anfangs eine gewisse Unsicherheit bei der Verwendung von Humaninsulin bestand, ist 1986 geradezu eine hektische Umstel- lungswelle von tierischen Insulinen auf Humaninsulin zu beobachten.

Dazu hat unter anderem beigetra- gen, daß Befürchtungen geäußert werden, es gäbe bald kein Rinderin- sulin oder Schweineinsulin mehr.

Diese Befürchtungen sind auch da- durch genährt worden, daß die phar- mazeutische Industrie in dem Ver- such, ihr Insulinsortiment zu berei- nigen, einige Insulinpräparate vom Markt genommen hat.

Ist nun jeder Diabetiker pro- blemlos von tierischem Insulin auf Humaninsulin umzustellen? Die Antwort heißt: Nein.

Und dies aus drei Gründen:

Einmal haben die Humaninsulinprä- parate meist eine andere Galenik, zum anderen ist die Wirkungsdauer von Humaninsulin im allgemeinen kürzer, vor allem im Vergleich zu Rinderinsulin, und zum dritten scheint bei manchen Patienten die Hypoglykämiesymptomatik unter Humaninsulin anders zu sein.

Die richtige

Insulinsorte wählen!

Die Human-Verzögerungsinsu- line sind heute (mit Ausnahme der Zinkinsuline Monotard HM und Ul- tratard) HM NPH-Insuline, das heißt, sie haben als Verzögerungs- stoff Protamin. Tierische NPH-Insu- line auf dem deutschen Markt sind nur die Schweineinsuline der Firma Nordisk (Insulatard, Mixtard, Ini- tard). Alle anderen Firmen haben in ihren tierischen Insulinen andere Verzögerungsstoffe. So enthalten zum Beispiel das Depot-Insulin CR Hoechst und das Depot-Insulin CS Hoechst Surfen (Aminoquinurid) als Verzögerungsstoff (über Unter- schiede zwischen Surfen und Prot- amin mag sich der geneigte Leser in der entsprechenden Literatur bele- sen). Wer also einen Patienten von Depot-Insulin CR Hoechst oder De- pot-Insulin CS Hoechst auf Depot- H-Insulin Hoechst umstellt, stellt nicht nur von Rinderinsulin bezie- hungsweise Schweineinsulin auf Hu- maninsulin um, sondern auch von Surfeninsulin auf NPH-Insulin (in Mischung mit 25 Prozent Altinsu- lin), das heißt, er wechselt auch das galenische Prinzip, die Insulinsorte.

Daß die Einstellung des Diabetikers dann häufig nicht mehr die gleiche ist, wundert den Fachmann nicht.

Bei der Umstellung die Wirkungsdauer beachten!

Schon die ersten klinisch-experi- mentellen Untersuchungen haben gezeigt, daß Humaninsulin schneller und synonym damit auch kürzer wirkt als tierische Insuline Die kli- nische Erfahrung hat dies in den letzten Jahren vielfältig gezeigt, vor allem, daß Rinderinsulin eine deut- lich längere Wirkung hat als Human- insulin. Dies gilt besonders im Ver- gleich Depot-Insulin CR Hoechst zu Depot-H-Insulin Hoechst, wo noch die unterschiedliche Galenik den Vergleich erschwert.

Wenn der Arzt den hohen Nüchternblutzucker (als Folge der zu kurzen Wirkung des abendlichen Insulins) nicht tolerieren will, hilft er sich durch Aufspaltung der Abend- dosis in Altinsulin zum Abendessen und Verzögerungsinsulin (NPH-In- sulin) vor dem Schlafengehen.

Wenn heute ein Patient von Rinder- insulin auf Humaninsulin umgestellt werden will, muß er nicht selten da- mit rechnen, von zwei auf drei oder gar vier Injektionen übergehen zu müssen.

Das dritte Argument ist die Be- obachtung, daß manche Patienten angeben, unter Humaninsulin ihre Unterzuckerungen nicht mehr mit den gleichen Zeichen zu empfinden wie unter tierischen Insulinen. Der Grund hierfür ist unklar. Diese An- gaben von Patienten haben jedoch schon in manchen Fällen dazu ge- führt, von Humaninsulinen wieder auf tierische Insuline überzugehen.

Die Stellungnahme der Deut- schen

Diabetes-Gesellschaft, daß bei mit tierischen Insulinen gut ein- gestellten Diabetikern keine Indika- tion zur Umstellung auf Humaninsu-

Humaninsulin

oder Rinderinsulin?

Mit einer Stellungnahme der Deutschen Diabetes-Gesellschaft

Dt. Ärztebl. 84, Heft 5, 28. Januar 1987 (39) A-203

(2)

Kurze Stellungnahme des Insulin-Ausschusses der Deut- schen Diabetes-Gesellschaft zur Therapie mit Humanin- sulin-Präparaten unter besonderer Berücksichtigung im- munologischer Phänomene*)

lin besteht, sollte also noch einmal bekräftigt werden. Immunologische Komplikationen bei Behandlung mit tierischen Insulinen stellen sich ja auch nur bei der Erstbehandlung ein. Bei einem langjährig mit Rin- derinsulin eingestellten Patienten braucht man in der Regel immuno- logische Komplikationen nicht mehr zu befürchten.

Eine nicht befriedigende Stoff- wechsellage ist allein kein Grund für eine Umstellung auf Humaninsulin

Ein Versorgungsproblem be- steht auch nicht. Die Insulinherstel- ler haben zugesichert, den deut- schen Insulinmarkt auch weiterhin mit tierischen Insulinen zu beliefern.

Und letztlich hängt es von den Ärz- ten ab, welches Insulin in der Apo- theke abgegeben wird. Solange der Arzt tierische Insuline verordnet,

A

Humaninsulin (biosynthe-

• tisch und semisynthetisch hergestellt) bewirkt nach primärer therapeutischer Verabfolgung bei Diabetikern die Entwicklung von Antikörpern der Klasse IgG und IgE. Die Konzentrationen dieser Antikörper im Serum sind nach den bisherigen Untersuchungen in einem vergleichsweisen Zeitraum wesent- lich niedriger als nach der Gabe von Schweineinsulin-Präparaten oder der Gabe von Rinderinsulin. Klini- sche Bedeutung kommt den Anti- körpern in den bisher gemessenen Konzentrationen nicht zu; es wur- den bisher keine Hinweise für eine Insulin-Neutralisierung gefunden, ebenfalls keine Allergien vom So- forttyp und keine Typ-III-Reaktio- nen (Arthus-Reaktionen). Auch ge- sicherte Typ-IV-Reaktionen (Spät- allergie) wurden bisher nicht beob- achtet, desgleichen keine lipoatro- phischen Hautveränderungen (nach Wissen der Ausschußmitglieder).

Die Entwicklung von Insulinan- tikörpern bei erstmals auf Humanin- sulin eingestellten Diabetikern wird

wird die Industrie auch tierische In- suline zur Verfügung stellen.

Professor Dr. med. Berend Willms Leitender Arzt der

Fachklinik für Diabetes und Stoffwechselkrankheiten Kirchberg 21

3422 Bad Lauterberg im Harz Professor Dr. med.

Helmut R. Henrichs Leitender Arzt des

Diabeteszentrums Quakenbrück Christliches Krankenhaus 4570 Quakenbrück

Dr. med. Ernst von Kriegstein Leitender Arzt der

Diabetes-Klinik Bevensen Lyraweg 1

3118 Bad Bevensen

durch kontinuierliche Überprüfung des Serums einer größeren Patien- tenzahl verfolgt.

Bei einer Sofortallergie gegen Rinder- oder Schweineinsulin kann biosynthetisches oder semisyntheti- sches Insulin gegebenenfalls, ohne allergische Reaktionen hervorzuru- fen, eingesetzt werden. Wegen der häufig vorhandenen Kreuzreaktivi- tät der insulinspezifischen IgE-Anti- körper kann es allerdings unter Um- ständen ebenfalls zu allergischen Er- scheinungen kommen infolge der noch zirkulierenden präformierten Antikörper. Es sollte daher vor dem Einsatz von Humaninsulin bei derar- tigen Patienten stets ein Hauttest durchgeführt werden.

Gesicherte Hinweise für ein- LP • deutige Vorteile von Human- insulin für die Diabeteseinstellung gegenüber den bisherigen Insulin- präparaten sind, abgesehen von de- ren immunologischen Nebenwirkun- gen, bisher nicht erkennbar.

Der Ausschuß schlägt zum ge- genwärtigen Zeitpunkt folgende In-

dikationen für die Anwendung von Humaninsulin vor:

1. Allergische Hautreaktionen einschließlich Lipoatrophie unter der Behandlung mit tierischen Insu- linen.

2. Erhöhter Insulinbedarf infol- ge einer antikörperbedingten Insu- lin-Neutralisierung.

3. Geplante intermittierende Insulinbehandlung bei oral oder diä- tetisch behandelten Typ-Il-Diabeti- kern wegen operativen Eingriffen, Gravidität und schwerwiegenden in- ternistischen Erkrankungen, die den Insulinbedarf temporär steigern.

4. Ersteinstellung besonders jüngerer Typ-I-Diabetiker.

Eine Umstellung auf Humanin- sulin bei guter Stoffwechselführung unter den bisherigen Insulinpräpara- ten ist nicht erforderlich.

C

Folgende Besonderheiten der

• Behandlung mit Humaninsu- lin sind unter Umständen zu beach- ten:

1. Bei der Umstellung von Rin- der- auf Humaninsulin ist mit einem gewissen Rückgang des Insulinbe- darfs zu rechnen, der berücksichtigt werden muß. Bei einer Umstellung von Schweine- auf Humaninsulin sind nach bisheriger Erfahrung kei- ne oder höchstens minimale Dosis- reduktionen erforderlich.

2. Die verschiedenen Humanin- suline werden häufig geringfügig ra- scher resorbiert, so daß die Gefahr einer Vormittags-Hypoglykämie zu beachten ist (zum Beispiel Vorverle- gung der Mittagsmahlzeit oder Ver- stärkung des 2. Frühstückes).

3. Unter Umständen sind die Warnsymptome einer insulinbeding- ten Hypoglykämie geringer ausge- prägt als bei tierischen Insulinen in- erfolge einer milder ablaufenden Gegenregulation. Insbesondere Pa- tienten, die auf Humaninsulin umge- stellt werden, sollten auf die verän- derte Reaktionsweise ihres Organis- mus hingewiesen werden. Es wird empfohlen bei Neueinstellungen diesen Gegebenheiten in der Bera- tung des Diabetikers besonders Rechnung zu tragen. ❑

*) Aus: Diabetologie-Informationen 1983, Heft 3

A-204 (40) Dt. Ärztebl. 84, Heft 5, 28. Januar 1987

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