Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen
Psychotherapie
Bereich. Erhardt hat gegen die Ein- führung einer solchen Gebietsbe- zeichnung im DEUTSCHEN ÄRZTE- BLATT Nr. 18 vom 5. Mai 1977 Stel- lung genommen. In seiner Arbeit zur Bilanz der Psychiatrie-Enquete führt er zur Postulierung einer psychothe- rapeutisch/psychosor ',.tischen Ver- sorgung wörtlich aus: „Historisch gesehen, handelt es sich um eine typisch deutsche Variante verfehlter
‚Vergangenheitsbewältigung'. Vor allem geht es hier aber um aktuelle und handfeste Interessen, um Posi- tionen und Prestige, nicht zuletzt um Geld, um den kassenärztlichen Ver- rechnungsmodus. Ein Informations- defizit hinsichtlich internationaler Entwicklung und Tendenzen — mehr noch ein günstiges politisches Klima
— ermöglichten und erleichterten diese Mißgeburt." Zum Facharzt für psychoanalytische Medizin iührt Er- hardt aus: „Dafür fordert der Enque- te-Bericht eine eigene Gebietsbe- zeichnung für Psychoanalyse in un- serer Weiterbildungsordnung als ein zusätzliches Novum auf dem inter- nationalen Feld der Psychiatrie."
Man wird betonen müssen, daß bei aller Verwandtschaft von Psycho- therapie und Psychiatrie hier eine Gleichsetzung unangebracht ist. Es stimmt auch nicht, daß es weithin herrschende Meinung sei, daß die Psychotherapie in der Vielfalt ihrer Methoden zum regulären Bestand- teil der therapeutischen Fertigkeiten des Psychiaters gehört. Man muß sich natürlich fragen, warum die psychotherapeutischen Gesell- schaften und der Berufsverband nie- dergelassener Nervenärzte in den Fragen der Weiterbildung sich einig sind, aber einige psychiatrische Hochschullehrer anderer Auffas- sung sind. Die Vermutung liegt na- he, daß es hier an den Universitäten um handfeste Zuordnungsprobleme und Stellenfragen geht, wobei die psychotherapeutische Versorgung für diese Kliniker von untergeordne- ter Bedeutung sein mag. Diese aber erfordert für die Zukunft eine diffe- renzierte Möglichkeit, wie sie von mir im einzelnen beschrieben wur- de. Entsprechend ist es auch ver- ständlich, daß die Enquete die Auf- fassung einer Notwendigkeit einer
Gebietsbezeichnung im Junktim mit der Belassung einer Zusatzbezeich- nung vertritt, eine Auffassung, die ebenso von den psychotherapeuti- schen Gesellschaften gemeinsam in der Bundesrepublik getragen wird.
Zusammenfassung
Ich fasse kurz zusammen: Die Rolle der Psychotherapie in der medizini- schen Versorgung wird sich aus ärztlicher Sicht ändern. Dies bedingt die verbesserte Ausbildung der Me- dizinstudenten sowie das Interesse der jüngeren Ärztegeneration an den praktikablen Fortschritten der Psychotherapie. Eine geordnete Weiterbildung wird es mit sich brin- gen, daß die verschiedensten Arzt- gruppen der ersten Linie über ver- besserte Psychotherapiekenntnisse verfügen. Die Zusatzbezeichnung Psychotherapie werden mehr Ärzte als bisher anstreben, und der Psych- iater wird sich mehr und mehr der Psychotherapie gegenüber aufge- schlossen zeigen. Der Facharzt, das heißt der Arzt mit einer Gebietsbe- zeichnung „Psychoanalytische Me- dizin", wird dafür sorgen, daß dieses Gebiet zunehmend an den Hoch- schulen entsprechend der Approba- tionsordnung gelehrt wird und Ein- gang findet in die Versorgung. Die zukünftige Rolle der Psychotherapie in der medizinischen Versorgung muß umfassender sein, als es die derzeitige Bestandsaufnahme in der Psychiatrie-Enquete ergibt.
(Nach einem Vortrag, gekürzt, am 21. Mai 1977 beim Psychotherapie- Kongreß in Bremen)
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Werner Stucke Arzt für Nerven- und Geistes- krankheiten, Psychotherapie Chefarzt der Nervenklinik der Landeshauptstadt Hannover Walsroder Straße 121
3012 Langenhagen/Hannover
BRIEFE AN DIE REDAKTION
UNFALLWARNUNG
Zu einem Leserbrief in Heft 29/1977:
Positiver Hinweis
Vor etwa 20 Jahren habe ich ... vor- geschlagen ein Schild zu entwerfen, etwa: „Arzt gesucht". Das Schild hätte nach Eintreffen eines Arztes entfernt werden können. Vereinzelt ist ein solches zu sehen. Ich halte eine positive Bezeichnung für richti- ger, und zwar aus einem ganz einfa- chen Grund: Jedes Schild bean- sprucht bekannterweise die Auf- merksamkeit des nachfolgenden Autofahrers. Jede Ablenkung im flie- ßenden Verkehr ist aber wegen eventueller verheerender Folgen zu vermeiden ...
Dr. phil. Dr. med. Karl-Peter Bayer Bodenschneidstraße 13
8180 Tegernsee-Süd
IN REIMEN
Wieder einmal ein Brief, in dem ein Arzt seine Meinung in Verse gekleidet hat.
Dosis
Allein die Dosis macht's / ob Arz- nei ... ob Gift / ob's heilet, oder tödlich trifft. / Doch vor der Dosis steht das Wissen / um Macht und Einsicht einer Droge /ob sie entfaltet ihre Gunst / und heilt, geleitet von der Kunst, / ob hinsiecht dieser ar- me Leib, / weil sie zum Gift die Dosis treibt. / Das Wissen und das Wägen / schenkt Schaden oder Segen. / Was durch Vergleich erfahren / in viel erprobten Jahren, / an man- chem Tag man bang sich fragt / in mancher Nacht, die bang durch- wacht? / Und dann kommt so ein Stümper / schwätzt von dem Geld- geklimper. / Sei's nur des Lohnes wegen, / daß die Arznei bringt Se- gen / dann ist das Leiden dieser Welt, / auf einen schwachen Fuß ge- stellt, / wer das als letzte Meinung fand / für Medizin . . . ist Ignorant!
Dr. med. Joachim Brandtner Andreasstraße 6
6520 Worms
134 Heft 3 vom 19. Januar 1978