A 596 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 14|
4. April 2014 in den ersten 6 Wochen p.p. deutlichhöher als in den entsprechenden 6 Wochen ein Jahr später (Odds-Ra- tio [OR] 10,8). In den Wochen 7 bis 12 p.p. war das Risiko ebenfalls sig- nifikant höher als im Vergleichszeit- raum ein Jahr danach (OR 2,2), spä- ter aber gab es kein signifikant er- höhtes Thromboserisiko mehr.
Fazit: Die retrospektive Analyse ei- ner großen Studienpopulation aus
den USA ergab, dass das Thrombo- serisiko bei Frauen bis zu zwölf Wochen nach einer Geburt erhöht sein kann. Ab einem Zeitraum von 6 Wochen nach der Geburt ist die Erhöhung des absoluten Risikos mit einer Differenz von 3 Ereignis- sen/100 000 Geburten aber gering.
Dr. rer. nat. Susanne Heinzl
Kamel H, et al.: Risk of a thrombotic event after the 6-week postpartum period. NEJM 2014; DOI: 10.1056/NEJMoa1311485
Aus früheren Studien ist eine Asso- ziation zwischen einem vor einer Schwangerschaft bestehenden Dia- betes und einem erhöhten Risiko für Fehlgeburten oder den frühen Tod eines lebend geborenen Kindes bekannt. Nun ist in einer britischen Registeranalyse untersucht worden, ob ein solcher Zusammenhang auch existiert, wenn kongenitale Fehlbil- dungen ausgeschlossen werden. Für die Jahre 1996 bis 2008 wurden alle 1 548 Geburten von Einzelkindern von Frauen mit präpartal bestehen- dem Diabetes (78 % Typ 1, 22 % Typ 2) und einer Gestationszeit von mindestens 20 Wochen analysiert (Schwangerschaftszeit median 37 Wochen).
Die mittleren Blutglukosekon- zentrationen der Frauen (HbA1c) la-
gen bei median 62 mmol/mol (7,8 %) perikonzeptionell (präkon- zeptionell und im 1. Trimester) und 50 mmol/mol (6,7 %) im dritten Trimester der Schwangerschaft. Es kam zu 5 späten Fehlgeburten, defi- niert als spontaner Verlust des Kin- des nach mindestens 28 Schwan- gerschaftswochen (SSW), und zu 41 Totgeburten (Geburt eines Kin- des ohne Vitalzeichen nach > 20, <
28 SSW). 1 502 Kinder kamen le- bend zur Welt. 6 Neugeborene star- ben binnen 28 Tagen (neonatal) und 4 Kinder im weiteren Verlauf bis zum ersten Lebensjahr (postneona- tal). Die Raten wurden mit denen von Frauen mit vergleichbaren Pa- rametern, aber ohne Diabetes aus dem britischen Register zu perina- talen Todesfällen verglichen.
Die Prävalenz von fetalen Todes- fällen (späte Fehlgeburten und Tot- geburten) lag bei Diabetikerinnen um den Faktor 4,56 (95-%-Kon - fidenzintervall [KI] 3,42–6,07;
p < 0,0001) über der von Frauen oh- ne Diabetes und für neonatale und postneonatale Todesfälle um den Faktor 1,86 (95-%-KI 1,00–3,46;
p = 0,046). Für Frauen ohne präpar- tale Folsäuresubstitution waren die Risiken um den Faktor 2,52 erhöht (95-%-KI 1,12–5,65; p = 0,03).
Pro 1 mmol/mol Erhöhung der HbA1c-Konzentration oberhalb von 49 mmol/mol (6,6 %) zum Beispiel ergab sich eine relative Risikoerhö- hung für den Tod eines Fetus oder den eines bei Geburt lebenden Kin- des um 2 bzw. 3 %. Bei einem
HbA1c von 60 mmol/mol (7,6 %) starben 25 Feten bei 1 000 Gebur- ten, bei einem HbA1c von 75 waren es 35/1 000. Zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes gab es keine signi- fikanten Unterschiede.
Fazit: Ein vor Beginn der Schwan- gerschaft bestehender Diabetes und fehlende Folsäuresubstitution erhö- hen das Risiko für den Tod eines Fetus oder eines lebend geborenen Kindes unabhängig von kongenita- len Fehlbildungen. Es besteht eine lineare Korrelation mit mittleren Blutglukosekonzentrationen ohne festen Schwellenwert. Die Autoren vermuten suboptimale Blutglukose- konzentrationen als wesentlichen, wenn auch nicht einzigen Risiko- faktor. „Die Studie bestätigt, wie wichtig eine normnahe Stoffwech- seleinstellung bei Konzeption für den gesamten Verlauf der Schwan- gerschaft ist“, kommentiert Prof.
Dr. med. Ute Schäfer-Graf von Ber- liner Diabeteszentrum für Schwan- gere am St.-Joseph-Krankenhaus.
„Viele bisherige Untersuchungen fokussieren auf die erhöhte Fehlbil- dungsrate mit steigendem HbA1c, da ein hyperglykämisches intraueri- nes Milieu während der Organoge- nese eine „embryopathische“ Wir- kung haben kann. Der intrauterine Fruchttod wurde bisher eher mit un- zureichender Einstellung im dritten Trimenon in Verbindung gebracht.
Diese Studie liefert wertvolle Daten für die präkonzeptionelle Beratung von Diabetikerinnen mit Kinder- wunsch, die leider noch immer viel zu häufig unvorbereitet, also mit hohem HbA1c, schwanger werden.
Es liegt in der Verantwortung der behandelnden Diabetologen, das Bewusstsein der Frauen dafür zu wecken, dass sie mit einer Stoff- wechseloptimierung vor Verwirkli- chung des Kinderwunsches bessere Chancen auf eine komplikationslo- se Schwangerschaft und ein gesun- des Kind haben. Das gilt für Typ-1- und Typ-2-Diabetikerinnen.“
Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze
Tennant PW, Glinianaia SV, Bilous RW, et al.:
Pre-existing diabetes, maternal glycated hae- moglobin, and the risks of fetal and infant death: a population-based study. Diabetologia 2013; doi 10.1007/s00125–013–3108–5 DIABETES UND SCHWANGERSCHAFT
Risiko für Tod des Kindes korreliert mit Blutglukose
GRAFIK
Risiko für Tod des lebend geborenen Kindes (orange), für späte Fehlgeburt (grün), Totgeburten (blau) und fetalen Tod (rot) in Abhängigkeit von den Blutglukosewerten der Mutter
Risiko für Ereignis pro 1 000 Entbindungen
Perikonzeptionelle HbA1c-Konzentrationen (mmol/mol)
modifiziert nach: Diabetologia 2013;doi10.1007/s00125–013–3108–5