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Archiv "Sterbehilfe: Heikle Forderungen" (10.01.2005)

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ie Pressestelle des Europarats in Straßburg hatte den Auftakt der Debatte über einen Berichtsent- wurf zur Sterbehilfe vorsorglich gar nicht erst auf die Tagesordnung gesetzt. „Wir wollten die öffentliche Diskussion über dieses hochsensible Thema nicht erneut anheizen“, so eine Sprecherin. Gewiss, noch ist offen, ob sich die 46 Mitglied- staaten des Europarats mehrheitlich dafür aussprechen werden, die aktive Sterbehilfe unter bestimmten Bedingun- gen straffrei zu stellen. Zunächst einmal hatte sich Mitte November nur der Sozial- ausschuss der Parlamentarischen Ver- sammlung in Paris mit dem aus der Feder des Schweizer Liberalen Dick Marty stammenden Papier auseinander gesetzt.

Gesetzentwürfe oder entsprechende Anträge

Der allerdings zeigt sich in dieser Frage nach wie vor recht offen, obwohl sich der Europarat im April dieses Jahres gewei- gert hatte, über seinen ersten Entwurf abzustimmen. Damals gingen dem Ple- num die Forderungen Martys zu weit.

Die Parlamentarier beauftragten daher den Sozialausschuss, eine neue Stellung- nahme vorzubereiten. In seiner über- arbeiteten Fassung ist Marty von seiner grundsätzlichen Position allerdings nur geringfügig abgerückt. So ist beispiels- weise im Titel des Berichts nicht mehr von „Euthanasie“ die Rede, sondern lediglich von der „Unterstützung kran- ker Menschen am Lebensende“. Der Begriff der Euthanasie sei nach wie vor

„allzu stark mit düsteren Untertönen belastet, die finstere Visionen herauf- beschwören“, so die Begründung. Auch setzt Marty in seinem überarbeiteten Bericht einen stärkeren Akzent auf den Ausbau der Palliativmedizin.

Dennoch, so sein Einwand an die Adresse seiner Kritiker, käme die Parla- mentarische Versammlung nicht an der Tatsache vorbei, dass zwei Mitgliedstaa- ten des Europarats – Belgien und die Niederlande – vor zwei Jahren bereits Gesetze beschlossen haben, die die aktive Sterbehilfe unter bestimmten Vorausset- zungen straffrei stellt. In vielen anderen Ländern seien zwischenzeitlich ebenfalls Gesetzentwürfe oder entsprechende An- träge auf den Weg gebracht worden, die eine klare rechtliche Regelung dieser Thematik verlangten.Auch belegten „se- riöse wissenschaftliche Studien, dass in bestimmten Ländern in Krankenhäusern in einem Umfang, der deutlich über früheren Annahmen liegt, heimlich Ster- behilfe geleistet wird“. Marty beruft sich dabei unter anderem auf eine Veröffent- lichung in der Zeitschrift „The Lancet“

vom vergangenen Jahr, wonach zwischen 20 und 50 Prozent der unheilbar Kranken in sechs europäischen Ländern Sterbe- hilfe beanspruchen.

Aufbauend auf diesen Argumenten, spricht sich Marty somit grundsätzlich weiterhin für eine Legalisierung der Tötung auf Verlangen und des ärztlich assistierten Suizids aus, wenngleich er einräumt, dass aufgrund national unter- schiedlicher kultureller, ethischer und religiöser Werte ein gemeinsames Modell für alle Europarats-Staaten nur schwer zu finden sein dürfte. Nach seinen Vorstellungen sollte der Europarat die Regierungen dazu auffordern, klar zu re- geln, ob und unter welchen Bedingungen ein Arzt – oder eine andere Person – ei- nem Patienten, der den Wunsch geäußert hat zu sterben, dabei helfen darf, dessen Leben ein Ende zu setzen, ohne sich einer strafrechtlichen Verfolgung auszu- setzen. In diesem Zusammenhang sei es auch notwendig, so Marty, die Stellung und Rechte der Patienten zu stärken. Da-

zu gehöre unter anderem das Bemühen, bei Patienten, die ihre Wünsche nicht mehr äußern können, ihre vermutlichen Wünsche zu ermitteln.

Zwar dürfe eine Lebensverkürzung nur in Ausnahmefällen und als letztes Mittel in Betracht gezogen werden, wenn

„ein todkranker Patient ohne Hoffnung auf Besserung ständig unerträgliche Schmerzen leidet und aus eigenem freien Willen und nach reiflicher Überlegung wiederholt darum bittet, sterben zu dür- fen“. Heikel sind diese Forderungen aus Sicht der Ärzteschaft aber schon deshalb, weil der Schweizer gleichzeitig dafür plädiert, medizinische Ethikkodizes zu entwickeln, „um zu vermeiden, dass todkranke Patienten übermäßig hart- näckigen Versuchen ausgesetzt sind, sie um jeden Preis am Leben zu erhalten“.

Ärzte könnten dadurch mitunter in arge Entscheidungsnöte geraten.

Striktes „Nein“ zur aktiven Euthanasie

Nach Meinung der Ständigen Vertre- tung der europäischen Ärzte (CPME) in Brüssel ist der Vorschlag Martys daher nicht akzeptabel und aus medizinischer Sicht unethisch. Die CPME fordert die Ärzte dazu auf, aktive Sterbehilfe grundsätzlich zu verweigern, selbst wenn nationale Gesetze diese unter be- stimmten Bedingungen straffrei stellen sollten. Aus denselben Gründen hält auch die deutsche Ärzteschaft bei der Diskussion über eine Entkriminalisie- rung strikt an ihrem „Nein“ fest. „Jeder Mensch hat das Recht auf Leben und auf ein Sterben in Würde – nicht aber das Recht, getötet zu werden“, so der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe. Bis- lang haben sich die Ausschussmitglieder des Europarats noch keine abschließen- de Meinung zu dem Konzept ihres Berichterstatters gebildet, vor allem aus Angst, bei einer Befürwortung Miss- bräuche zu fördern. Bei der Sitzung in Paris zeigte sich vielmehr, dass weiter- hin großer Diskussionsbedarf besteht.

Bis April haben die Abgeordneten noch Zeit. Erst dann will die Parlamenta- rische Versammlung einen erneuten Anlauf nehmen, um über die Stellung- nahme zu beraten. Petra Spielberg P O L I T I K

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A28 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 1–2⏐⏐10. Januar 2005

Sterbehilfe

Heikle Forderungen

Noch ist offen, ob sich die 46 Mitgliedstaaten

des Europarats dafür aussprechen, aktive Sterbehilfe unter

bestimmten Voraussetzungen straffrei zu stellen.

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