DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
ie viele Anfragen bei ji unserem Institut zei- gen, sind in der Frage, ob Einmalkanülen oh- ne vorherige Wiederaufbereitung und Resterilisation wiederverwendet werden können, in den letzten Jah- ren vermehrt Unsicherheiten sowohl bei Patienten als auch bei Ärz- ten und Pflegepersonal aufgetreten.
Häufig werden Nadeln sowohl in Arztpraxen als auch in Krankenhäu- sern bei ein- und demselben Patien- ten ohne vorherige Wiederaufberei- tung und Resterilisation wiederver- wendet. Aus diesem Grunde sollen in der nachfolgenden Arbeit die Er- gebnisse bakterieller Untersuchun- gen an gebrauchten Injektionsnadeln dargestellt werden.
1. Material und Methoden Untersucht wurden insgesamt 133 Nadeln nach einmaliger s.c. In- jektion von ambulanten und statio- nären Patienten.
Die benutzten Nadeln wurden sofort nach der Injektion am Patien- ten in Transportmedium gesteckt, ohne daß das Konnektionsstück der Kanüle mit dem Transportmedium in Kontakt kam. Im Labor wurden die Nadeln unter sterilen Kautelen aus dem Transportmedium heraus- genommen. Um sämtliche Keime zu erfassen, die sowohl „intra-" als auch
„extraluminär" angelagert sein könn- ten,wurden die Proben wie folgt an- gelegt:
Von jeder Nadel wurden even- tuell vorhandene Mikroorganismen mittels 0.85prozentiger NaCl-Lösung isoliert, indem zum einen die Nadel mit 1 ml 0.85prozentiger NaCl-Lö- sung durchgespült, zum anderen das Konnektionsstück von der Nadel
entfernt und die Nadel in 0.85pro- zentiger NaCl-Lösung über 30 Minu- ten geschüttelt wurde. Die Keimiso- late wurden in dieser Arbeit als „ex- tra-" und „intraluminär" bezeichnet.
Die insgesamt 266 „extra-" und „in- traluminären" Keimisolate wurden jeweils im aeroben und anaeroben Medium, Traubenzuckerbouillon und Bouillon nach Tarozzi, über 24 Stunden bei 37°C angereichert. Da- durch sollte die größtmögliche Aus- beute an Bakerien sowie der Nach- weis von erwartbaren Anaerobiern, zum Beispiel aus der Gattung Clo- stridium, erzielt werden.
Nach 24 Stunden, nach drei Ta- gen und nach sieben Tagen wurden die aeroben Medien jeweils auf Blut- agar, Mc-Conkey-Nährboden zum Nachweis von aeroben und fakultativ anaeroben Bakterien und auf Sabou- raud-Agar zum Nachweis von Pilzen ausgestrichen; die anaeroben Bouil- lons nach Tarozzi wurden auf Blut- agar und Zeisslermedien zum Nach- weis von Clostridien und anderen anaeroben Bakterien ausgestrichen.
Die Sabouraudplatten wurden an- schließend über 5 Tage bei 20°C, die übrigen Nährböden über 24 Stunden bei 37°C bebrütet. Bewachsene Me- dien wurden nach den Methoden der medizinischen Mikrobiologie dia- gnostiziert.
2. Ergebnisse
Von den insgesamt 133 unter- suchten Nadeln ließ sich an 28 Pro- zent mikrobielles Wachstum nach- weisen (Tabelle). Davon waren im
„Kanülenlumen" 13.5 Prozent aller Nadeln von Keimen besiedelt; ei- ne „extraluminäre" Keimbesiedlung war in 19.6 Prozent festzustellen. In der Tabelle sind die Probennum-
mern, „extra-" beziehungsweise „in- traluminäres" Keimwachstum, Zeit- raum, nach dem Keimwachstum nachweisbar war, Art des Mediums und nachgewiesener Keim darge- stellt. Bei Auftreten von bakteriel- lem Wachstum nach sieben Tagen ist davon auszugehen, daß ein verzöger- tes Wachstum oder eine nur geringe Kontamination der Probe vorgelegen hat.
Bei rund 95 Prozent der bewach- senen Proben zeigte es sich, daß nur entweder im aeroben oder im anae- roben Medium Keime nachweisbar waren. Nur bei fünf Prozent aller be- wachsenen Proben war sowohl aero- bes als auch anaerobes Medium be- siedelt (siehe Tabelle). In ebenfalls nur fünf Prozent aller bewachsenen Proben war sowohl „extra-" als auch
„intraluminäres" Wachstum nach- weisbar (siehe Tabelle).
3. Diskussion
28 Prozent aller Kanülen wa- ren von Mikroorganismen besiedelt.
Würde man selbst diejenigen Proben davon abziehen, die nur ein verzö- gertes Wachstum beziehungsweise eine geringe Kontamination aufwie- sen, so müßte man immerhin noch von einer Keimbesiedlung von 20 Prozent der Nadeln ausgehen.
In fünf Prozent aller bewachse- nen Medien war Keimwachstum an ein- und derselben Nadel „extra-"
und „intraluminär" nachweisbar.
Ebenfalls in fünf Prozent aller be- wachsenen Proben trat sowohl in der aeroben als auch in der anaeroben Anreicherung Keimwachstum auf.
Da zum überwiegenden Teil „extra-"
und „intraluminär" nachgewiese- ne Keimarten identisch waren und diese Untersuchungsproben sowohl aerobes als auch anaerobes Keim- wachstum aufwiesen, ist davon aus- zugehen, daß diese Nadeln von Kei- men besiedelt waren; eine Rekonta- mination scheint in diesen Fällen ausgeschlossen. Unter diesen Proben fand sich auch eine Nadel mit Be- siedlung von Staphylococcus aureus.
So werden je nach Infektionsort, Ab- wehrlage des Patienten und Virulenz des Infektionsstammes lokal-ober- flächliche oder tiefe beziehungswei-
Wiederverwendung
von nicht resterilisierten Kanülen Karin Kowollik-Löffler
Ulrich Junghannß und Walter Steuer
A-1074 (54) Dt. Ärztebl. 88, Heft 13, 28. März 1991
Tabelle: Ergebnisse der mikrobiellen Untersuchungen Keimart Anzahl Prozent Wachs-
tum 3 d
I E Wachs- tum I und E
in in
aerobem anaerobem Medium Medium
beide Medien bewach sen S. epidermis
Mikrokokken
21 8
35.0 13.3
15 7
11 4
10 4
2 16
4
8 6
3 2
Sporenbildner 16 26.7 10 4 12 3 8 10 2
apathogene
Corynebakterien 2 3.3 1 2 1 1
S. aureus
Pseudomonas
Mucoracaeen
1
2
1
1.7
3.3
1.7
1
2
1
1
1 1
1
1 1
1
2
1
1
Acinetobacter 1 1.7 1 1 1 1 1
Asperillusgruppe* 6 10.0 3 1 5 1 6
medizinisch nicht relevante Umweltpilze
E = „Extraluminär"
I = „Intraluminär"
* = (inklusive Aspergillus niger, humanpathogen)
2 3.3 1 1 1 2
se systemische Erkrankungen ausge- löst. Die verursachten Erkrankungen sind entweder invasiv, wie zum Bei- spiel Furunkel; Karbunkel, Pyoder- mie, Mastitis, Osteomyelitis, Abszes- se und Endokarditis, oder durch To- xin vermittelt. Darunter fallen das Staphylococcal scalded skin Syndro- me sowie das Toxische Schocksyn- drom (1).
An den oben angesprochenen Nadeln wurde eine größere Anzahl an Keimen unterschiedlichster Spe- cies nachgewiesen (Tabelle).
Staphylococcus epidermidis wie auch Mikrokokken und andere koagulasenegative Staphylokokken zählen zur Normalflora des Men- schen. Nur unter besonderen Um- ständen haben diese Keime als Krankheitserreger Bedeutung. So kann zum Beispiel Staphylococcus epidermidis bei Heroinsüchtigen ei- ne Endokarditis, bei immunsuppri- mierten Patienten — hierzu zählen auch Tumorpatienten und Patienten,
die zytostatisch behandelt werden — und bei Neu- und Frühgeborenen, eine Sepsis hervorrufen (1). Als Spo- renbildner konnten ausschließlich apathogene aerobe Sporenbildner nachgewiesen werden. Ein Nachweis von anaeroben Sporenbildnern der Gattung Clostridium war nicht gege- ben. Diese schließt jedoch nicht eine Kontamination der Kanülen mit Clostridien, insbesondere der Gas- brandgruppe, beim Gebrauch aus.
Obwohl die meisten der auf den Nadeln gefundenen Keime nur fa- kultativ pathogen sind, sind sie trotz- dem ein Zeichen der Verunreini- gung der Injektionsnadeln. Da je- doch im Einzelfall, zum Beispiel bei Diabetikern, Atopikern eine Resi- stenzschwäche gegeben ist, muß man davon ausgehen, daß auch fakultativ pathogene Keime zu Infektionen, wie zum Beispiel Spritzenabszessen oder Septikämien führen.
In der Richtlinie für die Erken- nung, Verhütung und Bekämpfung
von Krankenhausinfektionen (2) in der Anlage zu Ziffer 5.1 heißt es ein- deutig: „Instrumente dürfen erst un- mittelbar vor Benutzung aus der bis dahin geschlossenen keimdichten Verpackung entnommen werden.
Nicht gebrauchte Instrumente in ei- ner geöffneten Verpackung dürfen erst nach Wiederverpackung und er- neuter Sterilisation verwendet wer- den. Einmalmaterial darf nicht wie- derverwendet werden."
Ferner steht in den Richtlinien für die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Krankenhausinfek- tionen aus dem Bundesgesundheits- blatt von 1985 ausdrücklich:
„Injektionen und Punktionen sind häufige, routinemäßige Eingrif- fe, bei denen Mängel in der Hygiene leicht möglich sind. Hierdurch kön- nen Keime verschleppt werden und zu Infektionen führen. Im Vorder- grund stehen vor allem lokale Pro- zesse, wie zum Beispiel Spritzenab- szesse, in selteneren Fällen können 88, Heft 13, 28. März 1991 (57) A-1077 Dt. Ärztebl.
FÜR SIE REFERIERT
Behandlung der blutenden Angio- dysplasien mit Ostrogen-Progesteron
auch Thrombophlebitis oder Sepsis auftreten. Deshalb ist einwandfreie Hygiene eine Grundvoraussetzung für die Vornahme von Injektionen und Punktionen."
4. Schlußfolgerung
Wie unsere Untersuchungen ge- zeigt haben, können auch pathogene Mikroorganismen auf Kanülen über- leben. Daher ist nach unserer Mei- nung eine Wiederverwendung von Kanülen ohne vorherige Aufberei- tung und Sterilisation für mehrere Patienten, aber auch für ein und denselben Patienten wegen der mög- lichen mikrobiellen Kontamination und der damit verbundenen Infekti- onsgefahr grundsätzlich abzulehnen.
Literatur
1. Brandis, H., und Pulverer, G.: „Lehrbuch der Medizinischen Mikrobiologie", 6. Auflage, Gustav Fischer Verlag Stuttgart, New York (1988) 280-289
2. Bundesgesundheitsamt Berlin: Richtlinie für die Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Krankenhausinfektionen, Bundesgesetz- blatt 28 (1985) 186-187
3. Male, 0.: „Medizinische Mykologie für die Praxis" Georg Thieme Verlag Stuttgart, New York (1981) 123-128
Anschriften der Verfassen
Dr. med. Karin Kowollik-Löfflei- Medizinische Universitätsklinik Tübingen
Abt. Innere Medizin IV Auf dem Schnarrenberg 7400 Tübingen
Dr. oec. troph. Ulrich Junghannß Regierungs-Biologierat
Medizinisches
Landesuntersuchungsamt Stuttgart Wiederholdstraße 15
7000 Stuttgart 1
Prof. Dr. med. Walter Steuer Leitender
Regierungs-Medizinaldirektor Medizinisches
Landesuntersuchungsamt Stuttgart Wiederholdstraße 15
7000 Stuttgart 1
Bei geriatrischen Patienten sind Angiodysplasien mit bevorzugter Lo- kalisation in Zökum und Aszendens die häufigste Blutungsquelle im Dickdarm. Die Blutung selbst kann sich dabei als massive Haemorrha- gie, aber auch als chronischer Eisen- mangel bemerkbar machen. Wäh- rend bei einer Lokalisation im Kolon häufig eine endoskopische Behand- lung (Laser, Verödung) in Frage kommt, ist der Dünndarm einer sol- chen Therapie nicht zugänglich. Da zudem nicht selten Inoperabilität be- steht, muß auf konservative Maß- nahmen ausgewichen werden.
Die Autoren berichten über zehn Patienten mit Angiodysplasien, die an einem placebokontrollierten Doppelblindversuch teilnahmen und dabei täglich 0,05 mg Ethinylöstradi- ol plus 1 mg Norethisteron über 6 Monate erhielten. Unter der Verum- Therapie kam es zu einem signifi-
Janerich und Mitarbeiter führ- ten an 191 Patienten mit histologisch gesichertem, primärem Lungenkarzi- nom, die niemals geraucht hatten, sowie einer gleichen Anzahl von Per- sonen ohne Lungenkrebs und ohne Raucheranamnese eine kontrollierte Studie durch, um festzustellen, ob Passivrauchen im Haushalt mit Lun- genkrebs assoziiert ist. Mittels stan- dardisierter Interviews wurden die verschiedenen Wohnsitze im Verlauf des Lebens erfragt sowie die Expo- sition gegenüber Zigarettenrauch während dieser Zeit. Die Exposition wurde in sogenannten Raucherjah- ren angegeben, die sich aus der Mul- tiplikation der Lebensjahre an einem Wohnsitz mit der Anzahl der Rau- cher im entsprechenden Haushalt errechneten. Eine Exposition von 25 und mehr Raucherjahren während der Kindheit und Adoleszenz ver- doppelte das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken (Unterschiedsverhält- nis 2.07; 95 Prozent Vertrauensinter- vall 1.16 bis 3.68). Etwa 27 Prozent
kanten Abfall der benötigten Trans- fusionsmengen von 10,9 auf 1,1 Kon- serven. Unter der Östrogen-Proge- steron-Medikation waren Transfu- sionen nur bei zwei von neun Patien- ten erforderlich, während unter der Placebomedikation alle Patienten mit durchschnittlich 10 Konserven transfundiert werden mußten. We- sentliche Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet. Bei schweren und anhaltenden Blutungen aus Angio- dysplasien, die einer operativen The- rapie nicht zugänglich sind, scheint die Ostrogen-Progesteron-Therapie eine effektive Alternative darzustel- len.
van Cutsem, E., P. Rutgeerts, G. Vantrap- pen: Treatment of bleeding gastrointesti- nal vascular malformations with oestrogen- progesterone. Lancet I: 953-955, 1990.
Department of Intemal Medicine, Division of Gastroenterology, University Hospital Gasthuisberg, Herestraat 49, B-3000 Leu- ven.
der Patienten mit Lungenkrebs hat- ten eine solch lange Expositionszeit gegenüber 15 Prozent der Kontroll- patienten. Weniger als 25 Raucher- jahre während Kindheit und Jugend führten zu keinem Risikoanstieg.
Auch das Rauchen des Ehepartners, das im Durchschnitt weniger als ein Drittel der Gesamtexposition aus- machte, führte zu keinem Anstieg des Krebsrisikos.
Ungeachtet der möglichen Ein- flüsse methodologischer Probleme auf die Ergebnisse glauben die Auto- ren, etwa 17 Prozent der Lungenkar- zinome unter den Nichtrauchern auf eine hohe Zigarettenrauch-Expositi- on während der Kindheit und Ju- gend zurückführen zu können. nkl
Janerich, Dwight, T., W. Thompson, L.
Varela et al.: Lung Cancer and Exposure to Tobacco Smoke in the Household. N.
Engl. J. Med. 1990; 323: 632-6.
Dr. D. T. Janerisch, Department of Epide- miology and Public Health, Yale University School of Medicine, 60 College St. (LEPH 105), New Haven, CT 06510.
Lungenkrebs bei Passivrauchen im Haushalt
A-1078 (58) Dt. Ärztebl. 88, Heft 13, 28. März 1991