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Archiv "Ärztliches Handeln und politische Verfolgung in SBZ und DDR Persönliche Erlebnisse (4)" (26.03.1993)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

FORSCHUNGSPROJEKT

Ärztliches Handeln und politische Verfolgung in SBZ und DDR Persönliche Erlebnisse (4)

In Heft 6/1993 wurde der erste Bericht eines Arztes veröffentlicht, der sich an dem For- schungsprojekt unter Leitung von Dr. Maus- Dieter Müller beteiligt hat. Mit der folgenden Schilderung wird die Serie fortgesetzt. In dem

Bericht beschreibt ein Arzt die Entwicklung des anthroposophischen Heil- und Erzie- hungsinstituts Lauenstein für seelenpflegebe- dürftige Kinder insbesondere während der NS-Zeit und der ersten Nachkriegsjahre.

usammen mit zwei Lehrern gründete ich 1924 das Heil- und Erziehungsinstitut Lau- enstein in Jena-Lichtenhain. Das Heim diente dazu, Waisenkinder und andere junge Menschen, die see- lische Probleme hatten, aufzuneh- men und ihnen zu helfen. Die Ein- weisung eines Großteils der Kinder

erfolgte über die Jugendämter. Ich selbst übernahm die ärztliche Lei- tung des Heims. Da das Institut schnell expandierte, mußten wir be- reits 1932 in ein größeres Gebäude nach Altefeld im Kreis Werra umzie- hen. Im Dritten Reich wurde die Entwicklung der Anstalt zeitweise durch Maßnahmen der Gestapo ge- stört. So versuchte sie unter ande- rem, die Kinder zur Euthanasie aus- zusondern. Allerdings trat keiner un- serer Mitarbeiter in die NSDAP ein.

Bald nach Ausbruch des zweiten Weltkrieges wurde jedoch auf Be- strebungen des Heeres hin das Insti- tutsgebäude wieder in ein Gestüt verwandelt. Mit Hilfe der Reichsum- siedlungsgesellschaft verschaffte das Oberkommando des Heeres dem In- stitut Lauenstein ein gleichwertiges Objekt in Seewalde, im Kreis Neu- strelitz/Mecklenburg. Dorthin sie- delte das Heil- und Erziehungsheim im Sommer 1941 um.

Vor allem zwei Umstände er- schwerten das Einleben in Seewalde.

Zum einen befand sich das vorgese- hene Gebäude noch im Wiederauf- bau, da es im Winter 1940/41 durch einen Brand schwer zerstört worden war. Zum anderen mangelte es be- reits in den ersten Kriegsjahren schon an vielem, so daß die 135 Insti- tutsangehörigen von der Seewalde- ner Bevölkerung nur ungern als zu-

sätzliche „Verbraucher" willkommen geheißen wurden. Trotzdem wurde das wiedereingerichtete heilpädago- gische Heim bald auch zu einem Zu- fluchtsort für Menschen, die vor der drohenden Bombengefahr aus den Städten flüchteten.

Am 1. Mai 1945 marschierten die Russen im Gebiet um Seewalde herum ein. Dies hatte zur Folge, daß nun noch mehr Menschen im Institut Unterschlupf suchten, obwohl des- sen Kapazität längst erschöpft war, weshalb auch die Verpflegung so vie- ler Menschen zu einem immer grö- ßeren Problem wurde. Zudem mußte ein Teil des Heimes für einige Zeit in ein Lazarett verwandelt werden.

Hier wurden vor allem Soldaten und Flüchtlinge von jenseits der Oder- Neiße-Grenze behandelt, die von Tieffliegern beschossen und verwun- det worden waren.

Ich blieb weiterhin Leiter des Instituts und arbeitete zudem als Be- zirksarzt. Zu dieser Zeit konstituier- ten sich allmählich auch wieder Be- hörden und politische Parteien.

Dennoch führten diese Entwicklun- gen nur zu einer scheinbaren Nor- malisierung der Lage. Die SED bei-

spielsweise reagierte mit Repressa- lien auf alle politisch Andersdenken- den. Viele Betriebe wurden durch Spitzel zersetzt, und die Enteignun- gen häuften sich. Die Bevölkerung war zudem tief beunruhigt aufgrund der unaufhörlichen Verhöre durch die sowjetische Geheimpolizei (GPU), die häufig Verhaftungen und Verschickungen in den Uran-Berg- bau zur Folge hatten.

Auflösung des Instituts Auch das Institut Lauenstein hatte unter den neuen Machthabern zu leiden. Insbesondere ein Mann hatte es auf das Heim abgesehen. Es handelte sich dabei um einen Leh- rer, der während der Zeit des Natio- nalsozialismus seine Stellung verlo- ren hatte. Inzwischen war er auf- grund seiner Parteizugehörigkeit zum Kultur- und Kreisrat im Amt für Kultur und Volksbildung in Neustre- litz aufgestiegen. Gute Kontakte zum Landrat, zu den Kreisräten in anderen Ämtern sowie zum Landes- ministerium in Schwerin und zum In- nenminister von Mecklenburg-Vor- pommern sicherten und stärkten sei-

Dr. Heinrich Hardt (1896-1981) studierte in Rostock Medizin und wandte sich dann der anthroposophisch orientierten Medizin zu. Er gehörte 1924 zu den Mitbegründern des Instituts Lauenstein. Auch in der SBZ war er von 1945 bis 1949 Leiter des Instituts und zugleich Bezirksarzt. Nach seiner Flucht aus der SBZ im Jahre 1949 arbeitete er bis 1956 auf seinem Spezialgebiet, der anthro- posophischen Medizin. 1950, kurz nach seiner Verstaatlichung, wurde das In- stitut Lauenstein zunächst ein Schülererholungsheim. Später diente es als Aus- bildungsstätte für Lehrer sowie schließlich für die Staatssicherheit. Inzwischen läuft ein Rückübertragungsantrag für das Objekt an den „Verein Lauenstein e.V." Der Bericht von Dr. Hardt wurde dem Antrag auf Flüchtlingsanerken- nung im Lager Uelzen beigefügt und von einem Freund Dr. Hardts, Dr. Wolf- gang Wedepohl, der Redaktion zur Verfügung gestellt.

Dt. Ärztebi. 90, Heft 12, 26. März 1993 (23) A1-851

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nen Einfluß. Diesen nutzte er dazu, eine endlose Kette von Quälereien, Repressalien, Verdächtigungen und Verleumdungen gegen das Institut und seine Angehörigen zu entfes- seln. Oftmals richteten sich seine Maßnahmen dabei gegen die im Heim untergebrachten Kinder. So wurde beispielsweise versucht, das Heim zu beaufsichtigen oder Ein- sicht in die Krankenakten zu neh- men. Außerdem wurde massiv Pro- paganda gegen die im Heim durch- geführte anthroposophisch-medizi- nische Behandlung gemacht.

Schließlich wurde behauptet, der Träger der heilpädagogischen Anstalt, der „Verein Heil- und Er- ziehungs-Institut Lauenstein e.V.", habe nach dem Umbruch keine neue Vereinskonzession beantragt. Ver- geblich berief sich der Verein auf ei- ne Verordnung, nach der das Erneu- ern der Konzession eines nicht natio- nalsozialistisch gebundenen Vereins als überflüssig erachtet wurde.

Flucht al

s

einziger Ausweg

Dies bedeutete also das Ende des Instituts Lauenstein. Am 30.

April 1949 erreichte morgens gegen acht Uhr ein Omnibus Seewalde. In ihm saßen die 18 neuen Mitarbeiter des künftigen „Kinderheimes der Stadt Neustrelitz". Das Institut Lau- enstein wurde mit sofortiger Wir- kung in Volkseigentum überführt und dessen ehemalige Mitarbeiter entlassen. Lediglich den Kindern wurde gestattet, so lange zu bleiben, bis man entweder ihr Eltern benach- richtigt oder sie anderweitig unterge- bracht hätte. Das bedeutete aber, daß das Schicksal vieler Kinder un- gewiß blieb, denn zum Teil hatten sie kein Elternhaus mehr und waren schon seit mehr als einem Jahrzehnt in der Obhut der heilpädagogischen Anstalt gewesen.

Als Bezirksarzt konnte ich nicht ohne weiteres meines Amtes entho- ben werden, so daß ich zunächst die ärztliche Fürsorge für die Kinder be- hielt. Allerdings wurde alles daran gesetzt, auch mich so bald wie mög- lich loszuwerden. Schließlich erhielt das Arbeitsamt auf Bestreben des Kreisrates vom Sozialministerium

den Auftrag, mir einen Einweisungs- bescheid in den russischen Erzberg- bau zuzustellen. Das hätte bedeutet, daß ich als Arzt in einer russischen Poliklinik der Uranbergwerke hätte arbeiten müssen. Zudem wurde mei- ner Familie keine neue Wohnung zu- gewiesen.

Um diesem Schicksal zu entge- hen, entschlossen wir uns zur soforti- gen Flucht. Am 18. Juli 1949 verließ ich mit meiner Familie Seewalde: Bis zur Zechliner Hütte gingen wir zu Fuß. Von dort aus fuhren wir mit ei- nem Ausflugsdainpfer bis Rheins- berg und weiter mit dem Zug bis Oranienburg. Ein etwas unglückli- cher Vorfall kam uns dabei zugute.

Wenige Tage vor unserer Flucht hat- te ich einen Motorradunfall gehabt, bei dem ich mir einige — auch sicht- bare — Verletzungen zugezogen hatte. Aufgrund meiner Verletzun- gen, und da ich mich als Schwerbe- schädigter des ersten Weltkrieges ausweisen konnte, wurde uns von den Volkspolizisten gestattet, ohne umständliche und langwierige Kon- trollen den Übergang in Oranien- burg zu passieren. Mit der S-Bahn fuhren wir auf dem schnellsten Weg zu Freunden nach Berlin-Schlach- tensee in die Freiheit.

Genau einen Monat nach unse- rer Flucht, am 18. August 1949, wur- den wir in der Flüchtlingsdienststelle in Berlin-Charlottenburg registriert.

Danach kümmerten wir uns als er- stes um neue Papiere, wobei uns die amerikanische Gesundheitsbehörde in Berlin-Grunewald wesentlich un- terstützt hat.

Nachdem meine Frau und ich ein Visum für die Schweiz erhalten hatten, fuhren wir für drei Monate zur Erholung zu Freunden in ein heilpädagogisches Heim bei Basel.

Unsere beiden Kinder waren inzwi- schen in einem heilpädagogischen Institut bei früheren Mitarbeitern von mir in Schweden untergekom- men, wo wir sie nach unserem Auf- enthalt in der Schweiz besuchten.

Nach weiteren erholsamen Wochen in Schottland und England kamen meine Frau und ich sowie die Kinder schließlich am 1. Mai 1950 in Bene- feld an, wo wir unsere Tätigkeit als Mitarbeiter der Freien Waldorfschu- le aufnahmen. Dr. med. H. Hardt

Rückgang der

Transplantationen

2 092 Nieren sind nach Angaben des Kuratoriums für Dialyse und Nierentransplantation (KfH) in Neu-Isenburg im Jahr 1992 ver- pflanzt worden. Pro Million Einwoh- ner waren dies 26,1. Davon entfielen auf die fünf neuen Bundesländer 263 Nierentransplantationen, 17,3 pro Million Einwohner. In den alten Bundesländern waren es 1 829, das heißt 28,6 pro Million Einwohner.

Damit ist die Zahl der Nieren- verpflanzungen in der Bundesrepu- blik im vergangenen Jahr erneut zu- rückgegangen. 1990 waren es noch 2 358 Nierentransplantationen; 1991 sank die Zahl bereits auf 2 255.

Ein Rückgang ist ebenfalls bei der Zahl der Herzverpflanzungen zu verzeichnen: von 557 im Jahr 1991 auf 516 im vergangenen Jahr. Auch die Zahl der Transplantationen von Bauchspeicheldrüsen nahm ab: von 45 im Jahr 1991 auf 31. Nur bei den Lebertransplantationen konnte ein Zuwachs verzeichnet werden: von 452 im Jahre 1991 auf 502 im vergan- genen Jahr.

Vielfältige Ursachen

Die Ursachen für diese Entwick- lung sind vielfältig. Noch immer, so das KfH, versäumen es Krankenhäu- ser Patienten, die für eine Organtransplantation in Frage kom- men könnten, an eines der 34 Trans- plantationszentren zu melden. Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung habe die Bereitschaft zur Mitwir- kung an der Organspende verringert.

Besonders in den Krankenhäusern der neuen Länder hätten die Struk- turveränderungen der letzten Jahre zu einer Verunsicherung bei Ärzten und Pflegepersonal geführt.

Auch die zunehmende Verknap- pung des Pflegepersonals habe zu ei- nem Rückgang der Transplantatio- nen beigetragen. Darüber hinaus wurde in der Bevölkerung eine Ver- unsicherung im Umgang mit Fragen der Organspende beobachtet, wozu nicht zuletzt der Fall des „Erlanger Babys" beigetragen habe. WZ A1-852 (24) Dt. Ärztebl. 90, Heft 12, 26. März 1993

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