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Archiv "Ärztliches Handeln und politische Verfolgung in der SBZ und DDR" (01.05.1992)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

THEMEN DER ZEIT

Ärztliches Handeln und politische Verfolgung in der SBZ und DDR Klaus-Dieter Müller

Mit dem 3. Oktober 1990 trat die ehemalige DDR der Bundesrepublik Deutschland bei. Die politische Ver- einigung ging dabei noch recht rei- bungslos vonstatten. Schwieriger ge- staltet sich dieser Prozeß im wirt- schaftlichen und im menschlich-be- ruflichen Bereich. Gerade die Aufar- beitung und auch Neubewertung der DDR-Geschichte — zum Teil auch der bundesdeutschen — stellt uns, Ost- wie auch Westdeutsche, vor nicht geringe Probleme. Unter dem Stichwort „Stasi und kein Ende"

wird gerade diesem Teil der DDR- Geschichte zur Zeit in den Medien besonderes Augenmerk geschenkt.

Dabei geraten auch besondere Be- rufsgruppen der DDR wie zum Bei- spiel Pfarrer und Ärzte in die Schlag- zeilen. Die Presse ist schnell mit ih- ren Urteilen über Verstrickung und moralische Schuld dieser Gruppen zur Hand. Einzelne — sicherlich zu verurteilende — Beispiele werden auf ganze Berufszweige pauschal übertragen, die Staatsnähe oder Willfährigkeit von Einzelpersonen gegenüber dem System denunziert.

Dabei bleibt die historische Wahr- heit oft auf der Strecke.

Die Bundesärztekammer hat sich daher entschlossen, einen Teil der Geschichte des von ihr vertrete- nen Berufsstandes einer historischen Aufarbeitung zu unterziehen, um auf diese Weise zu fundierteren Urteilen zu kommen. Sie fördert ein Projekt des Historischen Seminars der Uni- versität Hannover, das in einem er- sten Schritt Aufklärung über die Ge- schichte der Medizin im sozialisti- schen Teil Deutschlands bringen soll. Dabei stehen jene Ärzte und Studenten im Mittelpunkt, welche sich der Auseinandersetzung um ein von der SED gefordertes und durch- gesetztes sozialistisches Staats- und Gesellschaftsmodell — auch in Form eines sozialistischen Gesundheitswe- sens — gestellt haben und dabei oft hart für die Verteidigung ihrer hu- manistischen und ethischen Vorstel-

lungen über die Rolle des Arztes in der Gesellschaft büßen mußten.

Von 1945 bis zum Zusammen- bruch des SED-Regimes im Herbst

1989 haben sich die Lebens- und Ar- beitsbedingungen in der SBZ bezie- hungsweise ab 1949 der DDR dra- matisch geändert. Die verschiedenen Bevölkerungsschichten und -grup- pen waren davon in unterschiedli- chem Maße betroffen. Annähernd vier Millionen Menschen gingen in den westlichen Teil ihres Vaterlan- des, darunter allein bis 1958 mehr als 5000 Ärzte, über 1000 Angehörige des medizinischen Lehrpersonals und über 30 000 Studenten, davon ein er- heblicher Teil Medizinstudenten.

Nach einer Phase scheinbar de- mokratischer, als antifaschistisch-de- mokratische Blockpolitik bezeichne- ter Nachkriegspolitik, nach dem Scheitern aller Neutralisierungsver-

Bitte unterstützen Sie dieses Forschungsvorhahen!

Das auf diesen Seiten beschrie- bene Projekt wird von der Bundesärz- tekammer sowie der Ludwig-Sie- vers-Stiftung und der Hans-Neuffer- Stiftung gefördert und vom Deut- schen 'Ärzteblatt unterstützt.

Die Bundesärztekammer ver- spricht sich einen ersten wissen- schaftlich fundierten Beitrag zur Klä- rung ärztlicher Schicksale in der frü- heren SBZ und in der DDR. Mit einem Ergebnis ist zum 96. Deutschen Ärz- tetag 1993 in Dresden zu rechnen.

Die bearbeitenden Wissenschaftler haben Erfahrungen mit einem ver- gleichbaren Projekt. Die vorbereiten- den Gespräche lassen eine wissen- schaftlich fundierte, um ein abgewo- genes Urteil bemühte Bearbeitung er- warten.

Leserinnen und Leser, die aus ei- genem Erleben zu dem Forschungs- vorhaben beitragen können, sind herz- lich gebeten, den Fragebogen auf den nächsten Seiten auszufüllen. Alle An- gaben werden selbstverständlich ver- traulich behandelt. DÄ

suche (Volkskongreßbewegung) durch die Sowjetunion richtete sich ab 1949 die Politik der SED immer deutlicher auf eine sozialistische Ge- sellschaftsordnung sowjetischer Prä- gung. 1950 auf dem III. Parteitag noch relativ abgeschwächt, 1952 auf der II. Parteikonferenz aber schon offiziell, wurde eine sozialistische DDR unter hegemonialer Führung der SED propagiert. Tatsächlich be- gann der schleichende Prozeß des Aufbaus einer sozialistischen Ord- nung aber bereits mit dem Eintreffen der KPD-Emigranten aus Moskau im April 1945, was aus taktischen Gründen aber nicht offen prokla- miert wurde. Unter Zuhilfenahme der sowjetischen Besatzungsmacht wurde dieser Prozeß ins Werk ge- setzt, der sich gegen alle Kräfte wandte, die der sozialistischen Ent- wicklung im Wege standen oder zu stehen schienen. Scheinbar wandte man sich zum Beispiel mit den Ent- eignungen während der sogenannten demokratischen Bodenreform gegen

„Großkapitalisten und Junker", in Wahrheit war auch das ein Schlag gegen das (liberale) Bürgertum.

Die Ärzteschaft bildete eine der wichtigsten Gruppen innerhalb die-

ses liberalen Bürgertums. Aufgrund von Traditionen — ein relativ hoher Anteil der Ärzte stammte zum Bei- spiel aus Arztfamilien —, besonde- rer berufsethischer Bindungen und ständischer Organisationsformen, die auch die verhältnismäßig kurze Phase des Nationalsozialismus nicht hatte im Kern tangieren können, bil- dete diese Gruppe innerhalb des Bil- dungsbürgertums eine besonders wi- derstandsfähige und hinsichtlich der politischen und moralischen Werte recht homogene Teilgruppe. Dieser Personenkreis, der samt Familien in- nerhalb der DDR-Bevölkerung im- merhin keinen nur verschwindenden Anteil ausmachte und der im wahr- sten Sinne des Wortes vitale Funk- tionen versah, war bürgerlich-frei- heitlich eingestellt, aufgrund seines Dt. Ärztebl. 89, Heft 18, 1. Mai 1992 (21) A1-1593

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hohen Bildungsstandes und der Er- fahrungen des gerade überstandenen Nationalsozialismus jeder neuen Diktatur gegenüber skeptisch oder gänzlich ablehnend gesonnen und fühlte sich einem humanistisch be- gründeten Ethos verpflichtet (so wurden die Kinder aus Arzt- und Theologenfamilien, welche Gymna- sien besuchten, zu über 50 Prozent gerade auf humanistische Gymna- sien geschickt). Zu diesem Personen- kreis sind die niedergelassenen, in freier Praxis arbeitenden Ärzte ebenso zu rechnen wie die Ärzte in den Krankenhäusern und die akade- mischen Lehrer an den medizini- schen Fakultäten samt dem dort be- schäftigten ärztlichen Personal, und schließlich auch die künftigen Ärzte, die Medizinstudenten.

Die so beschriebene Gruppe war für den zunächst verdeckten und schließlich unverhüllten Weg in den Sozialismus kaum zu begeistern. Mit anderen Teilen des Bildungsbürger- tums hatte man es leichter: Lehrer wurden überwiegend durch Neuleh- rer, Juristen durch „Volksrichter"

ersetzt, die ohne besondere Vorbil- dung (meist auch ohne Abitur) nach kurzer Einführung in „Schnellsiede- kursen" eingesetzt wurden und nach den von der SED gesetzten Normen funktionieren sollten. Mit der Ärzte- schaft konnte wegen deren vitaler Funktionen nicht so verfahren wer- den, hätte man damit doch den tota- len Zusammenbruch des nach dem Kriege ohnehin desolaten Gesund- heitswesens riskiert. Folglich entwik- kelte sich in bezug auf diesen Berufs- stand eine Politik, die zwischen den Extremen „Zuckerbrot" und „Peit- sche" schwankte: einerseits Terror gegen einzelne oppositionelle Perso- nen, andererseits Umwerben durch

— auch materielle — Vergünstigun- gen, um die „alte Intelligenz" für den Aufbau des Sozialismus mit heranzu- ziehen, solange man ihrer noch be- durfte.

Durch die Politik der politisch gesteuerten Zulassung, auch zum Medizinstudium, wurde jedoch fak- tisch bereits mit Wiedereröffnung der Universitäten 1945/46 nicht nur die allgemein ideologisch intendierte

„Brechung des Bildungsprivilegs"

angestrebt, sondern ganz speziell

auch das Aufbrechen des Ärztestan- des. An die Stelle des nur seinem Be- ruf und damit dem Wohl des Patien- ten verpflichteten Arztes sollte das Leitbild des sozialistischen Vertre- ters der DDR treten, der erst in zweiter Linie Arzt war. Neben der Zulassungspolitik mit dem oben er- läuterten Ziel wirkten in gleicher Richtung die Bekämpfung aller libe- ralen Strömungen an den Universitä- ten sowie die Anderungen von Stu- dienordnungen, Prüfungsordnun- gen, der Approbationsordnung, aber auch der Zwangsunterricht in Mar- xismus-Leninismus, der obligatori- sche Russisch- und Sportunterricht im Gefolge der zweiten Hochschul- reform (1951). Parallel dazu wurde das Gesundheitswesen organisato- risch im sozialistischen Sinne geän- dert.

Möglichkeiten und Grenzen ärztlichen Handelns

Die Untersuchung der Ge- schichte von Ärzten und Medizinstu- denten in der SBZ/DDR kann somit nicht losgelöst von allgemein-politi- schen Entwicklungen in der DDR und Bundesrepublik geschehen. Es kann nicht nur um die Aufarbeitung von (politischem) Widerstand gegen eine als letztlich inhuman erkannte Ideologie und Politik gehen, sondern man muß auch die Möglichkeiten und Grenzen ärztlichen Handelns in einem — zumindest in Teilen — als totalitär zu bezeichnenden System reflektieren. Durch den Fragebogen wollen wir versuchen, die Bandbreite ärztlichen Handelns mit besonderer Berücksichtigung von Personen zu dokumentieren, die sich auf die eine oder andere Art den Anforderungen des Systems entgegenstellten und da- für die Konsequenzen ertrugen. Die Skala ist dabei erheblich: berufliche Nachteile, Nachteile für die Kinder, Verweigerung von Auslandsreisen, Stasi-Anwerbungsversuche, Entlas- sungen, Flucht in den Westen, Ver- haftungen, oft langjährige Haftstra- fen und leider auch Todesfälle in der Haft. Soweit wie möglich sollen aber auch die Verstrickungen einzelner in das System erhellt werden, wobei es nicht um eine Denunzierung geht,

sondern um die Strukturen und indi- viduellen Motive, die letztlich zum Schuldigwerden einzelner geführt haben. In manchen Fällen war der einzelne Arzt zugleich Täter und Opfer des Systems.

Diese Bandbreite durch die Darstellung von Einzelschicksalen zu dokumentieren, ist der Zweck dieses Projektes. Wir gehen dabei von eini- gen Hypothesen aus, die wir durch die Beschäftigung mit dem Studium in der SBZ/DDR im Rahmen eines laufenden Forschungsprojektes ge- wonnen haben.

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Erste Ergebnisse dieses Pro- jektes, das sich besonders mit dem

Schicksal von Studenten und Profes- soren in SBZ und DDR in den Jah- ren 1945 bis etwa 1965 befaßt, lassen vermuten, daß die medizinischen Fa- kultäten zumindest in diesem Zeit- raum Horte des geistigen Wider- stands wurden und weitgehend auch blieben. Sie setzten sich so in Gegen- satz zu anderen Fakultäten, beson- ders den neu gegründeten und ganz der Verkündung sozialistischer Weltanschauung gewidmeten. Damit gerieten die medizinischen Fakultä- ten auch schnell in Konfrontation mit der Politik der SED. Der folgen- de politische Kampf erforderte tap- fere Persönlichkeiten, Studenten, Assistenten und Professoren. Viele von ihnen hatten bald für ihre Hal- tung zu büßen.

O Es ist weiterhin zu vermuten, daß zumindest die Generation von Ärzten, die in dieser Zeit ausgebildet wurden, ihren westdeutschen Kolle- gen weder im medizinischen Wissen noch in ethisch-moralischer Hinsicht nachstanden.

O Es ist zu vermuten, daß die massenhafte Abwanderung von Ärz- ten (weit mehr als 5000) aus der DDR bis etwa 1961 durch die dra- konisch praktizierte Politik der Kollektivierung des Gesundheitswe- sens, die zunehmende Unmöglich- keit der freien Berufsausübung und die damit sich verbindende ideelle und materielle Depossedierung des Ärztestandes, aber auch durch die allgemein-politischen Bedingungen des Systems zustande kam.

O Es ist zu vermuten, daß das Fach Medizin und damit der Arztbe- ruf — auch dafür liegen inzwischen A1-1594 (22) Dt. Ärztebl. 89, Heft 18, 1. Mai 1992

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Dr. Klaus-Dieter Müller

Unämr2Kt2 Hararnoww FIMeleches Sen grau

Dr. Waldemar Krönig

Forschungsprojekt: Arztliches Handeln und politische Verfolgung in SBZ/DDR

Dieses Projekt, das mit Unterstützung der Bundesärztekammer durchgeführt wird, dient der Erhebung von Daten und Materi- al zum Komplex „Ärztliches Handeln und politische Verfolgung" von Medizinstudenten, Hochschullehrern und Ärzten in der SBZ/DDR (siehe vorausgehende Erläuterungen zum Projekt). Der knappe Raum dieses Fragebogens bietet für Antworten nur wenig Platz. Wenn Sie auf eine unserer Fragen ausführlicher antworten wollen, so machen Sie bitte entsprechende Anla- gen. Falls Sie noch über Material zu Ihrem Schicksal oder Ihnen bekannten Fällen verfügen, würden wir Sie um Überlassung (Kopi- en) bitten. Um Namen und Anschrift bitten wir Sie, um im Bedarfsfall mit Ihnen in Kontakt treten zu können. Alle Angaben unterliegen selbstverständlich den gesetzlichen Datenschutzbestimmungen.

1. Wann sind Sie geboren (Jahr)?

2. Nur wenn Sie in der SBZ/DDR studiert haben: Wann haben Sie studiert? Bitte zählen Sie auch — falls zutreffend — Vor- kriegs-, Kriegssemester bzw. Kriegstrimester möglichst mit

von bis Hochschule

3. Welches waren die höchsten Bildungsabschlüsse Ihrer Eltern, und welche Tätigkeiten übten sie bei Ihrem Studienbeginn aus?

4. Welche Motive hatten Sie für die Wahl gerade dieses Studienfaches?

5. Wenn Sie besondere Zulassungsschwierigkeiten/Hindernisse zu überwinden hatten, welche waren das?

6. Waren Sie in der SBZ/DDR nach dem Studium tätig als Hochschullehrer (Hochschule, Position, Zeitraum) und/oder nie- dergelassener oder angestellter Arzt (Ort/Betrieb, Position, Zeitraum)?

7. Wie haben Sie die in der SBZ/DDR durchgeführte Hochschul- und Intelligenzpolitik (z. B. Bevorzugung von Arbeiterkin- dern, ABF, ML-Grundlagenstudium, obligatorischer Russischunterricht, Politisierung, Bedrückung des Bürgertums usw.) empfunden?

8. Konnten oder wollten Sie während Ihres Studiums oder Ihrer Berufstätigkeit politischen Widerstand gegen die politische Entwicklung (sozialistische Hochschule, sozialistisches Gesundheitswesen) leisten? Wenn ja, in welcher Weise?

9. Wurden während Ihres Studiums oder Ihrer Berufstätigkeit aus politischen Gründen Disziplinarmaßnahmen (Rüge, Re- legation, Entlassung o. ä.) gegen Sie eingeleitet? nein ❑ ja ❑ Wenn ja, welche, warum?

10. Haben Sie von Disziplinarmaßnahmen gegen Kommilitonen oder Kollegen erfahren?

nein ja Wenn ja, welche und aus welchem Anlaß?

11. Wurden Sie wegen politischer oder anderer Aktivitäten strafrechtlich verfolgt?

nein 111 ja Wenn ja, aus welchem Anlaß?

12. Falls Sie verhaftet und/oder einem „Gerichtsverfahren" unterworfen wurden, schildern Sie bitte die näheren Umstände (Verhaftungsdatum, Urteil, Gerichtsinstanz, angegebenes Delikt, von Ihnen vermuteter Urteilsgrund, Haftort, Entlas- sungsdatum):

13. Haben Sie von ähnlichen Verfahren gegen Kommilitonen oder Kollegen erfahren?

14. Hatten Sie im Studium oder danach Kontakte zu westlichen Organisationen (KGU, Untersuchungsausschuß Freiheitli- cher Juristen, Amt für gesamtdt. Studentenfragen des VDS u. a.)? nein ja ❑ Welcher Art?

15. Ärzte und Medizinstudenten zählten in der DDR zu den Gruppen, die den Forderungen der SED (z. B. sozialistisches Menschenbild) am ehesten und längsten zu widerstehen vermochten. Worin liegen Ihrer Meinung nach die Gründe da- für?

Dt. Arztebl. 89, Heft 18, 1. Mai 1992 (23) A1-1595

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16. Wie haben sich Lehrkörper und Studentenschaft Ihrer Fakultät gegenüber der allgemeinen Politik und Hochschulpolitik (Aufbau des Sozialismus in der DDR, sozialistische Universität) verhalten? Welche Unterschiede gab es zu anderen Fa- kultäten Ihrer Hochschule?

17. Welches fachliche Niveau hatte die Lehre verglichen mit westdeutschen Hochschulen?

besser D gleich gut D schlechter D kann ich nicht beurteilen D

18. Hatten Sie Gelegenheit zu Auslandsreisen (Wissenschaftliche Kongresse, Weiterbildung, Kontakte mit westdeutschen Kollegen)? Wie haben Sie auf die staatliche Tendenz zur Einschränkung solcher Kontakte reagiert?

19. Wie beurteilen Sie die Entwicklung hin zu einem sozialistischen Gesundheitswesen?

20. Auf welchen besonderen Grundlagen beruht Ihr Berufsethos (z. B. christliche, humanistische)?

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21. Waren Sie als Arzt Forderungen (z. B. Interruptio, Schweigepflicht) ausgesetzt, die Sie in Konflikt mit Ihren ärztlichen Berufspflichten brachten? nein D ja D Welchen?

Von wem gingen diese aus (Parteien, Staat, Kollegen)? ................................. . Wie wurden die Forderungen begründet? .................................................... . Wurden Ihnen im Fall der Verweigerung Sanktionen angedroht? D nein D ja. Wenn ja, welche?

22. Kennen Sie Fälle standeswidrigen Verhaltens von Kollegen? ja D nein D

23. Wenn Sie nach dem Studium in der DDR geblieben sind, schildern Sie bitte die Gründe dafür.

24. Welche Haltung haben Sie zum Weggang vieler Kollegen nach Westdeutschland eingenommen?

25. Wenn Sie während oder nach dem Studium die DDR verlassen haben, schildern Sie bitte kurz Umstände und Ihre Gründe.

26. Welche Bereiche/Bestimmungen des DDR-Gesundheitswesens hätten Ihrer Meinung nach erhalten werden können oder müssen?

27. Wären Sie bereit, bei Bedarf noch genauere Auskünfte zu erteilen? ja D nein D 28. Welche berufliche Position haben Sie erreicht?

Zum Schluß nochmals eine Bemerkung zum Datenschutz: Grundsätzlich unterliegen alle Angaben, die Sie in diesem Fragebo- gen bzw. bei der Durchführung des Projekts machen, dem gesetzlichen Datenschutz, d. h. von den Auskünften wird nur derart Gebrauch gemacht, daß auf den Auskunftgebenden kein Rückschluß möglich ist (falls Sie sich nicht für die volle Namensnen- nung entscheiden). Interessant wäre es jedoch, im Einzelfall Alter, Fachrichtung, Berufsposition nennen zu können. Wir ge- hen davon aus, daß Sie damit einverstanden sind.

Bitte kreuzen Sie daher eine der folgenden Weisungen an:

Sie können meine Angaben unter voller Namensnennung verwenden ........ .D Meine Angaben sind ausschließlich anonymisiert zu verwerten ....... .D Sie können mich zitieren als (z. B. "Klinikdirektor, Pathologie, 69") ....... .D

(Datum) (Name) (Anschrift) (Telefon)

~ Bitte zurücksenden an: Deutsches Ärzteblatt, Kennwort DDR-Projekt, Herbert-Lewin-Straße 5, W-5000 Köln 41

Falls Sie Rückfragen haben, wenden Sie sich an die Chefredaktion, z. H. von Herrn Norbert Jachertz (Tel: 02 21/4 00 43 18), die auch für die vertrauliche Weiterleitung der ausgefüllten Fragebögen an die bearbeitenden Historiker garantiert.

Ar1596 (24) Dt. Ärztebl. 89, Heft 18, 1. Mai 1992

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einzelne Belege vor - trotz aller po- litischen Erschwernisse ein Ort "in- nerer Emigration" wurde, daß man sich für den Arztberuf entschied, um dem in vielen anderen Disziplinen noch viel ausgeprägteren politischen Druck am ehesten zu entgehen, und daß so die Ärzteschaft ein Sammel- becken für Menschen wurde, die dem System kritisch gegenüberstan- den und dazu tendierten, an berufs- typischen moralischen Werten fest- zuhalten.

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Dies läßt schließlich die Ver- mutung zu, daß auch die jüngere Ge- neration von Ärzten, die in den 70er und 80er Jahren ihr Studium been- dete, nicht mit den Werten und Tra- ditionen des Ärztestandes gebrochen hat - von Ausnahmen abgesehen.

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Als letztes müßte untersucht werden, inwieweit es zu standeswid- rigem Verhalten in der Ärzteschaft gekommen ist. Hier wäre vor allem das (politische) Handlungsgefüge zu untersuchen, innerhalb dessen Arzte ihrer Tätigkeit nachgegangen sind, aber manchmal in Konfliktlagen staatlichen Forderungen eher ent- sprochen haben als ihrem Ethos. In- wieweit war es möglich, "aus persön- licher Überzeugung Anhänger des Regimes (zu sein) und gleichwohl vorbildliche ärztliche Tätigkeit (zu) verrichten", wie Günter Burkart in einem Artikel "Schuldige Ärzte" des Deutschen Ärzteblattes vom 24. Ja- nuar 1992 schreibt? An Fallbeispie- len könnten die Grenzen und Kon- fliktbereiche deutlich gemacht wer- den.

In der geplanten Untersuchung sollen diese sechs Vermutungen beziehungsweise Arbeitshypothesen überprüft und, soweit möglich, verifi- ziert werden. Das Ergebnis soll somit über folgendes Aufschluß geben:

~ Wo und unter welchen Be- dingungen gab es im Bereich der me- dizinischen Fakultäten Widerstand, was geschah mit den beteiligten Pro- fessoren, Assistenten und Studen- ten?

~ Wie war es um die moralisch- geistige Verfassung der Ärzteschaft insgesamt in den ersten Jahrzehnten unter sowjetischer Besatzungsherr- schaft und später unter der SED- Herrschaft bestellt? Welche Opfer sind als Folge einer ein sozialisti-

sches Gesundheitswesen anstreben- den Politik zu verzeichnen?

~ Welches waren die genauen Gründe der massenhaften Flucht von Ärzten?

~ Inwieweit bot der Arztberuf besondere Chancen, Sammelbecken systemkritischer, integrer Menschen zu sein?

~ Haben sich auch in den J ah- ren nach dem Mauerbau trotz der sich ergebenden Isolation gute tradi- tionelle Werte der Ärztestandes er- halten können? Genauere Kenntnis- se darüber würden sicher der auch geistigen Eingliederung der Ärzte aus den neuen Bundesländern in die gesamtdeutsche Ärzteschaft nützlich sein.

~ Welche Fallbeispiele lassen sich für den Mißbrauch der ärztli- chen Kompetenz finden? Welche Fallbeispiele lassen sich für die Ver- mutung von Burkart (siehe oben) finden?

Bitte Fragebogen benutzen!

Mit Hilfe des auf den vorange- henden Seiten abgedruckten Frage- bogens sollen in einem ersten Teil- schritt Material und Daten im Sinne unserer Hypothesen erhoben wer- den. Wir möchten Sie sehr bitten, wenn Ihnen Ihr Schicksal für das Ziel der Untersuchung als aufschluß- reich erscheint, sich zu beteiligen und über den knappen Platz des Fra- gebogens hinaus Anlagen zu machen und uns relevante Dokumente - vielleicht auch persönliche Erinne- rungen - zur Verfügung zu stellen.

Darüber hinaus würden wir gern ver- tiefende Interviews mit einzelnen Respondenten führen, deren Erfah- rungen uns exemplarisch erscheinen (dies hat sich im oben genannten Forschungsprojekt zum Studium in SBZ/DDR als sehr hilfreich erwie- sen). Selbstverständlich werden alle Angaben streng vertraulich behan- delt und im Falle der Verwendung für die Dokumentation anonymisiert verwendet werden, es sei denn, der Beteiligte wünscht ausdrücklich et- was anderes.

Dr. phil. Klaus-Dieter Müller Historisches Seminar

Universität Hannover

Ausgabenbegrenzung bleibt zentrales

Anliegen der Politik

Auch in den kommenden Jahren wird sich das Hauptaugenmerk der Banner Gesundheitspolitik auf die Begrenzung der Ausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung konzentrieren. Zugleich soll die Lei-

! stungsfähigkeit der medizinischen

·Versorgung erhalten bleiben. Dies sagte Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, in einer Aktuellen Stunde des Deut- schen Bundestages zum Thema:

"Entwicklung der gesetzlichen Kran- kenversicherung drei Jahre nach In- krafttreten des Gesundheits-Re- formgesetzes".

Aller Kritik zum Trotz verteidig-

te Sabine Bergmann-Pohl die Erfol- ge der Blümschen "Gesundheitsre- form". Es sei gelungen, den durch- schnittlichen Beitragssatz, der zwi- schen 1985 und 1988 jährlich um zir- ka 0,4 Prozentpunkte gestiegen sei, auf zunächst 12,9 und dann 12,2 Pro- zent zu senken. Wäre dies nicht er- reicht worden, so stände heute eine Anhebung der Beitragssätze auf ver- mutlich 14 bis 14,5 Prozent in der Diskussion.

Mit Blick auf die jüngste Ausga- benentwicklung verwies die Staatsse- kretärin auf das Sondergutachten des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesund- heitswesen, aus dem hervorginge,

"daß die jüngsten Ausgabensteige- rungen nicht allein auf medizinische und demographische Faktoren zu- rückzuführen sind". Bergmann-Pohl erneuerte in diesem Zusammenhang ihre Kritik an der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen, die nach Auffassung des Bundesgesundheitsministeriums die Bestimmungen des Gesundheits- Reformgesetzes nicht zügig genug umgesetzt habe. Zugleich erteilte sie den Forderungen nach mehr Selbst- beteiligung der Versicherten eine Absage. Dies sei keine Zauberformel zur Lösung der finanziellen Proble- me, sondern vielmehr eine Verlage-

rung der Kosten. JM

Dt. Ärztebl. 89, Heft 18, 1. Mai 1992 (27) A1-1599

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