A864 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 18⏐⏐1. Mai 2009
P O L I T I K
A
n vielen deutschen Univer- sitäten sind überfüllte Hör- säle ein gewohntes Bild. Doch der große Andrang steht den Fakultäten noch bevor. Der Grund: die doppel- ten Abiturjahrgänge, die durch die Verkürzung der Gymnasialzeit ent- stehen. In diesem Jahr ist es im Saarland so weit, von 2011 bis 2013 folgen dann die bevölkerungsrei- chen Länder Bayern, Baden-Würt- temberg und Nordrhein-Westfalen.Zeitgleich werden dort dann Schü- ler sowohl nach zwölf als auch nach 13 Jahren ihr Abiturzeugnis in der Hand halten. Um die Welle an Be- werbern zu bewältigen, sollen daher bis 2015 rund 275 000 zusätzliche Studienplätze geschaffen werden.
Das sehen die Vorschläge der Ge- meinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) von Bund und Ländern zum „Hochschulpakt 2020“ vor, die auf einer Sondersitzung Ende April in Berlin verabschiedet wurden.
Mit dieser Zahl folgt die GWK einer Prognose, nach der in den alten Ländern für die Jahre 2011 bis 2015 ein Zuwachs von etwa
340 000 Studienanfängern erwartet wird; dem steht ein Rückgang um rund 65 000 in den neuen Bundes- ländern gegenüber – bedingt unter anderem durch die demografische Entwicklung. Doppelte Abiturjahr- gänge gibt es in den meisten neuen Ländern nicht. Für jeden der 275 000 zusätzlichen Studienanfän- ger stehen verteilt über vier Jahre 26 000 Euro zur Verfügung, je zur Hälfte finanziert von Bund und Län- dern. Die Maßnahmen für ein hoch- wertiges Studium in den „MINT- Fächern“ (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) sollen die Länder verantworten.
Kein Sonderprogramm für die Humanmedizin
Die Zulassungzahlen für die Medi- zin werden sich unterdessen nicht ändern. Ein Sonderprogramm Me- dizin – wie zunächst geplant – wird es nicht geben. Nach Angaben der GWK liegt es zwar in der Entschei- dung der Länder, wie sie die Mittel aus dem Hochschulpakt verwenden, doch dass das Sonderprogramm
vom Tisch ist, dürften die Fakultä- ten mit Erleichterung aufnehmen.
Dieses sah vor, dass nicht die Voll- kosten für einen Medizinstudien- platz in Höhe 240 000 Euro bereit- gestellt werden sollten, sondern nur rund ein Fünftel davon. Vor diesem Hintergrund hatte der Medizinische Fakultätentag (MFT) auf die oh- nehin angespannte Finanzlage in der Medizinerausbildung hingewie- sen. Seit 2003 seien die Grundmittel pro Studierendem der Humanmedi- zin um zwölf Prozent gesunken, kri- tisierte Prof. Dr. med. Gebhard von Jagow, Präsident des MFT. Die ge- setzlich vorgeschriebene Ausbil- dung auf der Basis des aktuellen Forschungsstands sei in Gefahr.
Die Zahl der Medizinstudienplät- ze bleibt konstant – obwohl man zu- sätzliche Absolventen angesichts des Ärztemangels gut gebrauchen könnte. Ein Grund für diese Ent- scheidung dürften die rechtlichen Folgen einer solchen – wenngleich zeitlich begrenzten – Kapazitätser- höhung sein. Denn eine Steigerung der Zulassungszahlen hätte zu einer Flut von Studienplatzklagen führen können. Die Argumentation dieser Klagen basiert darauf nachzuwei- sen, dass eine Fakultät mehr Studie- rende aufnehmen könnte, als sie tut (siehe „Studienplatzklagen: De- saster für Gerechtigkeit und Studi- enqualität“ in DÄ, Heft 17/2009).
18 Milliarden Euro für Bildung und Forschung
In der GWK-Sondersitzung wurden neben dem Hochschulpakt auch Vorschläge für die Weiterführung der Exzellenzinitiative und den Pakt für Forschung und Innovation ver- abschiedet. Die drei Vorhaben sol- len dazu beitragen, dass Deutsch- land das Ziel erreicht, bis 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Bildung und Forschung auszu- geben. „Mit einem Gesamtpaket von 18 Milliarden Euro leisten wir einen wichtigen Beitrag zur Zu- kunftsgestaltung in Deutschland“, sagte der GWK-Vorsitzende, Prof.
Dr. E. Jürgen Zöllner. Über die GWK-Vorschläge müssen jetzt die Regierungschefs von Bund und Ländern entscheiden. I Dr. med. Birgit Hibbeler
HOCHSCHULPAKT
Die Medizin bleibt außen vor
Wegen der doppelten Abiturjahrgänge kommt auf die Universitäten eine Bewerberwelle zu. Bund und Länder finanzieren zusätzliche Stu- dienplätze. Die Zulassungszahlen in der Medizin steigen jedoch nicht.
Foto:ddp