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Archiv "Priorisierungsdebatte: Phase zwei" (03.07.2009)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 27⏐⏐3. Juli 2009 A1389

S E I T E E I N S

D

ie Empörung war groß, als der Präsident der Bundesärztekammer im Frühjahr dieses Jahres eine offene Diskussion über die Priorisierung medizini- scher Leistungen in Deutschland forderte. Ihn selbst überraschte das am wenigsten: Anfangs gebe es einen Aufschrei in Politik und Gesellschaft, anschließend werde die Thematik auf Fachkongressen debattiert, ir- gendwann sei dann der Punkt erreicht, an dem die poli- tischen Entscheidungsträger die stille Rationierung im Gesundheitswesen nicht mehr negieren könnten und sich ernsthaft mit der Priorisierung medizinischer Leistungen befassen müssten, hatte Prof. Dr. med. Jörg- Dietrich Hoppe bereits früh prognostiziert.

Inzwischen ist der Eintritt in die zweite Phase er- folgt: Hoppes umstrittener Vorstoß bestimmt die Dis- kussionen auf zahlreichen gesundheitspolitischen Ver- anstaltungen im ganzen Bundesgebiet. Ja, eine öffentli- che Debatte über Rationierung und Priorisierung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sei überfäl- lig, sagte beispielsweise Daniel Bahr (FDP) Mitte Juni bei einer Podiumsdiskussion in Kiel, zu der das Fritz- Beske-Institut für Gesundheits-System-Forschung ge- laden hatte: „Bei Organspenden wird doch auch priori- siert – und die Gesellschaft akzeptiert das.“ Dr. med.

Wolfgang Wodarg (SPD) nimmt an gleicher Stelle für sich in Anspruch, „das Thema bereits vor Jahren auf die Agenda des Bundestages gesetzt zu haben“. Die En- quetekommission „Ethik und Recht der modernen Medizin“ habe sich in ihrer Arbeitsgruppe „Alloka- tion“ intensiv mit der Prioritätensetzung beschäftigt.

Wegen der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 sei daraus jedoch lediglich ein Zwischenbericht entstan- den. Wenige Tage später betonte Monika Thiex-Kreye, Geschäftsführerin des Klinikums Hanau, bei der MCC health world 2009 in Aachen, „dass in jedem Kranken- haus nahezu täglich priorisiert wird – aber das wird natürlich totgeschwiegen“. Der Berliner Allgemeinarzt Harald Kamps äußerte dort die Hoffnung, „dass die Frage, was noch bezahlt wird, bald nicht mehr im Arzt- zimmer erörtert werden muss“.

Ulla Schmidt (SPD) weist die Notwendigkeit einer Priorisierung von Gesundheitsleistungen nach wie vor weit von sich. Die ganze Debatte sei höchst unethisch, sagte sie in Aachen. Ein Gremium wie der von der Ärz- teschaft geforderte Gesundheitsrat dürfe niemals festle- gen, „welche Krankheiten noch behandelt werden, und welche nicht“. Aus leichten Erkrankungen könnten schnell schwere werden, argumentierte die Bundesmi- nisterin für Gesundheit. „Spitzenmedizin für alle“, lau- tet unverändert ihr Versprechen an die Wähler.

Lange wird Schmidt diese Vogel-Strauß-Taktik nicht mehr durchhalten können. Zu groß ist der Handlungs- druck, der sich aus der älter werdenden Gesellschaft und dem medizinischen Fortschritt für die gesetzliche Krankenversicherung ergibt. GKV-Beitragssätze von weit über 20 Prozent, wie sie viele Experten für die kommenden Jahrzehnte vorhersagen, sind nicht zumut- bar. Und die Rationierung von Leistungen im Gesund- heitswesen lässt sich schon heute vielerorts nicht mehr vertuschen.

Am 27. September wird ein neuer Bundestag ge- wählt. Wenn sich danach die Wogen ein wenig geglättet haben, spricht einiges dafür, dass die Priorisierungsde- batte in Deutschland weiter den von Hoppe prognosti- zierten Verlauf nimmt.

PRIORISIERUNGSDEBATTE

Phase zwei

Jens Flintrop

Jens Flintrop Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik

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