Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 25⏐⏐19. Juni 2009 A1311
M E D I E N
Wer glaubt, dass die traditionelle Harn- schau nur Gegenstand der Medizingeschichte sei, der wird im Inter- net eines Besseren be- lehrt. In naturheilkund- lichen Praxen werden weiterhin anhand von Farbe, Trübung, Ge- ruch, Bodensatz und Zugabe von verschie- denen Reagenzien Dis-
positionen zu bestimmten Erkran- kungen oder bestehende Funktions- störungen diagnostiziert.
Warum die Uroskopie spätestens im 19. Jahrhundert aus der Schul- medizin verschwand und durch an- dere Diagnoseverfahren ersetzt wurde, kann man jetzt in dem faszi- nierenden und vorzüglich bebilder- ten Buch des Würzburger Medizin- historikers nachlesen. Er weist nach, dass die traditionelle Harnschau, de- ren theoretische Grundlagen und Praxis ausführlich beschrieben wer- den, lange Zeit ein Verfahren war, das dem Wunsch des Patienten nach einer raschen und einleuchtenden Diagnose, aber auch nach einer Pro- gnose des Krankheitsverlaufs entge- genkam und auch für den Arzt Vor-
teile (unter anderem pekuniärer Art) bot.
Erst in der Frühen Neuzeit, so lautet eine der Kernthesen dieses Buches, hätte die ge- lehrten Ärzte aus Sor- ge um ihre fachliche Autorität die traditio- nelle Harnschau, die auch von Laienheilern praktiziert werden konnte, scharf kriti- siert. Sie hätten sich stattdessen auf ein exklusives Wissen über Vorgän- ge im Körper berufen, das anatomi- sche Sektionen seit dem 16. Jahr- hundert Ärzten und Medizinstuden- ten vermittelten. Auch habe die Furcht, sich durch Fehlurteile bei der Harnschau zu blamieren, eine Rolle bei der zunehmenden Distan- zierung von einem traditionellen Diagnoseverfahren gespielt.
Abgerundet wird diese gelunge- ne Überblicksdarstellung durch ein Kapitel über die Harnschau in der Kunst, das auch neue Erkenntnisse vermittelt. Robert Jütte
Michael Stolberg: Die Harnschau.Eine Kultur- und Alltagsgeschichte. Böhlau Verlag, Köln, Weimar, Wien 2009, 285 Seiten, gebunden, 26,90 Euro Die Routinediagnostik der weibli-
chen Genitalorgane, auch heute noch meist mittels Tastuntersuchung prak- tiziert, ist durch die seit Mitte der 80er-Jahre zur Verfügung stehende vaginale Sonografie mit inzwischen hochauflösenden Ultraschallsonden revolutioniert worden. Man erhält anatomieähnliche Schnittbilddar- stellungen, wodurch die Organbeur- teilung präzise wird und die diagnos- tische Treffsicherheit ständig zu- nimmt. Aufwendigere und deutlich teurere Verfahren wie CT und NMR sind für die normale gynäkologische Diagnostik überflüssig.
Die Herausgeber Timor-Tritsch und Goldstein, Direktor und Ko-
direktor des New Yorker University Department of Gynecology and Ob- stetrics, haben mit neun amerikani- schen, einem englischen und einem belgischen Koautor ein Basiswerk der Ultraschalldiagnostik des weib- lichen Beckens erstellt. Die transva- ginale Sonografie wird umfassend erläutert. Physikalische Grundla- gen, Geräte-/Untersuchungstechni- ken, Beckenanatomie mit normalen und pathologischen Uterus-/Adnex- befunden während der Geschlechts- reife, in der Frühschwangerschaft und in der Menopause werden in al- len Facetten beschrieben und bild- lich dargestellt.
Etwa 700 Abbildungen, teilweise mit Schemazeichnungen, OP-Prä- paraten oder histologischen Gewe- beschnitten, unterstützen das Ver-
ständnis und die Interpreta- tion der Ultraschallschnitt- bilder. Sowohl Prosatext als auch Bildlegenden sind didaktisch und methodisch hervorragend formuliert und aus sich selbst bei Be- trachtung der Abbildungen verständlich. Weitere The- men sind die Farbdoppler- sonografie, dreidimensio- nale Sonografie, Differen- zialdiagnose entzündlicher Beckenerkrankungen und interven- tionelle Maßnahmen, wie zum Bei- spiel Hysterosonografie oder ul- traschallgesteuerte Eingriffe. Das Werk ist eine Bereicherung für Ul- traschallinteressierte und ein Muss für jeden praktizierenden Gynäko- logen. Heinrich Fendel GYNÄKOLOGIE
Eine Bereicherung
Ilan E. Timor-Tritsch, Steven R. Goldstein (Hrsg.): Ultraschall- diagnostik in der Gynäkologie.Urban &
Fischer, München 2008, 398 Seiten, ge- bunden, 99,95 Euro
MEDIZINGESCHICHTE
Traditionelles Diagnoseverfahren BÜCHER – NEUEINGÄNGE
Medizin/Naturwissenschaft
Rudolf Likar, Reinhard Sittl, Keith Budd: Practice of transdermal and topical pain therapy.2. Auflage, UNI- MED Science, UNI-MED Verlag, Bremen 2008, 168 Seiten, Hardcover, 44,80 Euro
Sabine Schleiermacher, Udo Schagen (Hg.): Die Charité im Dritten Reich. Zur Dienstbarkeit medizinischer Wissen- schaft im Nationalsozialismus. Ferdinand Schöningh, Pa- derborn u. a. 2008, 272 Seiten, kartoniert, 19,90 Euro
Susanne Yates: Shiatsu für Schwangerschaft und Ge- burt.Urban & Fischer, Elsevier GmbH, München, Jena 2008, 210 Seiten, kartoniert, 39,95 Euro
Katharina Hien, Steffen Rümpler: Grafische Gestaltung in Naturwissenschaften und Medizin. Wissenschaftli- che Informationen vermitteln und präsentieren. Spektrum Akademischer Verlag, Berlin, Heidelberg 2008, 311 Seiten, Softcover, 29,95 Euro
Ph. Martius, F. von Spreti, P. Henningsen (Hrsg.):
Kunsttherapie bei psychosomatischen Störungen. Ur- ban & Fischer, Elsevier GmbH, München 2008, 450 Seiten, gebunden, 69,95 Euro
Gerd Nübel, Heinz-Peter Kuhlmann, Bernd Meißnest (Hrsg.): Alter Tage schwere Last. Trauer und Depression im Alter. Tagungsband zum 12. Gütersloher Gerontopsy- chiatrischen Symposium. Mabuse-Verlag, Frankfurt am Main 2008, 122 Seiten, kartoniert, 18 Euro
Renate Wolansky: Orthopädieschuhtechnik für Podo- logen.Schattauer, Stuttgart, New York 2008, 152 Seiten, gebunden, 44,95 Euro
Anne Marie Freybourg, Ernst Kraas (Hrsg.): >> im Trunk der Augen<<.Gottfried Benn – Arzt und Dichter in der Pathologie Westend. Wallstein Verlag, Göttingen 2008, 88 Seiten, kartoniert, 12 Euro