A1402 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 27⏐⏐3. Juli 2009
K
urz vor Ende der Legislatur- periode stößt Bundesgesund- heitsministerin Ulla Schmidt noch ein neues großes Projekt an: eine grundlegende Neuausrichtung der Krebstherapie. Künftig sollen Krebs- erkrankungen früher erkannt und besser behandelt werden.Angesichts der 400 000 jährlichen Erkrankungen an Krebs und der mehr als 200 000 daraus folgenden Todesfälle daran reichten die Fort- schritte der vergangenen Jahre in der Krebsbekämpfung nicht aus, sagte Schmidt auf der ersten Nationalen Krebskonferenz am 23. Juni in Ber- lin. Nun käme es darauf an, die Kapazitäten und Qualifikationen zu bündeln. Vorsorge, Therapie und Nachsorge sollen künftig optimal ge- staltet werden. „Die Zeit ist reif, die wichtigsten Organisationen zu verei- nen und zu vernetzen“, betonte auch der Hauptgeschäftsführer der Deut- schen Krebshilfe, Gerd Nettekoven.
Verwirklichen will Schmidt ihre Ziele mithilfe des Nationalen Krebs- plans, eines Koordinierungs- und Kooperationsprogramms, welches das Bundesgesundheitsministerium gemeinsam mit der Deutschen Krebs- gesellschaft, der Deutschen Krebs-
hilfe und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren im vergan- genen Jahr initiierte. Seitdem haben mehr als 100 Experten aus verschie- denen Bereichen zu drei von vier Handlungsfeldern 13 Ziele erarbei- tet, die sie auf der ersten Krebskon- ferenz präsentierten.
Ein Komplex widmet sich der Weiterentwicklung der Krebsfrüh- erkennung. Er setzt das Ziel, die Menschen künftig besser zu infor- mieren und die Teilnahme an den Krebsfrüherkennungsmaßnahmen zu verbessern. Schmidt möchte auch die ärztliche Fortbildung in der Krebsfrüherkennung intensivieren:
Nur noch Ärztinnen und Ärzte mit entsprechender Qualifikation sol- len in Zukunft Krebs therapieren dürfen, sagte sie auf der Krebskon- ferenz.
Planungen für ein Zervix- karzinom-Screening laufen
Verändern soll sich auch die Krebs- vorsorge: So sieht das Konzept die Einführung eines organisierten Zer- vixkarzinom-Screenings in Deutsch- land – angelehnt an die Europä- ischen Leitlinien – vor. Bislang erfülle laut Krebsplan nur das Mammografie-Screeningprogramm die Anforderungen an eine orga- nisierte Früherkennung, erklärte Schmidt. „Nach diesem Vorbild werden wir auch die bestehenden Früherkennungsprogramme für Ge- bärmutterhalskrebs und Darmkrebs organisatorisch weiterentwickeln.“Ein weiteres Handlungsfeld des Krebsplans soll die Strukturen der onkologischen Versorgung verbes- sern. Es reiche nicht aus, dass hoch- klassige Krebsversorgung nur an
wenigen Zentren vorgehalten wer- de, meinte die Ministerin. Auch der Präsident der Deutschen Krebsge- sellschaft, Prof. Dr. med. Werner Hohenberger, kritisierte die derzeit
„zu großen Unterschiede“ bei der Therapie von Krebs. „Jedem muss die gleiche Chance geboten wer- den“, forderte er. Dafür wird dem Plan zufolge ein bundesweit ein- heitliches Zertifizierungsverfahren für Krebszentren angestrebt. „Der Nationale Krebsplan wird den Men- schen in unserem Land helfen“, ist Hohenberger überzeugt.
Verstärktes Augenmerk soll künf- tig auch auf die psychoonkologische Versorgung in Deutschland gelegt werden. Bis zu 30 Prozent aller Krebskranken entwickelten psychi- sche Störungen, die oftmals nicht rechtzeitig erkannt und therapiert würden, sagte Marion Caspers-Merk, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium.
Caspers-Merk verwies noch auf ein weiteres Anliegen des Krebsplans:
die flächendeckende Einführung kli- nischer Krebsregister. Mit ihrer Hilfe könne man zuverlässige Daten über die Qualität der Krebsbehandlung gewinnen und diese schließlich ver- bessern, unterstrich Prof. Dr. med.
Ferdinand Hofstädter, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren.
Als drittes Handlungsfeld spielt die Stärkung der Patientenorientie- rung im Nationalen Krebsplan eine wichtige Rolle. Ziel ist es, die Pa- tienten stärker in die Behandlungs- entscheidungen einzubinden. Als Voraussetzung dafür wollen die am Nationalen Krebsplan beteiligten Partner das Angebot an verständ- lichen und seriösen Informations-, Beratungs- und Hilfsangeboten er- höhen. Dazu haben sie ein Netzwerk Krebsinformation eingerichtet. Die geplante Internetplattform mit qua- litativ hochwertigen Informationen soll bald unter der Adresse www.
netzwerk-krebsinformation.de star- ten und frei von Pharma- und Lobbyinteressen sein. Geplant ist ferner eine bundesweit einheit- liche gebührenfreie Telefonhotline als zentrale Anlaufstelle für Hilfe-
suchende. I
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
NATIONALER KREBSPLAN
„Die Zeit ist reif“
Die onkologische Versorgung soll verbessert werden. Auf der ersten Nationalen Krebskonferenz informierten die Initiatoren des Krebsplans die
Öffentlichkeit über ihre Ziele.
P O L I T I K
Foto:dpa