Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 107|
Heft 9|
5. März 2010 A 361S
chätzungsweise 1,45 Millionen Menschen wer- den in diesem Jahr in Deutschland mit einer Krebserkrankung leben, die maximal fünf Jahre zuvor diagnostiziert wurde. Seit 1990 steigt diese Zahl. Mitt- lerweile erkrankten hierzulande aufgrund der demogra- fischen Entwicklung jährlich 450 000 Menschen neu an Krebs, Tendenz steigend, teilte das Robert-Koch-Insti- tut (RKI) anlässlich des 29. Deutschen Krebskongres- ses Ende Februar in Berlin mit. Damit wird Krebs bald zur Todesursache Nummer eins.„Diese Entwicklung überrascht uns nicht. Seit 2008 haben wir im Rahmen des Nationalen Krebs- plans den Schulterschluss in der Gesellschaft einge- fordert“, erklärte der Präsident der Deutschen Krebs- gesellschaft, Prof. Dr. med. Werner Hohenberger. Der vor eineinhalb Jahren von der Bundesregierung, der Deutschen Krebsgesellschaft, der Arbeitsgemein- schaft Deutscher Tumorzentren und der Deutschen Krebshilfe initiierte Nationale Krebsplan könne den Kampf gegen die Volkskrankheit Krebs besser struk- turieren und die Krebsbehandlung in Deutschland entscheidend voranbringen. „Leider ist der Nationale Krebsplan in der Bevölkerung kaum bekannt. Auch von der Politik wird er noch deutlich unterschätzt“, bedauerte Hohenberger. Dabei könne das Programm zum „Masterplan“ auch für den Umgang mit anderen Volkskrankheiten werden.
Diese Einschätzung wird von Philipp Rösler offen- bar nicht mit der gleichen Konsequenz geteilt. Zwar stellte sich der Bundesgesundheitsminister bei der Kon- gresseröffnung eloquent hinter die Ziele der Initiatoren:
„Die Krebsbekämpfung und die Krebsfrüherkennung haben für mich einen hohen Stellenwert in der Gesund- heitspolitik“, bekräftigte er. Doch konkrete Aussagen ließ er vermissen. So würdigte er den Ausbau einer aussagekräftigen, onkologischen Qualitätsberichterstat- tung durch klinische Krebsregister als einen „wichtigen Punkt“ im Nationalen Krebsplan. Die Kosten, die in
den Arbeitsgruppen des Nationalen Krebsplans dafür momentan veranschlagt werden, möchte er jedoch nach Möglichkeit drücken. Dabei sind Krebsregister unver- zichtbar. Gerade nach dem im vergangenen Jahr in Kraft getretenen Bundeskrebsregisterdatengesetz las- sen sich durch sie notwendige Basisdaten ermitteln.
Reserviert zeigte sich der FDP-Politiker auch in Be- zug auf Screeningprogramme. Man brauche einen Mentalitätswechsel bei der Prävention, die mehr bedeu- te als das Anbieten von Kursen durch die Krankenkas- sen, sagte er. Ausgewiesenes Ziel des Krebsplans ist es dagegen, die bislang nichtorganisierten Programme zur Früherkennung des Zervixkarzinoms und von Darm- krebs an die Europäischen Leitlinien anzupassen und als organisierte Screenings weiterzuentwickeln.
Kongresspräsident Prof. Dr. med. Wolff Schmiegel, der den diesjährigen Krebskongress unter das Motto
„Strukturen verändern – Heilung verbessern“ gestellt hatte, zeigte sich trotz des dürftigen ministerialen Bei- stands optimistisch. Zuletzt habe die Steuerungsgruppe des Nationalen Krebsplans Anfang Februar getagt.
„Das Thema ist zwar komplex, doch die Dinge fügen sich erfreulicherweise“, erklärte er. Nun gilt es nur noch, den Minister von der Brisanz zu überzeugen.
NATIONALER KREBSPLAN
Unterschätzte Brisanz
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik in Berlin