• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Serie: Behandlung von Patienten mit metastasierten Hodentumoren" (25.11.2005)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Serie: Behandlung von Patienten mit metastasierten Hodentumoren" (25.11.2005)"

Copied!
5
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

D

ie Chemotherapie von Patienten mit Hodentumoren hat viel von ihrem Schrecken verloren. Fort- schritte in der supportiven Therapie haben selbst die meistens notwendige Cisplatin-haltige Kombinationstherapie verträglicher gemacht (4). Dennoch bleibt gerade die Behandlung von Pati- enten mit weit fortgeschrittenen Tumo- ren und ungünstiger Prognose bei Dia- gnosestellung oder von Patienten mit ei- nem Rezidiv eine Herausforderung für Patient und Arzt.

Die Indikationen für eine Chemothe- rapie und die Auswahl der erforderli- chen Medikamente müssen sich am Tu- morstadium (Grafik) und den ermittel- ten Risikofaktoren orientieren (Tabelle 1) (3, 5). Eine nachfolgende Residualtu- morresektion hilft, das histologische Er- gebnis zu sichern und therapieresistente Tumoranteile zu entfernen (6, 7). Für je- den Patienten muss die optimale Hei- lungschance mit der am wenigsten bela- stenden Therapie erreicht werden. Ein

„Zuwenig“ an Therapie mit dem damit verbundenen Rezidivrisiko wäre eben-

so falsch wie ein „Zuviel“ mit den damit assoziierten vermeidbaren Nebenwir- kungen und Kosten. Ziel dieses Beitra- ges ist es, die Behandlung von Patienten mit metastasierten Hodentumoren dar- zustellen.

Chemotherapie als Primärbehandlung

Patienten mit Seminomen in den fortge- schrittenen Tumorstadien jenseits des Stadiums IIA/B und Patienten mit Nichtseminomen ab dem Stadium IIA/B benötigen mit wenigen Ausnahmen eine primäre Chemotherapie (Kästen 1 und

2) (3). Seit Ende der 1980er-Jahre hat sich das klassische PEB-Schema (PEB, Cisplatin, Etoposid, Bleomycin), in ei- nem Therapieintervall von 21 Tagen ap- pliziert, in vielen Studien als die Stan- dardtherapie für Patienten mit metasta- sierten Hodentumoren bewährt (Tabelle 2) (3, 8). Die Zykluszahl richtet sich da- bei nach der Prognoseeinschätzung mit- tels der Klassifikation der IGCCCG (In- ternational Germ-Cell Cancer Collabo- rative Group) (Tabelle 1). Die Chemo- therapie von Patienten mit Seminomen und Nichtseminomen richtet sich in den metastasierten Tumorstadien vor allem nach dem Risikoprofil des individuellen Patienten und erfordert unterschiedlich viele Therapiezyklen. Eine Mono- oder Kombinationstherapie mit Carboplatin reicht nicht aus. Patienten mit „günsti- gem“ Risikoprofil nach der IGCCCG- Klassifikation erhalten drei Zyklen PEB, Patienten mit „intermediärem“ und

„ungünstigem“ Risikoprofil werden mit vier Zyklen PEB behandelt (3, 5, 8). Nur bei Patienten mit „günstigem“ Risiko- profil können bei einer Kontraindikati-

Serie

Behandlung von Patienten mit metastasierten Hodentumoren

Carsten Bokemeyer1, Jörg Beyer2, Axel Heidenreich3

Zusammenfassung

Hodentumoren gehören zu den häufigsten Krebserkrankungen junger Männer. Bei Pa- tienten mit metastasierter Erkrankung erfolgt zunächst eine Chemotherapie. Vor allem bei Pa- tienten mit Nichtseminomen ist nach der Che- motherapie häufig eine zusätzliche operative Entfernung radiologischer Residuen notwendig (Residualtumorresektion). Selbst bei metasta- sierter Erkrankung kann so die überwiegende Mehrzahl aller Patienten geheilt werden. Den- noch weist Deutschland gegenüber anderen europäischen Ländern noch eine erhöhte Sterb- lichkeit bei Patienten mit Hodentumoren auf.

Chemotherapien bei Patienten mit metastasier- ten Hodentumoren, und ganz besonders Residu- altumorresektionen, sollten deshalb an speziali- sierten, interdisziplinär ausgerichteten Zentren

erfolgen. Die Erfahrung eines Zentrums ist von prognostischer Bedeutung und korreliert mit der Zahl der behandelten Patienten. Europäi- sche Konsensusempfehlungen zu Diagnostik und Therapie von Hodentumoren erleichtern die Behandlung.

Schlüsselwörter: Hodenkarzinom, Keimzelltu- mor, Metastasierung, Zytostatikum, Leitlinie

Summary

Treatment of patients with metastatic germ-cell tumours

Germ-cell tumours are among the most com- mon cancers in young men. Chemotherapy is indicated in patients who present with metas- tatic disease. Patients with non-seminomas

frequently require additional post-chemo- therapy resections of radiologic residual tu- mours. Even in metastatic disease this leads to the cure in the majority of patients. In Germany there is still an excess mortality in patients with germ-cell tumour as compared to other European countries. Chemotherapy in patients with advanced disease and particularly post- chemotherapy resections of residual tumours require special expertise and should only be performed at designated interdisciplinary can- cer centres. Expertise of these centres is an in- dependent prognostic factor and correlates with the number of patients treated. European guidelines on diagnosis and treatment of germ-cell tumours facilitate the treatment.

Key words: testicular cancer, germ-cell tumour, metastasis, cytostatic drug, guideline

1Klinik für Onkologie und Hämatologie mit den Sektionen Knochenmarktransplantation und Pneumologie, Zentrum Innere Medizin (Direktor: Prof. Dr. med. Carsten Bokemey- er), Universitätsklinik Hamburg

2 Klinik für Innere Medizin, Schwerpunkt Hämatologie, On- kologie und Immunologie (Direktor: Prof. Dr. med. Andreas Neubauer), Klinikum der Philipps-Universität, Marburg

3Bereich Urologische Onkologie (Direktor: Prof. Dr. med.

Udo Horst Engelmann), Klinik und Poliklinik für Urologie, Universität zu Köln

(2)

on gegen Bleomycin alternativ vier Zy- klen PE (Cisplatin und Etoposid) äquieffektiv eingesetzt werden (3). Bei Patienten mit „intermediärem“ und

„ungünstigem“ Risikoprofil ist die The- rapie mit vier Zyklen Cisplatin, Etoposid und Ifosfamid (PEI), ebenfalls im Ab- stand von 21 Tagen appliziert, gleich wirksam wie PEB (Tabelle 2).

Je nach Tumorstadium benötigen Pa- tienten mit Nichtseminomen in circa 15 bis 30 Prozent der Fälle nach der Che- motherapie noch eine Residualtumor- resektion (6, 7). Bei Patienten mit Semi- nomen ist eine Residualtumorresektion zumeist nicht erforderlich.

Es sind viele Modifikationen des klassischen PEB-Schemas untersucht worden, die alle ohne erkennbare Vor- teile gegenüber der bereits 1987 publi- zierten Anwendungsweise sind (8). Da- gegen bergen Modifikationen des ur- sprünglichen Schemas mit Austausch von Substanzen oder Änderung der Dosis beziehungsweise der Applikati- onsweise das Risiko eines Wirkungsver- lustes und sollten daher unterlassen werden. Vor allem Patienten mit ausge- dehnt metastasierten Hodentumoren und „ungünstigem“ Risikoprofil nach der IGCCCG-Klassifikation und alle Patienten mit Rezidiv sollten umge- hend an ein Zentrum überwiesen wer- den, das jährlich viele dieser Patienten behandelt. Die Prognose bessert sich hierdurch nachweislich (1, 2). Die Pati- enten sollten nach Möglichkeit in eine der laufenden Studien eingeschlossen werden, um weitere Therapiefortschrit- te zu erzielen (www.hodenkrebs.de und www.auo-online.de).

Dosisintensive

Therapieverfahren und primäre Hochdosis-Chemotherapie

Aufgrund noch unzufriedenstellender Therapieergebnisse bei Patienten mit weit fortgeschrittener Metastasierung und ungünstiger Prognose – vor allem bei einem primären mediastinalen Keimzelltumor, bei hepatischer und/

oder bei zerebraler Metastasierung oder bei sehr stark erhöhten Tumor- markern – wird versucht, durch den Einsatz dosisintensiver Therapien die Prognose dieser Patienten zu verbes-

sern. In einer sorgfältig angelegten Matched-pair-Analyse erwies sich ei- ne sequenzielle Hochdosis-Chemo- therapie bereits im Rahmen der Primärbehandlung im Vergleich zu ei- ner Standardchemotherapie mit PEI eindeutig als vorteilhaft (9). Die Er- gebnisse dieser Analyse müssen je- doch noch in laufenden, randomisier- ten Studien bestätigt werden, bevor eine primäre Hochdosis-Chemothe- rapie für diese Patientengruppe all- gemein empfohlen werden kann. Alle Patienten mit „ungünstigem“ Risiko- profil und somit ungünstiger Progno- se sollten daher in die laufenden Stu- dien zur intensivierten Therapie ein- geschlossen werden.

Rezidiv- oder

Salvagechemotherapie

Die Begriffe Rezidiv- und Salvageche- motherapie sind Synonyme. Lediglich et- wa fünf bis zehn Prozent aller Patienten mit Hodentumoren und etwa 20 bis 30 Prozent der Patienten mit metastasierter Erkrankung bei Diagnosestellung bedür- fen zu irgendeinem Zeitpunkt ihrer Er- krankung einer Salvagechemotherapie.

Diese Patienten können in bis zu 50 Prozent der Fälle trotz des Versagens der primären Chirurgie, Strahlen- oder Che- motherapie noch geheilt wer- den.

Patienten mit einem Rezidiv oder Progress sowie nach allei- niger Operation oder nach ei- ner Strahlentherapie benöti- gen eine stadiengerechte Che- motherapie entsprechend den Empfehlungen für Patienten bei der Primärdiagnose (3).

Bei Patienten mit Progress oder Rezidiv nach vorangegan- gener Chemotherapie sind zwei Therapiestrategien ver- fügbar: vier Zyklen einer nochmaligen konventionell do- sierten Chemotherapie im Ab- stand von 21 Tagen, möglicher- weise mit neuen Substanzen wie Paclitaxel, oder eine Hoch- dosis-Chemotherapie. Progno- sefaktoren helfen, die optimale Salvagestrategie für Patienten mit refraktären und rezidivierten Ho- dentumoren festzulegen. Die Therapie- entscheidungen bei diesen Patienten sind allerdings komplex. Bei Patienten mit multiplen Rezidiven und platin-refraktä- rer Erkrankung können auch Substan- zen wie Gemcitabin und Oxaliplatin noch wirksam sein und werden in Studi- en in Kombination getestet. Alle Patien- ten mit Progress oder Rezidiv nach primärer Chemotherapie sollten daher frühzeitig an einem spezialisierten Zen- trum vorgestellt und für eine der laufen- den Therapiestudien evaluiert werden.

Resektion von

Residualtumoren nach Chemotherapie

Die Resektion aller radiologisch nach- weisbaren Residualtumoren (RTR) bei Patienten mit negativen Tumor- markern nach einer primären Chemo- therapie stellt einen integralen Be- standteil der multimodalen Therapie fortgeschrittener Hodentumoren dar (3, 6, 7, 10).

Weiterhin kann eine RTR bei Pati- enten mit Markerplateau nach Che- motherapie oder bei Markerprogress Anatomische Stadieneinteilung von Hodentumoren nach

der Lugano-Klassifikation. Bei den metastasierten Stadien II und III ist für die Prognoseabschätzung neben der anato- mischen Lokalisation der Metastasen die Höhe der Tumor- marker relevant (Tabelle 1) (5).

Grafik

(3)

nach Salvagechemotherapie, bei Vor- liegen eines so genannten „growing te- ratoma“-Syndroms oder eines Spätre- zidivs indiziert sein (11, 12).

Residualtumorresektion bei Seminomen

Bei Seminomen hat sich die Indika- tion für eine RTR in den letzten Jah- ren deutlich gewandelt. Der Nach- weis vitaler Karzinomreste beim Se- minom ist abhängig von der Größe des Residualtumors (3, 13). Die Re- sektion seminomatöser Residualtu- moren ist gegenüber der RTR nichtse- minomatöser Hodentumoren aufgrund der perivaskulären bindegewebigen Reaktionen deutlich schwieriger und erfordert bei bis zu 38 Prozent der Pa- tienten zusätzliche chirurgische Maß- nahmen im Sinne der Resektion von Nachbarorganen und Gefäßstruktu- ren (14).

Entsprechend den aktuellen Emp- fehlungen ist deshalb die Indikation zur RTR nur noch bei einem positiven Befund in der Positronenemissionsto- mographie (PET) circa vier bis sechs Wochen nach Abschluss einer Strah- len- oder Chemotherapie gegeben (15). Ob die RTR das optimale Vorge- hen in dieser seltenen klinischen Si- tuation darstellt, ist noch unklar und muss individuell entschieden werden.

Eine bioptische Sicherung und konse-

kutive Strahlen- oder Chemotherapie wären andere denkbare Optionen. In allen anderen klinischen Situationen, vor allem auch bei negativem Befund der Positronenemmissionstomographie, kann auf die RTR beim Seminom, un- abhängig von der Größe des Residu- ums, verzichtet werden. Eine adjuvan- te Bestrahlung ist nicht indiziert.

Residualtumorresektion bei Nichtseminomen

Bei Nichtseminomen muss die RTR die komplette und radikale Entfernung sämtlicher Tumormassen unter kurati- ver Intention zum Ziel haben, weil bei etwa 20 bis 40 Prozent der Patienten ma- tures Teratom oder vitales Karzinom nachweisbar ist (3, 16). Lediglich durch die komplette operative Resektion kann geklärt werden, ob weitere thera- peutische Schritte, zum Beispiel im Sin- ne einer additiven Chemotherapie, not- wendig sind. Die Indikation zur Resekti- on von retroperitonealen und viszeralen Residualtumoren ist unabhängig von deren Größe (3, 7, 10). Selbst bei Resi- dualtumoren von 1 bis 2 cm findet man bei bis zu einem Drittel der Patienten Anteile eines maturen Teratoms oder vi- talen Karzinoms. Eine verzögerte RTR erst bei dokumentiertem Tumorwachs- tum ist nicht ratsam und vermindert die kurativen Chancen erheblich.

Operationsstrategie

Die RTR, insbesondere bei komple- xen Konstellationen im Retroperito- neum, bei Residuen im Retrokrural- Chemotherapieoptionen bei Seminomen

>Stadium I: 1 ×Carboplatin AUC 7 oder 2 ×Carboplatin AUC 5–6

>Stadium IIA/B: 3 ×PEB oder 4 ×PE*1

>ab Stadium IIC: 3 ×PEB oder 4 ×PE („günstiges“ Risiko gemäß IGCCCG) 4 ×PEB oder 4 ×PEI („intermediäres“ Risiko nach IGCCCG)

>Rezidive*2: 4 ×PEI, VeIP oder TIP, alternativ Hochdosis-Chemotherapie*3 Berechnung der Dosis gemäß AUC nach Calvert:

absolute Dosis in mg = gewünschte AUC ×(glomeruläre Filtrationsrate + 25)

*1nur bei Kontraindikationen gegen eine Bestrahlung

*2nur Rezidive nach Chemotherapie; Rezidive nach „watch and wait“ werden analog der Strategien bei primär metastasierten Tumorstadien behandelt

*3Hochdosis-Chemotherapie bei ungünstigen Prognosefaktoren im Rezidiv

PEB, Cisplatin, Etoposid, Bleomycin; PE, Cisplatin, Etoposid; PEI, Cisplatin, Etoposid, Ifosfamid; VeIP, Cisplatin, Ifosfamid, Vinblastin; TIP, Cisplatin, Ifosfamid, Paclitaxel; AUC, „area under the curve“; IGCCCG, International Germ-Cell Cancer Collaborative Group

Kasten 1

´ Tabelle 1 1

Prognoseklassifikation metastasierter Hodentumoren nach IGCCCG (nach 5) Günstiges Risikoprofil (ca. 56 % der Patienten) ca. 90 % Überleben

Klinik niedrige Marker

Nichtseminome gonadaler oder retroperitonealer Primärtumor AFP < 1 000 ng/mL und „niedrige“ Markerkonstellation HCG < 5 000 U/L und keine extrapulmonalen Organmetastasen LDH < 1,5 x normal Seminome jede Primärlokalisation

und keine extrapulmonalen Organmetastasen

Intermediäres Risikoprofil (ca. 28 % der Patienten) ca. 78 % Überleben

Klinik intermediäre Marker

Nichtseminome gonadaler oder retroperitonealer Primärtumor AFP 1 000–10 000 ng/mL und „intermediäre“ Markerkonstellation HCG 5 000–50 000 U/L und keine extrapulmonalen Organmetastasen LDH 1,5–10 x normal Seminome jede Primärlokalisation

und extrapulmonalen Organmetastasen

Schlechte Prognose (ca. 16 % der Patienten) ca. 45 % Überleben

Klinik hohe Marker

Nichtseminome mediastinaler Primärtumor AFP > 10 000 ng/mL oder „hohe“ Markerkonstellation HCG > 50 000 U/L oder extrapulmonale Organmetastasen LDH > 10 x normal AFP,Alphafetoprotein; hCG, humans Choriongonadotropin; LDH, Laktatdehydrogenase; IGCCCG, Interantional Germ-Cell Cancer Collaborative Group

(4)

raum sowie bei synchronem Vorkom- men lymphonodulärer und viszeraler Residualtumoren, erfordert spezielle Kenntnisse der Anatomie sowie der Operationsstrategie und sollte des- halb an den spezialisierten Zentren erfolgen, an denen dieser komplexe Eingriff zur Routine geworden ist (3, 10).

Dies gilt insbesondere für Zweit- eingriffe nach vorangegangener retro- peritonealer Lymphadenektomie, die eine erhebliche Herausforderung dar- stellen und sowohl mit einer höhe- ren Morbidität und Mortalität verbun- den sind als auch mit einem höheren Risiko inkompletter, das heißt nicht kurativer Resektionen (17). Retrokru- rale oder suprahiläre Residuen kön- nen ebenso wie ipsilaterale mediasti- nale oder basale pulmonale Metasta- sen über einen thorakoabdominalen Zugang in einer Sitzung reseziert wer- den und dürfen keinesfalls aufgrund vermeintlicher operationstechnischer Schwierigkeiten in situ belassen wer- den.

Circa sechs bis zehn Prozent der Pa- tienten weisen eine Beteiligung der Vena cava inferior und etwa zwei Pro- zent eine Beteiligung der Aorta abdo- minalis auf. Diese Befunde erfordern eine Resektion der V. cava inferior oder der Cavawand, weil bei ungefähr zwei Drittel der Patienten ein vitales Karzinom oder matures Teratom in den infiltrierenden Tumormassen nachweis-

bar ist (6). Eine komplette oder parti- elle Resektion der Aorta abdominalis ist meistens bei Patienten mit einer In- filtration der Adventitia vorzuneh- men.

Bei multilokulären Residuen muss derzeit die ein- oder zweizeitige Resektion aller Residuen empfohlen werden, da diskordante histologische Befunde bei 30 bis 35 Prozent der Pa- tienten diagnostiziert werden (3, 16, 18). Nur wenn der pathohistologische Befund primär resezierter Residuen Narbe und Nekrose zeigt, stellt eine

regelmäßige Nachsorge der Befunde eine alternative Strategie dar.

Eine hohe Heilungsrate mit allei- niger Resektion kann bei einer Nar- be/Nekrose und maturem Teratom im Resektat erzielt werden. Das Vorge- hen bei einem vitalen Karzinom oder immaturen Teratom oder einem Tera- tom mit maligner Transformation wird kontrovers diskutiert, weil eine Ver- besserung des tumorspezifischen Über- lebens durch eine adjuvante Thera- pie bisher nicht zweifelsfrei dokumen- tiert werden konnte (19). Wenn der Anteil vitaler Karzinomzellen je- doch mehr als zehn Prozent beträgt oder eine komplette Resektion des Befundes fraglich ist, kann die Hei- lungsrate wahrscheinlich durch eine adjuvante Chemotherapie, bestehend aus zwei Zyklen einer Cisplatin-halti- gen Chemotherapie, verbessert wer- den.

Die Prognose ist jedoch deutlich schlechter, wenn Residualtumoren nach Salvagechemotherapie noch vi- tale oder undifferenzierte Karzinom- zellen enthalten.

Hier hat sich eine adjuvante Che- motherapie nicht positiv auf die Verbesserung des tumorspezifischen Überlebens ausgewirkt, sodass in die- ser seltenen Situation keine generelle Indikation für eine adjuvante Thera- pie besteht (3).

Chemotherapieoptionen bei Nichtseminomen

>Stadium I: 2 ×PEB*1

>Stadium IIA/B: 3 ×PEB *2, 3

>ab Stadium IIC: 3 ×PEB oder 4 ×PE („günstiges“ Risikoprofil)*3

4 ×PEB oder 4 ×PEI („intermediäres“ oder „ungünstiges“ Risikoprofil), alternativ Hochdosis-Chemotherapie

>Rezidive: 4 ×PEI, VeIP oder TIP, alternativ Hochdosis-Chemotherapie*4

*1nur bei Patienten mit vaskulärer Invasion im Primärtumor bzw. bei Patienten ohne vaskuläre Invasion aber Kon- traindikationen gegen eine Surveillance-Strategie

*2bei Patienten im Stadium IIA mit negativen Markern zunächst „watch and wait“; Chemotherapie erst bei Mar- keranstieg bzw. Nachweis eines vitalen, undifferenzierten Tumors bei der retroperitonealen Lymphadenektomie

*3jeweils gefolgt von der Resektion aller radiologisch nachweisbaren Residuen nach Abschluss der Chemotherapie

*4Hochdosis-Chemotherapie bei ungünstigen Prognosefaktoren im Rezidiv

PEB, Cisplatin, Etoposid, Bleomycin; PE, Cisplatin, Etoposid; PEI, Cisplatin, Etoposid, Ifosfamid; VeIP, Cisplatin, Ifosfamid, Vinblastin; TIP, Cisplatin, Ifosfamid, Paclitaxel

Kasten 2

´ Tabelle 2 1

Konventionell dosierte Schemata für die primäre Chemotherapie

Therapie- Akronym Anwendung Wieder- Zykluszahl

schema holung

Cisplatin 20 mg/m2Tag 1–5

Etoposid PEB 100 mg/m2Tag 1–5 21 Tage*1 3–4 Zyklen*2, 3 Bleomycin 30 mg absolut Tag 1, 8, 15

Cisplatin PE 20 mg/m2Tag 1–5 21 Tage*1 4 Zyklen*2

Etoposid 100 mg/m2Tag 1–5

Cisplatin 20 mg/m2Tag 1–5

Etoposid PEI 75 mg/m2Tag 1–5 21 Tage*1 3–4 Zyklen*2, 3

Ifosfamid 1,2 g/m2Tag 1–5

Cisplatin 20 mg/m2Tag 1–5

Vinblastin VelP 0,11 mg/kg Tag 1+2 21 Tage*1 4 Zyklen*2

Ifosfamid 1,2 g/m2Tag 1–5

Paclitaxel 175–250 mg/m2Tag 1

Ifosfamid TIP 1,2 g/m2Tag 2–6 21 Tage*1 4 Zyklen*2

Cisplatin 20 mg/m2 Tag 2–6

*1Therapieintervall und *2Zykluszahl sind prognostisch bedeutsam; *3Anzahl der Zyklen ist abhängig von der Prognoseeinteilung nach der In- ternational Germ-Cell Cancer Collaborative Group

(5)

Weitere Einsatzgebiete der Residualtumorresektion

Etwa 25 Prozent der Patienten mit fehlender Normalisierung der Tumor- marker oder mit Markerprogress nach Salvagechemotherapie können lang- fristig von der Resektion metastati- scher Läsionen unter der Vorausset- zung profitieren, dass alle Tumoren unabhängig von ihrer Lokalisation komplett resektabel sind (11, 18).

Spätrezidive, moderat erhöhte AFP- Serumspiegel und vornehmlich retro- peritoneal lokalisierte Metastasen stellen hierfür günstige Prognosefak- toren dar (12).

Patienten mit Spätrezidiv, das defi- nitionsgemäß mehr als zwei Jahre nach abgeschlossener Primärtherapie auftritt, profitieren häufig von einer sofortigen Resektion. Bei Spätrezidi- ven, die häufig chemoresistent sind und in der überwiegenden Mehrzahl matures Teratom oder sekundär ent- differenzierte Tumorhistologien auf- weisen, kann durch eine komplette operative Sanierung der Befunde – durchaus mit En-bloc-Resektion be- nachbarter Organe – noch eine Hei- lungsrate von bis zu 40 Prozent erzielt werden (12).

Palliative Chemotherapie

Ungefähr fünf Prozent aller Patienten mit Hodentumoren und 10 bis 15 Pro- zent der Patienten mit metastasierter Erkrankung sprechen ungenügend auf die verfügbaren kurativen Therapien an und können trotz optimaler Be- handlung nicht geheilt werden (3).

Dennoch profitieren diese Patienten trotz zumeist sehr ausgedehnter Vor- behandlungen von einer palliativen Chemotherapie.

Oral einzunehmendes Etoposid, Gemcitabin, Paclitaxel und Oxalipla- tin können alleine oder in Kombinati- on bei Patienten mit refraktären Ho- dentumoren palliativ wirksam sein.

Die Auswahl der palliativen Behand- lung richtet sich dabei wesentlich nach Art und Umfang der Vortherapie, den aktuellen tumorbedingten Beschwer- den sowie dem klinischen Allgemein-

zustand des Patienten und muss indivi- duell entschieden werden. Für diese Patienten existieren klinische Studien- protokolle, in denen neue Therapie- konzepte evaluiert werden (www.ho denkrebs.de und www.auo-online.de).

Manuskript eingereicht: 11. 2. 2005, revidierte Fassung angenommen: 28. 6. 2005

Prof. Bokemeyer wurde bei Studien zur Chemothera- pie von Keimzelltumoren von Amgen, Bristol-Myers Squibb und Sanofi-Aventis unterstützt. Priv.-Doz. Beyer hat mithilfe von Amgen Studien zur Hochdosis-Chemo- therapie durchgeführt. Prof. Heidenreich erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des In- ternational Committee of Medical Journal Editors be- steht.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 3271–3275 [Heft 47]

Literatur

1. Albers P, Dommer K, Müller SC: Hodentumoren. To- desfälle und Rezidive nach inadäquater Therapie.

Urologe A 1998; 37: 625–8.

2. Collette L, Sylvester RJ, Stenning SP et al.: Impact of the treating institution on survival of patients with

„poor prognosis“ metastatic nonseminoma. J Natl Cancer Inst 1999; 91: 839–46.

3. Schmoll HJ, Souchon R, Krege S et al.: European consensus on diagnosis and treatment of germ cell cancer: a report of the European Germ Cell Cancer Consensus Group (EGCCCG). Ann Oncol 2004; 15:

1377–99.

4. Link H, Bokemeyer C, Feyer P, Hrsg.: Supportivthera- pie bei malignen Erkrankungen. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag 2005.

5. International Germ Cell Cancer Collaborative Group: International germ cell consensus classifica- tion: a prognostic factor-based staging system for metastatic germ cell cancers. J Clin Oncol 1997; 15:

594–603.

6. Donohue JP, Leibovitch I, Foster RS: Integration of surgery and systemic therapy: results and princi- ples of integration. Semin Urol Oncol 1998; 16:

65–71.

7. Oldenburg J, Alfsen GC, Lien HH, Aass N, Waehre H, Fossa SD: Postchemotherapy retroperitoneal surg- ery remains necessary in patients with nonsemi- nomatous testicular cancer and minimal residual tumor masses. J Clin Oncol 2003; 21: 3310–7.

8. Williams SD, Birch R, Einhorn LH, Irwin L, Greco FA, Loehrer PJ: Treatment of disseminated germ cell tu- mors with cisplatin, bleomycin and either vinblas- tine or etoposide. N Engl J Med 1987; 316: 1435–40.

9. Bokemeyer C, Kollmannsberger C, Meisner C et al.:

First-line high-dose chemotherapy compared with standard-dose PEB/VIP chemotherapy in patients with advanced germ cell tumors: a multivariate and matched-pair analysis. J Clin Oncol 1999; 17: 3450–

6.

10. Heidenreich A, Krege S, Flaßhove M: Interdisziplinä- re Kooperation in der Therapie von komplexen Pati- enten mit fortgeschrittenem testikulärem Keimzell- tumor. Urologe A 2004; 43: 1521–30.

11. Albers P, Ganz A, Hannig E et al.: Salvage surgery of chemorefractory germ cell tumors with elevated tu- mor markers. J Urol 2000; 164: 381–4.

12. Kuczyk MA, Bokemeyer C, Kollmannsberger C et al.:

Late relapse after treatment for nonseminomatous germ cell tumors according to a single center based experience. World J Urol 2004; 22: 55–9.

13. Flechon A, Bompas E, Biron P, Droz JP: Management of post-chemotherapy residual masses in advanced seminoma. J Urol 2002; 168: 1975–9.

14. Mosharafa AA, Foster RS, Leibovich BC, Bihrle R, Johnson C, Donohue JP: Is post-chemotherapy resection of seminomatous elements associated with higher acute morbidity? J Urol 2003; 169:

2126–8.

15. De Santis M, Becherer A, Bokemeyer C et al.: Pre- dictive impact of 2-18fluoro-D-glucose positron emission tomography is a relaible predictor for via- ble tumor in postchemotherapy seminoma: an up- date of the prospective multicentric SEMPET trial. J Clin Oncol 2004; 22: 1034–9.

16. Albers P, Weissbach L, Krege S et al.: Prediction of necrosis after chemotherapy of advanced germ cell tumors: results of a prospective multicenter trial of the German Testicular Cancer Study Group. J Urol 2004; 171: 1835–8.

17. Heidenreich A, Ohlmann CH, Hegele A, Beyer J: Re- peat retroperitoneal lymphadenectomy in advanc- ed testicular cancer. Eur Urol 2005; 47: 64–71.

18. Rick O, Bokemeyer C, Weinknecht S et al.: Residual tumor resection after high-dose chemotherapy in patients with relapsed or refractory germ cell can- cer. J Clin Oncol 2004; 22: 3713–9.

19. Fizazi K, Tjulandin S, Salvioni R et al.: Viable malig- nant cells after primary chemotherapy for dissemi- nated nonseminomatous germ cell tumors: prognos- tic factors and role of postsurgical chemotherapy – results from an international study. J Clin Oncol 2001; 19: 2647–57.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Carsten Bokemeyer Klinik für Onkologie, Hämatologie

mit den Sektionen Knochenmarktransplantation und Pneumologie

Zentrum Innere Medizin

Universitätsklinik Hamburg Eppendorf Martinistraße 52

20246 Hamburg

E-Mail: c.bokemeyer@uke.uni-hamburg.de

In der Serie zum Hodentumor sind bisher erschienen:

Diagnostik des Hodentumors Winter E et al.

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 3021–3025 [Heft 44]

Präkanzerose der Hodentumoren: Testikuläre in- traepitheliale Neoplasie

Dieckmann, KP et al.

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 3106–3109 [Heft 45]

Behandlung von nicht und mäßig metastasierten Hodentumoren

Krege, S et al.

Dtsch Arztebl 2005; 102: A 3191–3194 [Heft 46]

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Für die zurückliegenden Fortbildungsbeiträge können die erworbenen Punkte nicht mehr nachgetragen werden.. Das Deut- sche Ärzteblatt dokumentiert aber auch weiterhin die

In Heft 46 empfehlen die Verfasser eine nervenerhaltende re- troperitoneale Lymphadenektomie, mit dem Risiko eines Ejakulationsverlustes, wenn wegen fehlender Compliance eine

„Hausärzte&#34; ein Gegengewicht zu den berufspolitischen Aktivitäten des BPA Verband Deutscher Haus- ärzte (früher: Berufsverband der Praktischen Ärzte und Ärzte für

Diese Be- funde können durch eine Ernährungs- umstellung, Sport und auch medika- mentös beeinflusst werden.Alle Patien- ten sollten angehalten werden, nach der Therapie

Behandlungsalgorithmus nach Orchiektomie unter Berücksichtigung der Risikofaktoren bei Patienten mit einem Nichtseminom im klinischen Stadi- um I (CSI); RLA,

Loy V, Dieckmann K-P: Carcinoma in situ of the testis: In- tratubular germ cell neoplasia or testicular intraepithe- lial neoplasia. Hum Pathol 1990;

Richards DA, Kindler HL, Oettle H et al.: A randomized phase III study comparing gemcitabine + pemetrexed versus gemcitabine in patients with locally advanced and metastatic

Von den insgesamt 2430 eingeleiteten Ermittlungs- verfahren betrafen 11,11 Prozent Ärzte, 3,58 Prozent Apotheker, 1,85 Prozent Zahnärzte, 17,28 Prozent Arzt- und Apothekenhelfer,