DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
NOTIZ
Warum die hormonalen Kontrazeptiva
in Asien anders wirken als in Europa
Der Bericht von Hoppe 1985 (6)") ist ein guter Anlaß zum Nachden- ken, weil die hormonalen Kontra- zeptiva weder voll zuverlässig noch harmlos sind, wie das vor zwei Jahrzehnten (9), aber auch heute von manchen Autoren be- hauptet wird. Deshalb beschäfti- gen die Probleme mit den hormo- nalen Kontrazeptiva aus zwei Gründen auch die Nervenärzte:
1. wegen der Rolle des adrener- gen/cholinergen Systems bei der Schwangerschaftsverhütung und 2. wegen der Versagerquote, die nicht nur bei den Pharmaka (zum Beispiel Phenytoin) zu suchen ist.
Es ist bekannt, daß die sogenann- ten Kriegsamenorrhoen sich auf der Basis von einem ständigen Angst-(Streß), durch Unterdrük- kung der Ovarialfunktion über die Aktivierung des sympathischen (adrenergischen) Nervensystems entwickelten (14). Dabei geht die Eireifungsphase mit einem Vagus- (cholinergischen) Tonus einher (1, 4). Die Cholinergika (Acetylcholin, Neostigmin u. a.) vermögen die Ovarialfunktion zu aktivieren, während das Adrenergikum (Adre- nalin) einen hemmenden Effekt ausübt (11). Das bedeutet, daß die Hemmung der Follikelreifung durch eine adrenergische (Sympa- thikus)-Hyperaktivität zustande kommt, was einem Streßmecha- nismus gleichzusetzen ist (7).
Eine Hyperprolaktinämie kann auch durch Streß entstehen (3, 13), aber orale Kontrazeptiva füh- ren ebenfalls zu Hyperprolaktinä- mien. Das alles ist eine Bestäti- gung dafür, daß die Wirkung der hormonalen Kontrazeptiva nach dem Prinzip eines pharmakolo- gisch bedingten chronischen Streßmechanismus aufgebaut ist.
*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis des Sonderdrucks.
Die Berichte in der Literatur über die Wechselwirkungen von Phar- maka (mancher Antibiotika), Elek- trolyten und Vitaminen zu den hor- monalen Kontrazeptiva geben uns zu verstehen, daß auf pharmakolo- gische, aber auch durch verschie- dene Ernährungsweisen eine Fol- likelreifung nicht nur verhindert, sondern auch gefördert werden kann.
Bis jetzt ist kaum bekannt, daß ei- ne Sympathikus-Hyperaktivität ein alkalisches (adrenergisches) Mi- lieu verursacht, was mit großer Wahrscheinlichkeit auch bei der Einnahme von hormonalen Kon- trazeptiva der Fall zu sein scheint.
Andererseits ist bei einer Vagus- Hyperaktivität ein saures Milieu vorhanden (2), das eine choliner- gische Wirkung hat, die eine Folli- kelreifung fördert.
Unter der Einnahme von hormona- len Kontrazeptiva ist bei der Blutgasanalyse festgestellt wor- den, daß ein niedriger Mittelwert der CO 2 Konzentration von einem hohen Mittelwert des Basenüber- schusses begleitet wird (8). Wie die Elektrolyte Natrium und Kalzi- um als Basen antagonistisch zur sauren Wirkung von Kalium und Magnesium stehen, verhalten sich auch die Vitamine antagonistisch in zwei Gruppen: die Vitamine A und D alkalisch und die Vitamine B, C und E sauer. Deswegen steigt unter der Einnahme von hormona- len Kontrazeptiva der Plasmaspie- gel von Vitamin A, und derjenige der Vitamine B6, 13 12 und C sinkt ab (5, 10). Es ist längst bekannt, daß die Aufrechterhaltung unserer Ho- möostase von dem alkalischen (adrenergischen) und sauren (cholinergischen) Gleichgewicht abhängig ist. Es ist bewiesen, daß Cholinergika ein saures Milieu för- dern (2).
Die Lebensmittelindustrie in den westlichen Ländern hat unsere Er- nährung in alkalischer (adrener- gischer) Richtung durch Entzug und Zugaben von Substanzen auf folgende Weise sehr stark beein- flußt:
1. Durch einen aus den Getreide- arten, Reis und zuckerfördernden Pflanzen permanenten Entzug von Kalium, Magnesium, Vitamin B, Vitamin C, Vitamin E und andere, in Form von sogenannten Ballast- stoffen.
2. Durch Zugaben von chemi- schen Substanzen in den Nah- rungsmitteln, als Konservierungs- stoffe zur Verbesserung der Halt- barkeit, als Korrigentien zur Errei- chung sehr kurzer Garprozesse beim Kochen, als Nahrungsfarb- stoffe und andere.
Ein alkalisches Milieu verdichtet auf Dauer die Körpersäfte bis zur Bildung von Thrombosen, Körper- steinen und Obstipationen. Bei den Völkern in Asien aber, die sich auf natürliche Weise ernähren, wie es vor hundert Jahren bei uns der Fall war, führt eine solche Kost zu einem sauren Milieu, welches alle körperlichen Funktionen positiv beeinflußt. Deswegen wurden in Asien viel seltener Thrombosen, Embolien und Hypercholesterin- ämien beobachtet (6), als dies in Europa der Fall ist.
Es ist zu vermuten, daß in den Er- nährungsgewohnheiten von Asia- ten und Europäern „das große Geheimnis" steckt, warum die gleichen hormonalen Kontrazepti- va bei den Asiatinnen ihre Wir- kung versagen. Der Grund dafür ist, daß die natürliche Ernährung, die für ein saures Körpermilieu sorgt, die alkalische Wirkung der Pille neutralisiert. Über die Beein- flussung von Pharmaka durch die Ernährung wurde zum ersten Mal in diesem Blatt (1985) berichtet (12).
Literatur im Sonderdruck, zu beziehen über den Verfasser Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Stojan Ikonomoff Nervenarzt und Oberarzt am Niedersächsischen Psychiatrischen
Landeskrankenhaus Wehnen Hermann-Ehlers-Straße 7 2903 Bad Zwischenahn
Ausgabe A 83. Jahrgang Heft 11 vom 12. März 1986 (61) 699