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Archiv "Die ersten Krankenhäuser der Welt: Sanitätsdienst des Römischen Reiches schuf erstmals professionelle medizinische Versorgung" (03.10.2003)

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A2592 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 403. Oktober 2003

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ie Medien berichten immer wie- der intensiv über Kriege und daraus resultierende Verletzte.

So selbstverständlich heute die Ver- sorgung von verwundeten Soldaten in militärischen Krankenhäusern zu sein scheint, so musste doch auch diese In- stitution erst erfunden werden, und das geschah ziemlich genau vor 2 000 Jahren durch Angehörige der römi- schen Armee. Diese Erfindung wurde im Rahmen des erstmaligen Aufbaus einer militärischen Sanitätsorganisati- on, die in die römischen Streitkräfte integriert war, umgesetzt.

Von derartigen Vorgängen kann man durch archäologische Ausgra- bungen, Inschriften und literarische Abhandlungen erfahren, wobei die beiden erstgenannten Quellengattun- gen am meisten und am deutlichsten berichten. Eine Inschrift aus dem späteren zweiten Jahrhundert nach Christus, die auf einem Weihealtar ein- gemeißelt war, lautet, aus dem Lateini- schen übersetzt, folgendermaßen (Ab- bildung 1):

„Dem besten und größten Jupiter, dem Apollon und dem Aesculap, der Salus, der Fortuna sei (dieser Altar) geheiligt! Für die Gesundheit des Lu- cius Petronius Florentinus, des Kom- mandeurs der cohors IIII Aquitan- orum equitata civium Romanorum, hat Marcus Rubrius Zosimus, der Arzt der oben genannten Kohorte, der in Ostia beheimatet ist, sein Gelübde be- reitwillig, freudig und entsprechend dem Verdienst (der Götter) einge- löst.“

Der Militärarzt Marcus Rubrius Zosimus stellte also diesen Weiheal- tar, der an den Seiten mit Reliefs ge- schmückt war, beim Kastell Obern- burg auf, das am Main oberhalb von Aschaffenburg gelegen ist. Anlass der Weihung war die Erkrankung des Ko- hortenkommandeurs, für dessen Ge- sundung Zosimus zur Unterstützung seiner ärztlichen Kunst noch fünf

Gottheiten anrief, die in der römi- schen Welt auch als heilbringend ange- sehen wurden, nämlich Jupiter, Apol- lo, Aesculap, Salus (Personifizierung des Heils) sowie Fortuna (Personifi- zierung des Schicksals). Zosimus hatte es aus Ostia, dem Hafen der damali- gen Hauptstadt der Welt, an den fer- nen Limes am Main verschlagen, wo er als römischer Bürger in einer etwa 500 Mann starken Hilfstruppe diente, die aus Nichtbürgern (peregrini) bestand.

Die Schaffung des

römischen Sanitätsdienstes

Dafür, dass Ärzte den Soldaten in größerer Zahl zur Verfügung standen, hatte zum ersten Mal Augustus (63 vor bis 14 nach Christus) gesorgt, der seit 27 vor Christus Kaiser war. Er hatte den Sanitätsdienst geradezu aus dem Nichts geschaffen, indem er Ärzte für die Truppe anwarb und erstmals einen neuen Gebäudetyp in den Lagern ein- richten ließ, nämlich Krankenhäuser.

Die ersten

Krankenhäuser der Welt

Sanitätsdienst des Römischen Reiches schuf erstmals professionelle medizinische Versorgung

Zusammenfassung

Vor etwa 2 000 Jahren wurde die Institution

„Krankenhaus“ erfunden: Im Rahmen der Um- wandlung der römischen Armee vom Bewe- gungsheer zum Besatzungsheer schufen römi- sche Offiziere unter Kaiser Augustus (63 vor bis 14 nach Christus) in den großen Standlagern ei- nen neuen Gebäudetyp, das Valetudinarium (Lazarett), in dem es vom Operationssaal bis zum Krankenzimmer alles gab, was für die Be- handlung eines Patienten damals benötigt wur- de. Die römischen Soldaten konnten dadurch die Gewissheit haben, im unwirtlichen Germa- nien oder fern am Euphrat, eine gute und nach- haltige medizinische Versorgung zu erhalten.

Dies sollte auch ihre Einsatzfreude stärken.

Kenntnisse über diese Einrichtungen stammen vornehmlich aus Inschriften und archäologi- schen Ausgrabungen. Im Gegensatz zu den mit- telalterlichen Spitälern, in denen Arme, Schwa-

che und Kranke fürsorglich betreut wurden, wa- ren die römischen Krankenhäuser ausschließlich für die heilungsorientierte stationäre Therapie eingerichtet und dienten gleichzeitig der Aus- bildung von Ärzten und Pflegepersonal.

Schlüsselwörter: Krankenhausgeschichte, Me- dizingeschichte, ärztliche Ausbildung, Sanitäts- dienst, Militärarzt, Römisches Reich

Summary

The First Hospitals of the World

The hospital as institution was invented about 2 000 years ago, in the era of emperor Augustus (63 B.C. to 14 A.D.). It emerged in the context of the transformation of the Roman army from mobile troops to an army of occupation. Roman officers created a new type of building, the valetudinari- um (military hospital) which was integrated

within large permanent headquarters. Hence, any service a patient might have required – from an operating theatre to a sickroom – was avail- able under one roof. This type of infrastructure provided Roman soldiers with adequate and continuous medical care, be it in inhospitable Teutonic territories or as far as the Euphrates river. The new institution thus also encouraged soldiers' readiness to act. As far as sources are concerned, our knowledge mainly derives from archaeological excavations and inscriptions. As opposed to medieval hospitals which devotedly supplied healthcare for the poor, the weak and the sick, Roman hospitals were exclusively organized with the aim of providing curative, sta- tionary therapy and simultaneously furthering the education of physicians and nursing staff.

Key words: history of medical institution, his- tory of medicine, medical education, medical service, army doctor, Roman empire

Institut für Geschichte der Medizin und Medizinische Soziologie (Direktorin: Prof. Dr. phil. Dr. med. habil. Juliane C. Wilmanns) der Technischen Universität München

Juliane C. Wilmanns

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Diese zivilisatorische Leistung ist vor dem politischen Hintergrund zu se- hen, dass die römische Republik in op- ferreichen Bürgerkriegen ihr blutiges Ende gefunden hatte und mit der so genannten Pax Augusta stabile und friedliche Verhältnisse eingekehrt wa- ren. Deshalb musste Augustus mit der Gesundheit und dem Leben seiner Soldaten schonend umgehen, um die Lasten der Rekrutierung für die Streitkräfte, die nunmehr aus Berufs- soldaten bestanden, gering zu halten.

Die Lösung des Problems war grundlegend und konsequent: Da die Truppen größtenteils fern von Städten stationiert waren, mussten die erfor- derlichen Ärzte dauerhaft in die Trup- pe integriert werden, und weil die Ver- sorgung der Kranken angesichts der äußerst beengten Wohnverhältnisse in den Mannschaftsunterkünften in ei- nem eigens dazu errichteten Gebäude erfolgreicher war, erfand man das Krankenhaus (lateinisch: valetudina- rium), das es während der Kaiserzeit in beinahe jedem größeren Truppenla- ger gab (Abbildung 2). Das war nicht uneigennützig, weil eine kompetente ärztliche Behandlung die verwunde- ten und kranken Soldaten schneller wieder einsatzfähig machte und weil zudem die Zuversicht, dass gravieren- de Verletzungen und Erkrankungen in diesen Valetudinarien verlässlich ver- sorgt wurden, die Einsatzbereitschaft der Soldaten, ihre Zuverlässigkeit und die Bandbreite ihrer Einsatzmöglich- keiten erhöht haben dürfte.

Aufgaben der Soldaten

Da die römischen Soldaten während der überwiegend friedlichen frühen und hohen Kaiserzeit (erstes bis Anfang drittes Jahrhundert nach Christus) nur relativ selten in größere Feldschlachten verwickelt waren, wurden sie von den Kaisern zu sehr vielfältigen, vor allem auch vielen nichtkriegerischen Auf- gaben eingesetzt. Deshalb kamen sie beispielsweise weitaus häufiger bei Ex- erzier- und Manöverunfällen zu Scha- den oder erlitten Verwundungen bei der Wahrnehmung von „Polizeidiensten“

innerhalb des Reiches oder bei Pa- trouillen jenseits des Limes im Barba-

renland. Die Soldaten wurden auch zu zahlreichen Sonderverwendungen ein- gesetzt, wie etwa zum Straßenbau oder zur Arbeit in Steinbrüchen, zur Holz- kohlegewinnung oder Kalkbrennerei oder zum Einfangen von wilden Tieren für die zahlreichen Amphitheater oder zu besonderen handwerklichen Tätig- keiten, beispielsweise Schmiedearbei- ten und Waffenherstellung. Dabei auf- tretende Arbeitsunfälle waren wahr-

scheinlich die häufigste Verletzungsur- sache. Schließlich hatten die Ärzte im Lager noch das weite Spektrum der- jenigen Erkrankungen zu behandeln, mit denen auch ein ziviler Arzt kon- frontiert wurde, abgesehen von Kin- der-, Frauen- und Altersleiden. Dabei muss man berücksichtigen, dass die Sol- daten Roms, in der Regel 20- bis 50- jährige Männer, schon bei der Rekru- tierung auf einen guten Gesundheitszu-

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Abbildung 1: Altar mit Reliefs der Fortuna und des Neptun an den Seiten, den der Arzt Marcus Ru- brius Zosimus für die Gesundheit seines Kohortenkommandeurs geweiht hat. Inschrift: I(ovi) O(ptimo) M(aximo), / Appollini et Aes/culapio, Saluti, / Fortunae, sacr(um) / pro salute L(ucii) Pe/tro- ni(i) Florenti/ni, praef(ecti) coh(ortis) IIII / Aq(uitanorum) eq(uitatae) c(ivium) R(omanorum), M(ar- cus) Ru/brius Zosimus, / medicus coh(ortis) s(upra)s(criptae), / domu Ostia / v(otum) s(olvit) l(ibens) l(aetus) m(erito). (2. Jh. n. Chr.; Museen der Stadt Aschaffenburg, Inventar-Nr. 185)

Abbildung 2: Grundriss des Legions- lagers von Novaesium/Neuss (nach H. von Petrikovits: Die Innenbauten römischer Legionslager während der Prinzipatszeit. Opladen 1975, Tafel 6.

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stand ärztlich überprüft worden waren, eine dreimonatige Probezeit durchlau- fen mussten und für ihren täglichen Dienst bestens trainiert und ausgewo- gen ernährt wurden. Die Tätigkeit eines Militärarztes unterschied sich mithin von der seines zivilen Kollegen nicht wesentlich, auch wenn naturgemäß die chirurgischen Behandlungen von Wun- den einen besonderen Schwerpunkt bil- deten. Da erst mit der Entwicklung von Feuerwaffen im späten Mittelalter eine eigene Kriegschirurgie entstand, konn- te ein römischer Militärarzt im Wesent- lichen dieselbe Tätigkeit ausüben wie ein ziviler Arzt.

Ausbildung und Anwerbung der Ärzte

Spätestens seit dem fünften Jahrhun- dert vor Christus erfolgte im griechi- schen Kulturbereich die Ausbildung zum Arzt in einem Meister-Lehrlings- Verhältnis: Nach Abschluss einer Grundausbildung in Lesen, Schreiben, Rechnen, Grammatik begab sich ein junger Mann mit etwa 15 Jahren zu ei- nem erfahrenen Arzt – oftmals seinem Vater – in die Lehre, die in der Regel fünf bis sechs Jahre dauerte; von famili- enfremden Adepten musste die Ausbil- dung bezahlt werden. Als dann im er- sten Jahrhundert vor Christus die grie- chische Medizin in Rom Fuß gefasst hatte, wurde auch deren Ausbildungs- weise übernommen. Da es keine staat- lichen Ausbildungsstätten und erst recht keine staatlichen Prüfungen und Approbationen gab, bestimmte der Meister das Ende des Lehrverhältnis- ses. Die berufliche Qualifikation eines jungen Arztes wurde im zivilen wie im militärischen Bereich nach dem Anse- hen seines Lehrers, nach den von ihm schon erzielten Erfolgen und entspre- chend persönlicher Empfehlungen, die in der römischen Welt generell eine ho- he Bedeutung besaßen, beurteilt. Wie für den zivilen Bereich sind auch für das Militär ärztliche Spezialisierungen überliefert, wie beispielsweise zum Au- genarzt (medicus ocularius) oder zum Chirurgen (medicus chirurgus).

Da der Begriff „Ärzteschwemme“

in der Antike noch unbekannt war, be- stand für einen jungen Arzt wenig wirt-

schaftliche Veranlassung, im rauhen Norden oder im fernen Osten Soldaten heilen zu wollen. Augustus musste des- halb Anreize schaffen: So konnten Sol- daten, die üblicherweise im Alter von 20 Jahren rekrutiert wurden, bezie- hungsweise sich freiwillig meldeten, auch in der Truppe bei einem erfahre- nen Militärarzt eine ärztliche Ausbil- dung erhalten, die wie in einem zivilen Meister-Lehrlings-Ausbildungsverhält- nis ebenfalls etwa fünf bis sechs Jahre dauerte. Das gewährte dem Berufssol- daten eine attraktive Aufstiegschance und ersparte ihm zudem das Ausbil- dungsgeld für einen „Meister“, das er in einer zivilen Ausbildung, wenn diese nicht bei seinem Vater stattfand, hätte zahlen müssen. Weiterhin gab es seit dem ersten Jahrhundert nach Christus eine militärärztliche Laufbahn mit Aufstiegschancen, die auch bereits aus- gebildete junge Ärzte anlockte: Alle Ärzte waren Gefreite (immunes), das heißt von schweren körperlichen Ar- beiten wie Steineklopfen oder Bauar- beiten befreit. Sie konnten ferner über die Stufe des eineinhalbfachen Soldes (sesquiplicarius) und des doppelten Soldes (duplicarius) bis zum medicus ordinarius aufsteigen, der mit dem Rang und Sold von Centurionen, – was heute den Stabsoffizieren vergleichbar ist – ausgestattet war und somit ge- genüber dem einfachen Soldaten den zehnfachen Sold erhielt. Eine derarti- ge Fachlaufbahn ist im römischen Heer nur für Ärzte bekannt; bei Feldmes- sern kann aufgrund der Quellenlage Ähnliches bisher lediglich vermutet werden.

Schließlich konnten auch zivile Ärz- te als Vertragsärzte angeworben wer- den, die nicht, wie die normalen Be- rufssoldaten, wenigstens 20 bis 26 Jah- re (je nach Truppengattung) zu dienen hatten, sondern ihre Vertragszeit in der Truppe nach eigenem Wunsch bestim- men konnten, weil sie nicht im strikten rechtlichen Sinne Berufssoldaten wer- den mussten. Daher waren diese Ver- tragsärzte auch frei von den typischen Restriktionen, denen Soldaten unter- lagen, wie beispielsweise dem Ehever- bot vor Ablauf der Mindestdienstzeit.

Die römischen Militärärzte konnten also für sich nicht nur den Vorteil eines flexibleren Berufsweges wahrnehmen,

sondern ihren erlernten Beruf auch nach der Rückkehr ins Zivilleben aus- üben. Das war geradezu lebensnot- wendig, weil es ja in der Antike keine staatliche Altersversorgung gab und die Abfindung, die nur Veteranen der Legionen, der Prätorianergarde und ähnlicher Einheiten bekamen, nicht für einen langen Lebensabend reichte.

Marcus Ulpius Telesporus beispiels- weise, der zunächst in Obergermanien Arzt der ala Indiana Gallorum und dann medicus der ala III Asturum in Mauretanien (Marokko) war, bekam als Auxiliarveteran keine Abfindung;

er hatte jedoch die Möglichkeit ge- nutzt, nach seiner Entlassung aus dem Militär als Stadtarzt in Ferentium (bei Viterbo in Südetrurien) seinen Le- bensunterhalt zu verdienen. Selbstver- ständlich konnten Militärärzte auch weit über ihre normale Dienstzeit hin- aus bei der Truppe bleiben, wie etwa Gaius Papirius Aelianus, der im hohen Alter von über 85 Jahren in Lambaesis (Algerien) offensichtlich als medicus ordinarius legionis III Augustae starb;

von einer vorherigen Entlassung lässt die entsprechende Grabinschrift nichts verlauten.

Anzahl der Ärzte

Die Zahl der Ärzte, die für den Sa- nitätsdienst im Römischen Reich zu einem bestimmten Zeitpunkt erfor- derlich und tätig waren, lässt sich nur ungefähr angeben. Für das kaiserzeit- liche Heer, das um die Mitte des zwei- ten Jahrhunderts nach Christus etwa 400 000 Mann umfasste, schätzt man die Gesamtzahl auf circa 500 bis 600 medici. Legionen mit ihren je etwa 6 400 Soldaten benötigten wenigstens sechs Ärzte. Auxiliareinheiten (Alen und Kohorten) zu 500 oder 1 000 Mann hatten regelmäßig nur einen Arzt und bei den Flotten, die in der Rangord- nung und somit in Ansehen und Ver- sorgung niedriger gestellt waren, stand für mehrere Schiffe nur ein Arzt zur Verfügung. Man darf annehmen, dass in den Legions- und Auxiliarlagern re- gelmäßig ein Valetudinarium einge- richtet war, in dem die Ärzte und Sa- nitäter üblicherweise ihren Dienst ver-

sahen.

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Valetudinarien

Die Valetudinarien (Lazarette) sind konkret durch Ausgrabungen bekannt und finden außerdem gelegentlich in der schriftlichen Überlieferung, insbe- sondere in Inschriften, Erwähnung.

Das derzeit älteste bekannte Valetudi- narium befand sich in der Zeit von sie- ben oder fünf vor Christus bis neun nach Christus in Haltern in Westfalen.

Die Valetudinarien hatten schon in Augusteischer Zeit eine besondere Bauform erhalten: Häufig lagen sie nicht in der Nähe der Lagermauer, sondern weiter im Inneren (Abbil- dung 2). In dem Legionslager von Neuss befand sich beispielsweise das Lazarett nahe dem Palast des Kom- mandeurs (praetorium) und des Hauptquartiers (principia).

Anhand des Grundrisses (Abbil- dung 3 a) und der Rekonstruktions- zeichnung (Abbildung 3 b) kann man sich beispielhaft ein Valetudinarium vorstellen: An der Eingangsseite be- fand sich ein Säulengang (Abbildung 3 a, Nr. 1). Man gelangte durch den Vor- raum (Nr. 2) zuerst in einen großen Saal (Nr. 3), der wohl vor allem für die ambulante Behandlung gedient haben dürfte. Von diesem Saal aus betrat man einerseits die Behandlungsräume (Nr. 4), andererseits einen langen Kor- ridor (Nr. 6), auf dessen beiden Seiten die Krankenzimmer regelmäßig zu Gruppen von drei Räumen angelegt waren: Zwei Krankenzimmer (Nr. 9) verfügten über einen gemeinsamen Vorraum (Nr. 8) und waren von einem kleinen Korridor (Nr. 7) aus zugäng- lich. In jedem Krankenzimmer, das in der Regel mindestens 15 qm groß war, war Platz für bis zu vier Betten. Aus dem archäologischen Befund aus Neuss werden bei Nr. 10 ein Abort, bei Nr. 11 ein Leichenraum und bei Nr. 12 eine Küche vermutet. Im großen, von einem Peristyl umgebenen Innenhof (Nr. 5) befand sich ein hortus medico- botanicus, in dem Heilmittelpflanzen gezogen wurden. In den Legionslagern kann man bei optimaler Raumnutzung etwa mit 250 bis 300 Krankenbetten rechnen, was rund vier bis fünf Pro- zent der gesamten Mannschaft einer Legion die ärztliche und pflegerische Versorgung garantierte.

In den Auxiliarlagern waren die Va- letudinarien mit circa 40 bis 50 Betten natürlich kleiner und ihre Bauformen variierten entsprechend. Für die medi- zinische Versorgung der Flotten sind hingegen Valetudinarien nicht be- zeugt; bekannt ist lediglich aus einer Textstelle, dass in Ägypten kranke Matrosen auf ihrem Schiff behandelt wurden, wo sie auch schliefen.

Im Valetudinarium und außerhalb des Lagers wurden die Ärzte durch pflegerisches Hilfspersonal unterstützt.

Die wichtigsten waren die capsarii, die

Sanitätsgefreiten. Ihre Bezeichnung lei- tet sich von der capsa her, einer festen Schachtel, in der sie das Verbandmateri- al bei sich trugen; im täglichen Dienst waren sie pflegerisch tätig. Dem inne- ren Dienst des Valetudinariums einer Legion, in dem etwa 20 bis 30 capsarii beschäftigt waren, stand ein Sanitäts- feldwebel (optio valetudinarii) vor. In den erheblich kleineren Valetudinarien der Auxiliareinheiten war ein solcher optio nicht erforderlich und die Anzahl der capsarii wesentlich geringer. In Nordafrika gab es noch eine besondere Gruppe von Hilfspersonal, die marsi,

die in der Tradition des libyschen Stam- mes der Psyller auf die Behandlung von Schlangen- und Skorpionbissen spezia- lisiert waren. Zwar trifft man in vielen anderen Provinzen des Römischen Rei- ches ebenfalls auf giftige Tiere, jedoch gibt es ausgewiesene Experten für die Behandlung von deren Bissen erstaun- licherweise nur in Nordafrika.

Schließlich erfährt man aus einer In- schrift aus dem zweiten oder frühen dritten Jahrhundert nach Christus, dass die Betreuung der Zug- und Tragtiere, die für den Transport der Zelte und an-

derer Einrichtungen eines Valetudinari- ums während eines Feldzuges erforder- lich waren, in der Hand von Spezialisten lag, den pecuarii (Viehspezialisten). Mit dem Abrechnungswesen der ärztlichen und pflegerischen Versorgung war ein Buchhalter (librarius) befasst, der dem Lagerkommandanten, dem praefectus castrorum, für den Kostennachweis des Lazaretts bis hin zur Abrechnung der Diät verantwortlich war. Insgesamt war also der Betrieb eines Valetudinariums, wie überhaupt das römische Militärsa- nitätswesen, sehr gut durchorganisiert und wurde zudem bei den Legionen A

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Abbildung 3: a) Grundriss des Valetudinariums des Legionslagers Novaesium/Neuss. b) Re- konstruktion aus dem Grundriss. 1 Porticus, 2 Eingangstür, 3 Quersaal, 4 Behandlungszim- mer, 5 Innenhof mit Peristyl, 6 U-förmiger Mittelgang, 7 Korridor, 8 Vorraum, 9 Krankenzim- mer, 10 Abort, 11 Leichenraum (vermutet), 12 Küche (vermutet), befundmäßig gesichert,

== ergänzt.

a b

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Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 403. Oktober 2003 AA2597 durch den Lagerkommandanten, den

bereits erwähnten praefectus castrorum, durch den Legionskommandeur (lega- tus legionis) und durch den Statthal- ter (legatus Augusti pro praetore) regel- mäßig kontrolliert.

Resümee

Der römische Militärsanitätsdienst stellte zweifellos eine leistungsfähige Organisation dar, die die Truppenver- bände insbesondere an den viele tau- send Kilometer langen Grenzen des Römischen Reiches mit den Errungen- schaften der griechisch-römischen wis- senschaftlichen Medizin versorgte, da- durch deren rationale Denkweise den Mittel- und auch Unterschichten nahe brachte und somit zur Verbreitung des hohen kulturellen Entwicklungsstandes der antiken Mittelmeerwelt beitrug.

Als wichtigste Errungenschaft bleibt allerdings, dass im Sanitätsdienst des Imperium Romanum mit dem Valetudi- narium die Idee des Krankenhauses als einer ständig von Ärzten betreuten In- stitution in einem eigens dafür konzi- pierten und errichteten Gebäude gebo- ren wurde, das ausschließlich für eine

heilungsorientierte stationäre Therapie für viele Kranke eingerichtet worden war. Soldaten, deren Gesundheitszu- stand nach einiger Zeit als unheilbar prognostiziert wurde oder die als an- derweitig dienstunfähig galten, wurden aus dem Militärdienst als so genannte causarii ehrenvoll entlassen. Die römi- schen Militärkrankenhäuser dienten außerdem der Ausbildung von jungen Militärärzten und Pflegern. Diese Vale- tudinarien, die vielerorts und bis in das vierte Jahrhundert hinein erfolgreich wirkten, haben als die ersten bekannten Krankenhäuser im heutigen Sinne zu gelten, die – abgesehen von islamischen Heilanstalten – im Abendland erst ab dem 18. Jahrhundert wieder kontinuier- lich auftreten. Denn die christlichen Spitäler des Mittelalters bis hin zur früheren Neuzeit verfolgten bekannt- lich andere Intentionen, wie vor allem die Fürsorge für Arme, Schwache und Kranke. Der Schritt zur Öffnung des Krankenhauses auch für die allgemeine zivile Bevölkerung bedeutete gegen- über dessen Erfindung keine entschei- dende Neuerung: Das Krankenhaus kann somit als eine der großen zivilisa- torischen Leistungen des Römischen Sanitätsdienstes gelten.

Manuskript eingereicht: 9. 4. 2003, revidierte Fassung angenommen: 24. 6. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100: A 2592–2597 [Heft 40]

Literatur

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Anschrift der Verfasserin:

Prof. Dr. phil. Dr. med. habil. Juliane C. Wilmanns Institut für Geschichte der Medizin

und Medizinische Soziologie Technische Universität München Klinikum rechts der Isar

Ismaningerstraße 22, 81675 München

In letzter Zeit ist vermehrt über die Anwendung eines transjugulären intra- hepatischen portosystemischen Shunts (TIPS) zur Behandlung des therapiere- fraktären Aszites berichtet worden.

Die amerikanischen Autoren führten eine prospektive randomisierte Multi- centerstudie an 109 Patienten mit refrak- tärem Aszites durch, die entweder medi- kamentös (Natriumrestriktion, Diureti- ka, totale Parazentese) oder zusätzlich mit TIPS versorgt wurden. Dies war bei 49 von 52 Patienten technisch möglich.

Dabei erwies sich die Kombination von konservativen Maßnahmen mit einem transjugulären intrahepatischen portosy- stemischen Shunt der reinen medika-

mentösen Therapie als überlegen, was die Verhinderung eines Aszitesrezidivs anlangte (p < 0,001).Die Überlebensrate, die Zahl der Hospitalisationen und die Verbesserung der Lebensqualität war je- doch zwischen beiden Therapiemodalitä- ten nicht unterschiedlich. In der TIPS- Gruppe war die Zahl der Patienten mit einer mäßigen bis schweren Enzepha- lopathie deutlich höher. w Sanyal A J, Genning C, Reddy K R et al.:The North American study for the treatment of refractory ascites. Gastroentero- logy 2003; 124: 634–641.

Dr. Arun J. Sanyal, MCV Station 980711, Medical College of Virgina, Richmond, Virginia 23298-0711, USA. E-Mail:

ajsanyal@hsc.vcu.edu

Diskussionsbeiträge

Zuschriften zu Beiträgen im medizinisch-wis- senschaftlichen Teil – ausgenommen Editori- als, Kongressberichte und Zeitschriftenrefera- te – können grundsätzlich in der Rubrik „Dis- kussion“ zusammen mit einem dem Autor zu- stehenden Schlusswort veröffentlicht werden, wenn sie innerhalb vier Wochen nach Erschei- nen der betreffenden Publikation bei der me- dizinisch-wissenschaftlichen Redaktion einge- hen und bei einem Umfang von höchstens ei- ner Schreibmaschinenseite (30 Zeilen mit je 60 Anschlägen, Literaturverzeichnis mit bis zu vier Zitaten) wissenschaftlich begründete Er- gänzungen oder Entgegnungen enthalten. Für Leserbriefe anderer Ressorts gelten keine be- sonderen Regelungen (siehe regelmäßige Hin-

weise). DÄ/MWR

Behandlung des refraktären Aszites

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