B
ei den aktuellen Budgetver- handlungen mit den Kranken- kassen ist zu beobachten, daß die Kostenträger verstärkt über die Leistungsstruktur der Klini- ken zu einer Senkung des Budgets ge- langen wollen. Argumente sind hier- bei „Fehlbelegung“, Höhe der Fallko- sten sowie ein unabgestimmtes Lei- stungsspektrum. Wegen der anhalten- den Finanzierungsnöte der Kranken- häuser ist es nicht länger duldbar, daß Instrumente wie zum Beispiel vor- und nachstationäre Behandlung, Am- bulantes Operieren sowie eine früh- zeitige Verlegung in Nachsorgeein- richtungen nicht umfassender genutzt werden. Die Antwort der Kranken- häuser kann nur in einer konsequen- ten Neuausrichtung an diese geänder- ten Anforderungenbestehen. Das kann keine allein kauf- männische Aufga- be, sondern muß auch eine medi- zinisch-strategische
Neupositionierung sein. Das Portfolio vieler Krankenhäuser gleicht einem medizinischen „Gemischwarenla- den“. Oftmals als gutgemeintes An- gebot („Wir machen hier alles“) be- gonnen, fehlt die „Linie“ in der Ange- botspalette. Mittels diagnose- und eingriffsbezogener Analysen kann hierüber ein Überblick gewonnen werden.
Ein Rosengarten, der nicht fach- männisch gepflegt wird, verwildert nach einiger Zeit und wird keine schönen Blüten bringen. Die Kunst des Rosenzüchtens besteht darin, schwache Äste und Triebe zu stut- zen, um andere zur vollen Kraft ge- langen zu lassen. Analog hierzu muß eine Bereinigung der Angebotspalet- te in den einzelnen Fachabteilungen erfolgen, um deren gesetzte Schwer- punkte zu stärken. Denn auch in der Medizin steigt die Qualität mit der durch höhere Fallzahlen bedingten Erfahrung der Behandler. Im Neben- effekt sinken zudem die Kosten bei höheren Fallzahlen durch Standardi- sierung, Einführung von Routinen und durch Kostendegression bei besserer Kapazitätsauslastung und
„größeren Serien“.
Sind einmal die krankheitsbild- orientierten Schwerpunkte gesetzt,
wobei eine realistische Einschätzung des Umfeldes zu erfolgen hat, kann damit begonnen werden, für diese Schwerpunktfelder zusätzliche Pati- enten ins Krankenhaus zu lenken.
Hierzu gehört bei exzellenter Perfor- mance eine gute Informationspolitik unter strikter Einbeziehung der Ein- weiser. Oftmals passen Krankheitsbil- der, die im eigenen Klinikum nicht mehr behandelt werden sollen, in das Leistungsspektrum benachbarter Kli- niken. Eine entsprechende Koopera- tion und Koordination muß auf- oder ausgebaut werden. Die Kunst wird darin bestehen, bei der Umsetzung in ausgewogenen Schritten vorzugehen.
Zusammen mit der Bereinigung des Leistungsspektrums sollte damit begonnen werden, die Behandlungs- abläufe zu optimieren. Dazu werden interdisziplinär optimale Behand- lungsabläufe („clinical pathways“) definiert und etabliert. Der Einsatz intelligenter EDV-Systeme („group- ware“) führt zu einer weiteren Ver- besserung in der Ablaufoptimierung.
Frühzeitig sollte ein wesentliches Augenmerk auf der Ergebnisqualität liegen. Entscheidend sowohl für Pati- enten als auch für Kostenträger ist der medizinische „Outcome“, die Ser- vicequalität sowie die Effizienz (Ko- sten-/Nutzen-Relation). Durch Ein- satz von Behandlungsplänen und die konsequente Messung und Doku- mentation der Ergebnisse einschließ- lich Zufriedenheitsparameter kann künftig mit den Kostenträgern außer über Ökonomie zunehmend auch über Qualität diskutiert werden.
Wichtig ist, die Qualität von Be- handlungskreisen (ambulant/vorsta- tionär/stationär/nachstationär/ambu- lant) im ganzen zu betrachten. Die Verzahnung in Richtung regionaler Gesundheitsnetze mit entsprechen-
den Kooperationen wird erwartungs- gemäß einen der entscheidenden Wettbewerbsfaktoren darstellen.
Derartig optimierte Behand- lungswege können aufgrund der gu- ten Dokumentation bis zu Prozeßko- sten des Einzelfalles ökonomisch be- gleitet werden. Das Unternehmen ge- winnt so einen exakten Überblick über die wirtschaftlichen Ergebnis- se jeder Leistungssparte. Prinzipiell kann davon ausgegangen werden, daß in Abläufen und Qualität optimierte Prozesse auch ökonomisch die besten Ergebnisse zeigen.
Ein klinischer Krankenhausbe- triebsvergleich (im Sinne eines klini- schen „bench marking“) kann bei Vergleich auf Krankheitsbildebene unter Einbeziehung von Ergebnis- qualität zu erheb- lichen Optimierun- gen beitragen. Wird die gleiche Qualität im Krankenhaus A mit 25 Prozent weni- ger Ressourcen er- zielt, ist im Krankenhaus B ein Ab- gleich der Behandlungswege lohnend.
Künftig wird daher der Aufbau über- regionaler, möglicherweise interna- tionaler Kooperationen vergleichba- rer Häuser eine wichtige Manage- mentaufgabe darstellen.
Ein nach diesen Prinzipien regio- nal verankertes Klinikum mit einem klar definierten Leistungsangebot und optimierten Abläufen wird als Gesundheitsdienstleister auch künf- tig ein gesuchter Partner sein.
Notwendig ist jetzt eine zügige Bereinigung der Leistungsvielfalt. Es muß mit Sachverstand und Überblick zu Werke gegangen werden. Noch verbleibt den Kliniken eine begrenzte Zeit, diesen für viele Beteiligten si- cher schmerzhaften Restrukturie- rungsprozeß durchzuführen. Künftig muß jedoch damit gerechnet werden, daß die Kostenträger ihrerseits Berei- nigungen der Leistungsstrukturen vornehmen. Dann besteht die große Gefahr, daß auch „starke Triebe“ die- ser Beschneidung zum Opfer fallen.
Hierauf darf nicht gewartet werden.
Dr. med. Holger Thiemann, Wuppertal
Dr. med. Dietmar Herberhold, Bielefeld
A-2797
P O L I T I K KOMMENTAR
Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 43, 24. Oktober 1997 (25)