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Archiv "Anreize für eine gesundheitsbewußte Lebensweise schaffen !" (26.02.1976)

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DEUTSCHES Spektrum der Woche

ÄRZTEBLATT

Aufsätze • Notizen

FORUM:

Anreize für

eine gesundheitsbewußte Lebensweise schaffen!

THEMEN DER ZEIT:

Die Grenzen der

Behandlungspflicht in der Intensivmedizin

BRIEFE AN DIE REDAKTION

AUS DEM BUNDESTAG

BEKANNTMACHUNGEN:

Kassenärztliche Bundesvereinigung:

Beschluß und Feststellung aus der 44. Sitzung der Arbeitsgemeinschaft gern. § 19 des

Arzt-/Ersatzkassen- vertrages

Kassenarztsitze

PERSONALIA

FEUILLETON:

Kleine Migof-Analyse

Unser System der gesetzlichen Krankenversicherung basiert auf dem Solidaritätsprinzip, das heißt, die Beitragshöhe richtet sich nicht nach dem Risiko des einzelnen. Das ist sozial und gerecht, soweit es sich um unvorhersehbare, mehr oder weniger schicksalhafte Erkrankun- gen handelt. Es ist jedoch nicht einzusehen, daß dieses Prinzip auch auf mit bedingtem Vorsatz selbstverschuldete Krankheiten An- wendung findet. Es ist auf die Dau- er unzumutbar, daß zusätzliche Be- handlungskosten, die durch be- wußtes Fehlverhalten verursacht wurden, letztlich durch Mitglieder bezahlt werden, die durch gesund- heitsbewußte Lebensweise be- strebt sind, die eigene Inanspruch- nahme von Versicherungsleistun- gen auf ein Minimum zu begren- zen. Dafür einige Beispiele:

Beispiel 1:

Die Frühdiagnostik des Gebärmut- terhalskrebses wurde in den letz-

ten Jahren so vervollkommnet, daß der Tod an dieser Krebsform weit- gehend eliminiert werden könnte, wenn alle Frauen sich wirklich re- gelmäßig an den kostenlosen Vor- sorgeuntersuchungen beteiligen würden.

Durch verspätete Diagnose werden nicht nur die Heilungsaussichten stark beeinträchtigt; auch die Be- handlungskosten bei dem zum Teil monatelangen Krankenhausaufent- halt schnellen sprunghaft in die Höhe.

Dennoch ist die Beteiligung an die- sen kostenlosen Vorsorgeuntersu- chungen bekanntlich enttäuschend gering. Eine Selbstbeteiligung an diesen zusätzlichen Behandlungs- kosten, die durch versäumte Vor- sorgeuntersuchungen bewirkt wur- den, wäre m. E. nicht nur gerecht;

zusammen mit anderen organisato- rischen Maßnahmen könnte sie zur Erhöhung der Beteiligung an den Vorsorgeuntersuchungen nicht un- wesentlich beitragen.

Anreize

für eine gesundheitsbewußte Lebensweise schaffen !

Ferdinand Schmidt

Angesichts der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen wird in jüngster Zeit immer wieder pauschal gefordert, die Bevölkerung müsse kosten- wie gesundheitsbewußter werden. Der Autor schlägt nun an Hand von fünf Beispielen vor, es nicht bei Appellen zu be- lassen, sondern spürbare Anreize zu schaffen. Zumutbar? Oder zu rigoros?

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 9 vom 26. Februar 1976 585

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Spektrum der Woche Aufsätze -Notizen

Gesundheitsbewußte Lebensführung

Beispiel 2:

Übergewicht verkürzt bekanntlich die Lebenserwartung und begün- stigt zahlreiche Krankheiten. Je ausgeprägter das Übergewicht, de- sto kürzer ist die Lebenserwar- tung.

Nur ein kleiner Bruchteil der Über- gewichtigen weist endokrine Stö- rungen auf, die als krankhaft zu be- trachten sind. Das Übergewicht der großen Mehrzahl entsteht durch kalorisches Überangebot und Be- quemlichkeit. Wer lieber im Lehn- stuhl sitzt, statt sich sportlich zu betätigen, und mehr Kalorien auf- nimmt, als er verbrennt, beweist damit, daß gutes Essen und Be- quemlichkeit ihm mehr bedeuten als Gesundheit. Wer sich die Genüsse des Lebens mehr kosten läßt, als seiner Gesundheit zuträglich ist, der kann nicht erwarten, daß die Mehrkosten seiner Krankheiten von anderen bezahlt werden. Amerika- nische und deutsche Lebensversi- cherungen sind deshalb seit lan- gem dazu übergegangen, den mit bedingtem Vorsatz selbstverschul- deten Risikofaktor Übergewicht bei der Festsetzung der Beitragshöhe zu berücksichtigen.

Beispiel 3:

Noch eindeutiger sind die Verhält- nisse bei den mit bedingtem Vor- satz selbstverschuldeten Raucher- krankheiten. 140 000 Bundesbürger sterben nach offizieller Feststel- lung der Bundesregierung jährlich vorzeitig, nur weil sie rauchen. Ca.

100 000 Raucher müssen jährlich frühinvalidisiert werden. Jeder sechste Krankheitsfall wird durch Rauchen verursacht. Die dadurch bedingte Einbuße des Volksein- kommens schätzt die Bundesregie- rung pro Jahr auf 15 bis 20 Milliar- den DM — weit mehr als die Ta- baksteuer einbringt. Diese Schät- zung der Bundesregierung ist sehr vorsichtig. Nach Berechnungen der Forschungsgruppe Sicherheitsauto (Research Safety Vehicle) des Volkswagenwerkes, die auf um- fangreichen internationalen Erhe-

bungen basiert, kostet ein einziger tödlicher Verkehrsunfall die Volks- wirtschaft durchschnittlich 200 000 DM. Diese Zahl zugrunde gelegt, würden schon die 140 000 Zigaret- tentoten — ohne Berücksichtigung der Raucherkrankheiten und Früh- invaliden — eine Einbuße von 28 Milliarden DM bedeuten. Jeder Raucher weiß heute, daß das Rau- chen schädlich ist — und raucht trotzdem weiter. Auch hier ist zu fragen: Mit welcher Berechtigung kann ein Raucher, der um eines fragwürdigen Genusses willen, ohne Rücksicht auf seine eigene Gesundheit, sein Geld zum Fenster hinauswirft, erwarten, das gesund- heitsbewußte Nichtraucher aus falsch verstandener Solidarität das bewußte Fehlverhalten der Rau- cher und seine Folgen durch zu- sätzliche Aufwendungen honorie- ren?

Wenn die Krankenkassen sich schon dagegen sträuben, dem Miß- brauch der Solidarität durch Staffe- lung der Beitragssätze Einhalt zu gebieten, dann sollten sie wenig- stens ihre ganze Autorität in die Waagschale werfen, um durch ei- nen „Rehabilitationszuschlag" auf Tabakwaren und alkoholische Ge- tränke, wie er mehrfach vorge- schlagen wurde, zumindest einen Teil der Mehrkosten der Krankhei- ten durch Tabak und Alkohol wie- der hereinzuholen. Es ist ein Un- ding, daß die Zigarettenindustrie Millionen durch Krankheit und Tod ihrer Konsumenten an Gewinnen erzielt, während die dadurch verur- sachten Schäden in Milliardenhöhe von den Krankenkassen und ihren Mitgliedern aufgebracht werden müssen. Ein derartiger „Rehabili- tationszuschlag" hat alle Argumen- te auf seiner Seite: Nach dem Ver- ursacherprinzip würden diejeni- gen am stärksten betroffen, die durch erhöhten Konsum die Ge- sellschaft durch sozialschädliches Verhalten am stärksten schädigen.

Jedwede Kontrolle der Rauchge- wohnheiten wäre überflüssig. Das geheiligte Prinzip gleicher Beiträge könnte — zumindest in diesem Punkte — beibehalten werden.

Beispiel 4:

Die Krankenkassen sträuben sich bisher hartnäckig dagegen, die Ko- sten für Raucherentwöhnungsku- ren zu übernehmen. Selbst die fort- schrittlichsten unter ihnen, wie z. B. die AOK Frankfurt und Mün- chen, machen eine Kostenübernah- me davon abhängig, daß bereits eine durch Rauchen verursachte Krankheit vorliegt. Mit einer ech- ten Vorbeugung, die bekanntlich nicht nur besser, sondern auch bil- liger ist als Heilen, hat dies nichts zu tun.

Ein einziger Lungenkrebspatient kostet aber mehr als Hunderte ambulanter Raucherentwöhnungs- kuren! Jedem entwöhnungswilligen Raucher sollte deshalb auf Kosten der Krankenkassen Gelegenheit ge- geben werden, sich einer Entwöh- nungskur zu unterziehen. Jedes fi- nanzielle Risiko würde dabei gänz- lich entfallen, wenn man die Ko- stenübernahme davon abhängig macht, daß der Betreffende nach einem halben Jahr noch Nichtrau- cher ist. Sicher wäre dies auch der eigenen Willensanstrengung för- derlich.

Beispiel 5:

Rauchen ist die Hauptursache der chronischen Bronchitis und begün- stigt mindestens ein Dutzend Krankheiten. Ein Kuraufenthalt bei chronischer Bronchitis ohne die Verpflichtung, wenigstens während der Kur nicht zu rauchen bzw. sich dort einer Raucherentwöhnung zu unterziehen, ist eine sinnlose Ver- schwendung von Mitteln, die auch von nichtrauchenden Mitgliedern aufgebracht wurden.

Können wir es uns wirklich leisten, das Geld auf diese Weise aus dem Fenster hinauszuwerfen?

Anschrift des Verfassers:

Professor

Dr. med. Ferdinand Schmidt Maybachstraße 1

6800 Mannheim 1

586 Heft 9 vom 26. Februar 1976 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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