den“ entwickelt. Die Akademisierung sei sinnvoll, etwa um die Fall-, Manage- ment- und Sozialkompetenz im Ge- sundheitswesen zu erhöhen. Sie sei aber nicht mehr wie in früheren Zeiten an mehr Einkommen gekoppelt.
Kritisch betrachtet die Berufsbil- dungsforschung die Akademisierung von Gesundheitsberufen. So seien die Verbesserungsmöglichkeiten der grund- ständigen Berufsausbildung noch lange nicht ausgeschöpft, betonte Dr. Wolf- gang Becker, Bundesinstitut für Berufs- bildung. Der Qualitäts- und Qualifikati- onsvorsprung der Berufsausbildung an Fachhochschulen und Hochschulen ge- genüber der Ausbildung an Fach- und Berufsfachschulen sei nicht nachgewie- sen. Hochschulausbildung gefährde im Gegenteil das Prinzip der praxisnahen Qualifizierung. Berufliche Aufgaben zur Evaluation, Anleitung und Bera- tung, mit denen häufig die Notwendig- keit einer akademischen Berufsausbil- dung in der Pflege begründet werde, würden schon jetzt auf hohem Niveau in der grundständigen Ausbildung berücksichtigt. Der Arbeitsmarktbe- darf an akademisch qualifizierten Pfle- gekräften sei so gering, dass die Auf- wendungen den Ertrag bei weitem übertreffen. Gefragt seien vielmehr be- triebsnahe Ausbildungsgänge. Völlig un- geklärt sind nach Becker außerdem die absehbaren Verdrängungswirkun- gen akademischer Berufsabschlüsse.
Einig war man sich in der Diskussion, dass die Ablösung des historisch ge- wachsenen Berufesystems hin zu einer akademischen Qualifizierung nicht zu einer Fehlentwicklung in der direkten Patientenbeziehung führen darf. „Vor- rangig ist auch die Entwicklung koope- rativer und vernetzter Strukturen, um bereits erreichte Standards in der Ver- sorgung weiterzuentwickeln. Dies wird insbesondere angesichts der zu erwar- tenden personellen Engpässe in der medizinischen Versorgung sowohl bei Ärzten als auch bei Pflege- und Medi- zinalfachberufen in der nächsten Zu- kunft dringender denn je“, betonte Dr.
med. Ursula Auerswald, Vizepräsiden- tin der Bundesärztekammer. Die ver- besserte Kommunikation und Koope- ration zwischen den Berufsgruppen untereinander sei hierzu ein positiver Beitrag. Heike E. Krüger-Brand
P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 142. April 2004 AA903
Fortbildung
Wahrung der Objektivität
Evidenzbasierte Medizin sollte Grundlage für
zertifizierte Fortbildung sein.
W
enn sich in der Medizin alle drei Jahre das Wissen erneuert, dann verpflichtet schon die Aufnahme des Medizinstudiums zu einer lebenslan- gen Fortbildung.“ Mit diesen Worten be- grüßte Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hop- pe, Präsident der Bundesärztekammer, die Teilnehmer der Fortbildungsveran- staltung „zur Objektivität im medizini- schen Informationstransfer“ der Nord- rheinischen Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung am 22. März.Die Inhalte der Fortbildung müssten nicht nur sachlich richtig sein, sondern es müsse eine eindeutige Trennung von Information und Interpretation sowie eine Transparenz bezüglich nichtwis- senschaftlicher Interessen von Veran- staltern und Referenten verlangt wer- den, forderte Prof. Dr. med. Reinhard Griebenow, Nordrheinische Akademie für ärztliche Fort- und Weiterbildung.
Kombination nötig?
Die evidenzbasierte Medizin sei, so Prof. Dr. med. Matthias Schrappe, Mar- burg, eine Methode, die Grundlagen medizinischer Entscheidungen hinsicht- lich Patientenversorgung, Ausbildung, Forschung und Wissenschaft, strate- gischer Unternehmensentscheidungen, der Umsetzung durch Kostenträger so- wie gesundheitspolitische Thematiken explizit darzustellen und dabei die vor- handenen internen Informationen (bei- spielsweise klinische Erfahrungen) mit der besten verfügbaren externen In- formation (zum Beispiel Studien) zu kombinieren.
Schrappe vertrat die Auffassung, es sei eine wichtige Aufgabe der Ärzte- kammern, die Fortbildung der Ärzte hinsichtlich evidenzbasierter Medizin
(EbM) zu fördern, da nur wenige Uni- versitäten EbM unterrichten.
„Etwa 60 Prozent der zertifizierten Fortbildungsveranstaltungen in den Vereinigen Staaten sind von der Indu- strie gesponsert“, stellte der Vorsitzen- der der European Society of Cardiolo- gy, Prof. Dr. med. Peter Kearney, Cork, fest. Die Interessen der Industrie müss- ten klar identifizierbar sein, sonst kä- men entsprechende Beiträge für Fort- bildung nicht infrage.
Nur mit offenen Spielregeln, die von allen akzeptiert würden, könne man se- riös eine Studie vonseiten der Industrie begleiten, so Dr. rer. nat. Hans-Jürgen Ehbrecht, Aventis Pharma. Die Indu- strie begreife Studien durchaus als Teil der Wertschöpfungskette. Hatten die ACE-Hemmer im Jahre 1994 noch ei- nen geringen Marktanteil, so stieg die- ser im Jahre 1999 um 46 Prozent an, nachdem drei große Studien zu diesem Thema publiziert wurden.
Randomisierte klinische Versuche, sowie das Trainieren von und mit Ärz- ten könne zu einer Objektivität im me- dizinischen Informationstransfer bei- tragen, so Seah Nisam von Guidant.
Wie Fachzeitschriften dazu beitragen können, dass Studien ohne statistische Verzerrungen („bias“) und Einfluss- nahmen veröffentlicht werden können, zeigte Peter Backx vom Elsevier-Verlag, Amsterdam, auf. Wichtig sei ein unab- hängiges Peer-Review-Verfahren ein- schließlich eines statistischen Reviews.
Beides müsse von Experten durchge- führt werden, die nicht Teil des Redakti- onskollegiums seien. Interessenkonflik- te müssten sowohl vonseiten der Auto- ren als auch der Gutachter offen gelegt werden. Solche Konflikte seien nicht nur finanzieller Natur, sondern betref- fen auch personelle Verknüpfungen.
Bei industriegesponserten Manuskrip- ten müssten die Autoren in einer Er- klärung Auskünfte über die Rolle des Sponsors geben.
Eine zertifizierte Fortbildung mithil- fe der Print- und Online-Medien im Sinne der personengebundenen Wis- senskontrolle müsse die strengen Vor- aussetzungen der Richtlinien des Inter- national Committee of Medical Journal Editors erfüllen, die für wissenschaftli- che Publikationen gelten, resümierte schließlich Griebenow. Catrin Marx