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Archiv "Berufserfahrung durch ärztliche Entwicklungshilfe (2): „Die Leute hier sind unglücklicher“ - Zweilei am Sinn der Arbeit" (07.11.1984)

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Ärztliche Entwicklungshilfe

ben. Zumal die meisten zurückge-

kehrte Flüchtlinge sind.

~ Die Arbeit machte Spaß, weil sie vielfältig war. Wir alle mußten hier neben unserem Erlernten auch noch die Verwaltungsarbeit übernehmen und das, was sonst ein Leiter oder eine Oberin tut. So konnte man auch einmal einen Blick auf die- früher- andere Sei- te werfen.

~ Auch in Uganda gab es Zwölf- stundentage. Auch dort haben wir manchmal Tag und Nacht durch- operiert. Eine Sechs- oder Sie- bentagewache hatten wir sowie- so. Aber wir haben freier, unge- zwungener, fröhlicher, ohne künstlichen Druck, gearbeitet. Dazu kam das, was Afrika aus- macht: Eine paradiesische Land- schaft, traumhaftes Wetter und ein für uns Europäer sehr ange- nehmes Klima. Normalerweise bleibt man ein halbes Jahr. Ko- sten werden erstattet, ein Gehalt bekommt man nicht. Aber wir sind fast alle länger geblieben. Ab- schließend würde ich sagen: Fachlich und menschlich ist mein Horizont beträchtlich gewachsen.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Klaus Wahl

Weisen 6a, 5253 Lindlar/Honnerich

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

"Die Leute hier sind unglücklicher"

- Zweilei am Sinn der Arbeit

Peter Wiegand

Medizinische Erfahrungen in Deutschland sammelte ich wäh- rend meiner 15 Monate als Militär- arzt und in 17 Monaten als Chirurg.

Ich war unzufrieden mit den Le- bens- und Arbeitsbedingungen in Deutschland. Mich störten vor al- lem die zunehmende Umweltzer- störung, das uneffektive Gesund- heitswesen und die eingeschränk- ten beruflichen Möglichkeiten. Da fand ich eine Anzeige im DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATT: Ein länd- liches südafrikanisches Kranken- haus, Elim Hospital, suchte einen Arzt. Nach reiflicher Überlegung entschloß ich mich, dorthin zu ge- hen.

Elim Hospital ist das älteste Kran- kenhaus im nördlichen Teil von Südafrika. 1899 gründete es ein Schweizer Missionar. Seit 1976 ge- hört es zu dem Homeland Gazan- kulu. Das Klima ist subtropisch; heiße, regnerische Sommer wech- seln mit milden, trockenen Win- tern. Um das Krankenhaus herum erstrecken sich Flachlandschaften und Hügelland.

Die Bevölkerung, die in der Nähe des Krankenhauses lebt, besteht hauptsächlich aus Schwarzen. Es leben dort drei Stämme mit drei verschiedenen Sprachen. Weiße zieht es kaum in die Gegend, man entdeckt nur ein paar Farmer, Mis- sionare und Projektführer.lm Kran- kenhaus werden meistens Frauen, Kinder, alte Leute und Behinderte betreut. Das liegt daran, daß die Männer Wanderarbeiter sind. So stammt auch das Haupteinkom- men der Bevölkerung aus derWan- derarbeit und aus der Landwirt- schaft.

Das Krankheitsspektrum unterscheidet sich wesentlich von dem in Deutschland

Das Krankheitsspektrum unter- scheidet sich wesentlich von dem in Deutschland. Häufige Krank- heiten in der Inneren Medizin sind Malaria, Lungenentzündung, Tu- berkulose, Amöbenruhr, Typhus, Wurmerkrankungen, Bilharziose, Krätze und Pellagra. Die Kinder er- kranken meist an Magendarmka- tarrh, Fehlernährung, Masern und Wundstarrkrampf. ln der Chirur- gie werden vor allem Abszesse, Beingeschwüre, Verbrennungen, Schlangenbisse und Stichwunden behandelt. Im Bereich der Augen- heilkunde werden Krankheiten wie Trachom, Keratomalazie, Katarakt und Glaukom behandelt. Bösartige Erkrankungen findet man häufig an Brust, Gebärmutterhals, Leber, Speiseröhre und Prostata.

Im Norden Südafrikas: Patienten, die nur leicht erkrankt sind, werden in den tradi- tionellen Hütten auf dem Krankenhausgelände untergebracht Foto: Wiegand

Es ist interessant, die Veränderung des Krankheitsspektrums im Lauf der Jahre zurückzuverfolgen. Bei den Eingeborenen gab es früher keine Geschlechtskrankheiten und keine Tuberkulose. Diese Krankheiten sind wohl von den Weißen eingeschleppt worden. Auch Blinddarmentzündungen, 3322 (36) Heft 45 vom 7. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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Primärbedürfnisse

Die Ursache für viele Krankheiten in Afrika sind der Mangel an ausrei- chenden Wohnverhältnissen (oben:

Dorf), an ausreichendem und saube- rem Wasser (nebenstehend: Wasser- stelle, ganz unten: ein Fortschritt, die Wasserstelle mit Rohrzuleitung), an ausreichender Ernährung (unten: Es- sensvorbereitung) und an zweckmä- ßiger Kleidung. Hinzu kommen z. B.

mangelnde Hygiene, Energieman- gel, schlechte Verkehrsverhältnisse (Bild unten rechts). Sinnvolle, dauer- hafte medizinische Entwicklungshil- fe setzt auch voraus, daß solche Pri- märbedürfnisse befriedigt werden Fotos (5) aus Uganda: Dr. Sabine Joö

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ärztliche Entwicklungshilfe

Hernien und maligne Tumoren gab es offensichtlich nicht. Dagegen sind Pocken und Lepra ausgestor- ben oder doch zurückgegangen.

Die offizielle Sprache im Elim Hos- pital ist Englisch. Da die Patienten nur ihre Stammessprache spre- chen, übersetzt gewöhnlich eine Krankenschwester. Das Kranken- haus betreut im Durchschnitt 600 stationäre und 140 ambulante Pa- tienten pro Tag. Es gibt Abteilun- gen für Innere Medizin, Chirurgie, Kinderheilkunde, Geburtshilfe, Tu- berkulose und Augenheilkunde.

Außerdem verfügt Elim Hospital über besondere Abteilungen für Leichtkranke (wegen der Trans- portprobleme), für chronisch Kran- ke und für zahlende Patienten (Pri- vatstation).

Die Mütter der aufgenommenen Kinder und Schwangere im neun- ten Monat werden auf dem Kran- kenhausgelände untergebracht.

Neun ländliche Außenstationen sind an das Hospital angeschlos- sen. Auf einer Außenstation arbei- tet mindestens eine Kranken- schwester. Sie kümmert sich um Patienten mit Bagatell- sowie chro- nischen Krankheiten und leistet Geburtshilfe. Diese Außenstatio- nen werden regelmäßig von Ärz- ten, Schwestern und Physio- therapeuten besucht. Elim Hospi- tal übernimmt auch die ärztliche Versorgung für ein benachbartes, von der Regierung neugebautes Krankenhaus. Patienten mit Krank- heiten, die Spezialausrüstung oder Expertenwissen erfordern, kön- nen in größere Universitätskran- kenhäuser, zum Beispiel nach Pre- toria, überwiesen werden.

Vieles wird an die

Krankenschwestern delegiert

Für das Hospital sind zwölf Arzt- stellen vorgesehen. Die Ärzte wechseln, mit Ausnahme der Au- genabteilung, in allen Abteilun- gen. Alle teilen sich die Arbeit in der

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 45 vom 7. November 1984 (39) 3323

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Ärztliche Entwicklungshilfe

Ambulanz, in den Operationssälen und in den Außenstationen. Für den Nacht- und Wochenenddienst werden zwei Ärzte eingeteilt. Da viel zu tun ist, muß manche Arbeit an die Krankenschwestern dele- giert werden. Sie sind daher ver- antwortungsbewußter und selb- ständiger als in Deutschland, auch interessierter und motivierter. Ne- ben den Ärzten helfen noch einige Studenten, die wie die meisten Ärz- te aus allen möglichen Ländern, vor allem europäischen, stammen.

Seit neuestem kommen regelmä- ßig Studenten aus Johannesburg im Rahmen ihrer medizinischen Ausbildung.

In Elim Hospital wird sehr viel für die Präventivmedizin und für die Dezentralisierung der kurativen Medizin getan. Ein Projekt ist überregional bekannt geworden:

In den Dörfern werden Laiengrup- pen, genannt Care Groups, ausge- bildet. Sie werden über vorbeu- gende Maßnahmen aufgeklärt und lernen, leichte Krankheiten zu behandeln. Die Care Groups verbreiten ihr Wissen, vermischt mit Gesang, Spiel und Tanz, an die übrigen Bewohner.

Der Sonderfall Südafrika

— den Bürgerkrieg riskieren?

Sowohl das Krankheitsspektrum als auch die Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten un- terscheiden sich sehr von dem, was ich aus Deutschland gewohnt war. Von Anfang an war mir be- wußt, daß die Behandlung von

Krankheiten nicht sehr sinnvoll ist: Um Leiden zu vermindern, muß man vorbeugen, was besser, aber auch schwieriger ist. Nach zwei Jahren Arbeit auf dem Ge- biet der kurativen Medizin kon- zentrierte ich mich auf die Präven- tivmedizin. Ein vierköpfiges Ärzte- team teilte sich diese Aufgaben.

Ich kümmerte mich um Wasser- und Umweltschutz, Rauchen, Po- liomyelitis und die Schwestern-

ausbildung in der primären Ge- sundheitsversorgung.

Meine Erfahrungen: Man muß Prioritäten setzen. Die Menschen müssen motiviert werden, damit sie sich überhaupt aktiv an all den Projekten beteiligen. Außerdem ist eine Planung über Jahre, manchmal Generationen hinweg, erforderlich.

Die meisten Nichtsüdafrikaner verurteilen die Unterdrückung der Schwarzen durch die Weißen und fordern gleiche Rechte für alle.

Meiner Meinung nach wäre die Einführung gleicher Rechte aber nur mit massiver Gewalt möglich.

Es ist fraglich, ob solche Opfer wie Bürgerkrieg und Zusammen- bruch der Infrastruktur es wert sind, gleiche Rechte einzuführen;

und es ist außerdem fraglich, ob damit auch die Unterdrückung be- seitigt wäre.

Die schwarzen ländlichen Gegen- den in Südafrika, die Homelands, sind vergleichbar mit Ländern der sogenannten „Dritten Welt". Die Einflüsse der „zivilisierten" Welt auf die „Dritte Welt" bestehen zum großen Teil aus einseitiger wirtschaftlicher Ausbeutung. Die Krankheiten in der „Dritten Welt"

sind hauptsächlich Infektions- krankheiten. Da die Ursachen nicht behoben werden, treten sie immer wieder auf. Die vorbeugen- den Maßnahmen bedingen eine Anpassung an den westlichen Le- bensstil. Dadurch verbreiten sich aber neue, nämlich Zivilisations- krankheiten.

Wir sehen, daß die Menschen in den im Gegensatz zu uns unter- entwickelten Ländern unter be- stimmten Zuständen leiden. Wir glauben, ihnen helfen zu können, weil wir diese Zustände besser beherrschen. Es ist jedoch frag- lich, ob unser Lebensstil und un- sere Kultur „besser" sind. Wir ha- ben in der Gegenwart selbst viele Probleme, unter denen wir leiden.

Nach meinem subjektiven Emp- finden sind die Menschen in Afri- ka glücklicher als wir.

Der Hauptgrund, warum ich mich nach drei Jahren in Afrika ent- schloß, wieder nach Deutschland zurückzukehren, war: Heimweh.

Die Kontakte zu Schwarzen wer- den behindert durch Gesetz und Kultur. Die meisten Weißen blei- ben nur vorübergehend. Der wachsenden Umweltzerstörung und anderen negativen Einflüssen der Zivilisation kann man sich heute nirgendwo auf der Erde mehr entziehen.

Heimweh und Zweifel am Sinn der Arbeit in Afrika

Ein anderer Grund für die Rück- kehr waren Zweifel am Sinn mei- ner Arbeit in Afrika. Ich verbreitete unsere Kultur, unser materielles Denken. Dabei sind die Menschen hier in Deutschland unglücklicher und hilfebedürftiger.

Unser ressourcenerschöpfender und umweltzerstörender Lebens- stil muß abgebaut werden, nicht nur im eigenen Interesse, sondern auch zum Wohle der „Dritten Welt". Mein Einsatz hier ist sinn- voller.

Die Erfahrungen, die man in der

„Dritten Welt" sammeln kann, sind wertvoll. Um einen Einblick in die spezifischen Probleme dieser Länder zu bekommen, sollte man mindestens zwei Jahre im Aus- land arbeiten. Bei medizinischen Tätigkeiten ist es günstig, wenn man Erfahrung in der Chirurgie besitzt.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Peter Wiegand Draiser Straße 164 6500 Mainz 1

Die Veröffentlichung weiterer Erfahrungsberichte ist in Vorbe- reitung. Als nächstes: Ärztliche Entwicklungshilfe in Peru 3324 (40) Heft 45 vom 7. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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